Sonntag, 2. Oktober 2022

Den Trauernden

 


O, weine nicht, 

wenn blitzschnell wie vom Wetterschlage,

die süße Hoffnung deines ganzen Lebens,

die Stütze deiner alten Tage,

zusammenbrach, nun deine Hand,

dein Mund den teuren Liebling sucht vergebens,

den Sohn! Er starb fürs Vaterland.

O, weine nicht.


O, weine nicht,

wenn der als Gatte Dir zu eigen,

in treuer Liebe innig dir verbunden,

wenn deines Lebens höchster Schmuck muß neigen

das edle Haupt, fernab von Feindes Hand

dahingestreckt, nicht achtend seiner Wunden,

dich segnend, stirbt den Tod fürs Vaterland.

O, weine nicht.


O, weine nicht,

wenn dich die Kinder fragen,

weshalb der Vater bliebe gar so lange,

er müsse wieder auf dem Arm sie tragen,

um ihren Nacken legen seine Hand,

damit sie küssen könnten seine Wange --

die schon erblich im Tod fürs Vaterland.

O, weine nicht.


O, weine nicht,

ob sich des Herbstes Stürme wild erheben,

sich türmet hoch die unglücksschwangre Welle

und den Pilot verschlingt, dem du gegeben

dein Lebenssteuer in die treue Hand,

der statt der Myrte nun die Immortelle

umarmt im Tode treu fürs Vaterland. ---

O, weine nicht.


O, weinet nicht,

ob ihr das Teuerste auch habt verloren!

Gewaltig schon die neuen Zeiten kreisen,

und Großes wird in Schmerzen nur geboren.

Der Lorbeer reicht der Palme schon die Hand,

und herrlich, neugestählt durch Blut und Eisen,

ersteht zum höchsten Glanz das Vaterland.

Drum weinet nicht,

denn die für solchen Preis sich hingegeben,

sie sterben nicht, sie werden ewig leben!


© Alexander Duncker (1813-1897)