Montag, 31. Oktober 2022

Ihr seid, um die man trauern soll ...


 

Adé, verfluchtes Tränental !

Du Schauplatz herber Schmerzen !

Du Unglückshaus, du Jammersaal,

du Folter reiner Herzen !

Adé ! Mein Kerker bricht entzwei;

die Kette reißt, mein Geist wird frei,

die Schlösser sind zersprungen.


Willkommen, oft gewünschter Tod,

wo du ein Tod zu nennen.

Willkommen, süßer Liebesbot' !

Wer kann die Freud' erkennen,

in die uns Gott durch dich einführt,

den Schmuck, mit welchem Jesus ziert,

die standhaft hier gerungen !


Die Erden schau ich unter mir !

Ist 's dies, worum wir kämpfen

mit Schwert und Flammen? Welche wir

mit Blut und Leichen dämpfen?

Die Handvoll Graus, dies Häuflein Sand,

um welches Eitelkeit und Tand

und Fluch und Laster ringen?


Hilf Gott, was laß ich? Nichts als Weh,

als Zeter, Ach und Klagen,

als einen bittren Tränensee

und Höllen grause Plagen !

Heißt ihr dies Leben, die ihr lebt

und zwischen Furcht und Leiden schwebt,

die Angst und Grimm verzehret ?


Dort fällt ein Reich, das andre kracht,

und dies wird nicht gefunden.

Dort schluckt die Erd' ein ihre Pracht,

die da in Rauch verschwunden.

Was nicht der strenge Nord auslöscht,

was nicht die stolze Well' abwäscht,

wird durch sich selbst verkehret.


Und mag noch jemand sein, der mich

mit Zähren ruft zurücke,

denkt Liebste, wo ihr und wo ich !

Mißgönnt man mir mein Glücke ?

Ich lach', ihr weint; ich sieg', ihr kriegt;

ich herrsch', ihr dient; ich steh', ihr liegt;

ich leb', ihr müßt verschmachten.


Ihr seid, um die man trauern soll;

ich, den die Lust erquicket.

Ihr zagt, und mir ist ewig wohl.

Gott hat mich heimgeschicket,

der euch bald rufen wird zu mir.

Indessen lernt die falsche Zier

der eitlen Welt verachten.


Adé, ihr Liebsten! Ich muß fort,

laßt ab von euren Tränen.

Denkt, daß ich aussteig in den Port,

nach dem sich alle sehnen.

Dort war der Kampf, hier ist der Lohn;

dort war der Kerker, hier der Thron;

dort Wünschen, hier Erlangen.


Das reiche Schloß der Ewigkeit

geht auf. Ich bin ankommen.

Adé Welt, Hoffen, Schmerz und Streit !

Gott hat mich eingenommen.

Hier will ich ewig leben dir,

hier will mit Jauchzen für und für

ich dich, mein Gott, umfangen.



© Andreas Gryphius (1616-1664)

Sonntag, 30. Oktober 2022

Es geht ein Riss durch die Idylle


 


Und plötzlich steht der Atem stille,

die Stunde tut den letzten Schlag,

es geht ein Riss durch die Idylle,

die Nacht folgt auf den frohen Tag.


Dem Lachen lagen Tränen inne,

und Schatten barg sich in dem Licht.

Die Traurigkeit betäubt die Sinne,

ich sah im Licht den Schatten nicht.


Wie ist es doch so schön gewesen,

Sekunden noch vorm Todesstoß.

Die Zeit schwingt ihren rauen Besen

und legt des Lebens Täuschung bloß.


Noch warm sind deine toten Hände,

noch rosig ist dein Wangenschein.

So plötzlich ist das Glück zu Ende,

und wollte doch für immer sein ...



© Bettina Lichtner 

Samstag, 29. Oktober 2022

Großmudder

 


Ick reist' up Ferien; ick wir

'n Jung von dütteihn Johr.

De Wagen hüll, die Kutscher säd:

"Süh so! Nu sünd wi dor!"

Wi güng'n rin. ---- Un Mudder set, 

de Hän'n in ehren Schot,

sei kek mi an: "Ja, leiwe Jung,

Großmudder is nu dod."


Still güng ick ut de Dör herut.

Wo de oll Plumm'bom stünn,

dor heww ick an den'n Gäwel stahn, 

mi wir so swer tau Sinn. ---

Sei wir all vierundsoebentig Johr, 

ehr Hor wir gries und witt,

doch wenn dat Eiertrünneln kem

tau Ostern, güng sei mit.


Un Winterabends seten wi

in'n Schummern in de Stuw,

Großmudding mit de blage Schört

und mit ehr witte Huw.

Wi Kinner seten up de Hutsch,

den' Kopp in ehren Schot,

sei strakt uns liesen dörch dat Hor

un strakt uns sachten blot.


Geschichten wüßt sei tau vertell'n

as keiner in den' Urt! ----

Großmudder hadd'n gaudes Hart,

sei hadd'n gaudes Wurt. ----

Wi seten vör dat Abenlock

an't warme, helle Für;

un nahsten halt Großmudding uns

Bratappels ut dat Rühr.


Ick läd den'n Kopp an'n Plummenbom

un rohrt ut Hartengrund;

dat't wir so düster üm mi her,

dat't keiner weiten kunnt. ----

Ick hadd üm Großmudder nich rohrt

dor in de frömde Stadt,

as ick   n a h  H u s   kem, wüßt ick irst,

wat ick verluren hadd.



