Sonntag, 9. Oktober 2022

Der Garten des Lebens


 

Der Garten des Lebens

ist lieblich und schön.

Es keimen und sprossen

auf lachenden Höhn

in Tagen des Lenzes

der Blüten so viel !

Da treiben die Weste

manch fröhliches Spiel.


Ihr Spiel in den Wellen

des Grases ist schön.

O sieh, wie die Blumen

im Winde sich drehn !

Sie wiegen die Wipfel,

die Kelche so blau

und schütteln vom Wipfel,

vom Kelche den Tau.


Und Quellen der Freude,

so lieblich und hehr,

durchwässern den Garten

und rieseln einher.

Sie tanzen in Bächen

durch Blüten dahin,

durch Blüten des Maies

und murmeln und fliehn.


Doch währt es nicht ewig,

der Frühling entflieht;

die Blumen sind all', eh

wir wähnten, verblüht.

Das duftende Veilchen,

es duftet nicht lang,

und welkt es, dann wird 's mir

im Busen so bang !


Noch blühet der Garten,

noch säuselt der Wind

in Zweigen und Blüten

so kühlend, so lind !

Und führet im Kreisen

den Maiduft umher;

noch blühet der Garten

so lieblich und hehr !


Doch weh, wenn der Herbstwind

in Zweigen sich regt,

die Bäumchen entblättert,

die Blüten zerschlägt !

Wenn sinken im Winde

die Blumen hinab !

Wohl ist dann der Garten

des Lebens ein Grab.


Und weh, wenn der Frühling

des Lebens verfliegt,

die Quelle der Freuden

im Alter versiegt,

wenn darbet die Wonne

das Alter! ----- O, Freund !

Unfreundlich und düster

das Alter mir scheint.


Wir wallen den Garten

hinab und hinan;

noch rinnt uns die Quelle,

die gestern uns rann.

Weg Sorgen und Bangen,

das Unkraut, forthin,

solange die Blumen

des Lenzes uns blühn !


Und fallen sie unter

des Wallenden Tritt,

die duftenden Blumen,

so fallen wir mit !

Die Erde, der ehmals

das Veilchen entsproß,

die öffnet auch uns dann 

den kühligen Schoß.



© Johann Aegidius Rosemann (1755-1830)