© Walther Zander (veröffentlicht 1926)

Am Krankenbett


 

Um dein friedliches Krankenlager

schwirren Schatten aus dunklem Land.

Noch halt ich in bangen Nächten

deine fieberheiße Hand.


Und höre dich müde flüstern 

vom Glück, das uns schmeichelnd umwellt,

das noch mit verklärendem Schimmer

deine letzten Träume erhellt.


Bald läuten die Kirchenglocken

der Heimat dich zur Ruh.

Mein Herz sucht Gottes Frieden,

ist erdenmüde --- wie du.



© Maria Wollwerth (veröffentlicht 1926)

Freitag, 28. Oktober 2022

Er schläft in fremder Erde ...


 

Er schläft in fremder Erde,

und wo, du weißt es nicht,

und doch trägt dich ein Wunder,

daß nicht das Herz dir bricht!


Du kannst in stiller Liebe

sein Grab nicht schmücken gehn ---

und kannst in deinen Nöten

als eine Heldin stehn?


Was ist es, treue Fraue,

daß du so tapfer bist?

Es sagen 's deine Augen ---

"Weil Liebe himmlisch ist!"



© Reinhold Braun (1879-1959)

Mittwoch, 26. Oktober 2022

Gelöste Bande

 



Nun aber ist der Tod die große Gelegenheit, nicht mehr Ich zu sein: Wohl dem, der sie benutzt. Während des Lebens ist der Wille des Menschen ohne Freiheit .... Daher löst der Tod jene Bande: der Wille wird wieder frei.


© Arthur Schopenhauer (1788-1860)

ewig glühend

 



Geburt und Grab, ein ewiges Meer,

ein wechselnd Weben, ein glühend Leben.


© Ludwig Klages (1872-1956)


Montag, 24. Oktober 2022

Das bessere Los?


 

Jetzt ist es Zeit, daß wir von hinnen gehen, ich um zu sterben, ihr um zu leben; wer von uns aber einem besseren Lose entgegengeht, darüber ist niemand als Gott im klaren. 



© Platon (um 427 v.Chr. - um 347 v.Chr.)

Wieder getrennt


 


Es ist vermischt und wieder getrennt worden und dahingegangen, wo es hergekommen ist, die Erde zur Erde, der Geist in die Höhe. Was ist Böses beim Sterben?


© Epicharmos (um 540 v.Chr. - um 460 v.Chr.)

Sonntag, 23. Oktober 2022

Ende meiner Laufbahn

 



"Gott sei Dank und Maria. Ich bin am Ende meiner Laufbahn; es ist vorbei, jetzt kann ich nicht mehr sündigen."


© letzte Worte des hl. Ludwig Maria Grignion v. Montfort (1673-1716)

Samstag, 22. Oktober 2022

Der Tag der Erfüllung




 

Dein Tag wird kommen! ....

Es laufen die Monate und Jahre. 

Sie führen dich hin zu dem Tag, 

der dein, nur der Deinige ist ....

Der Tag der Erfüllung, so licht und schön,

wie du ihn erträumt -----

der Tag, der einholt, was du versäumt;

der Tag, wo schwarze Rosse

vor schwarzem Wagen

deine Sehnsucht still zur Ewigkeit tragen.


© Heinrich Stadelmann (1865-1948)

Erlöst !

 



Wenn Gott nicht wär', was ist das Leben dann?

Ein dunkles Rätsel ohne Zweck und Sinn.

Eh, was drin ruht, sich noch entfalten kann:

Dahin ....


Ein dunkles Grab ist alles, was dann bleibt,

in gift'gem Moder unser Sein verwest.

Doch weil Gott ist, mit sel'gen Runen schreibt:

Erlöst !



© Fritz Woike (1890-1962)

Freitag, 21. Oktober 2022

Wir leben fort ...


 

Die Unsterblichkeit der Seele ist so vielfach bezweifelt worden, und eben jetzt kommen wieder Geister empor, die sich anstellen, als ob sie des Vergehens und der Vernichtung im Tode sicher wären, und doch sprechen alle Gründe für Fortdauer der Seele, keiner dagegen. Keiner!

Denn der einzige, den jene aufzubringen vermögen, ist keiner. Alles, was von dieser Seite aufgebracht wird, läuft nämlich auf das einfache Bekenntnis hinaus: Wir sehen nicht ein,   w i e   der Mensch nach dem Tode fortleben soll ! ---- Das ist aber offenbar kein Grund. Die meisten Menschen sehen das Meiste nicht ein: es wäre sehr schlimm, wenn das Meiste schon um deswegen nicht wahr wäre.

Gott, der uns auf Erden entstehen ließ, wird schon wissen, uns zu erhalten, was in Wahrheit kein größeres Wunder ist als das Hervorbringen. Wir können ihm das Vertrauen wohl schenken und ihm die Sorge überlassen!

Und es ist schön, wenn wir ihm vertrauen, schön, wenn wir glauben, ohne zu sehen.

Durch solchen Glauben ehren wir ihn, wie wir auch Menschen ehren, denen wir ohne Beweise glauben.

Der Glaube an Gott und seine Endzwecke ist edel und süß. Er ist eine Kraft und stammt aus der Tugend. Wir glauben an die Liebe, wenn wir selber Liebe haben. Wir glauben an das Heil, wenn wir es selber allen verschaffen möchten.

Wir   m ü s s e n   fortleben.

Ein Leben, das zu nichts vergeht, wäre sinnlos und wäre besser gar nicht entstanden. Ein Wesen, das wird und lebend sich bildet, muß sich ausbilden zur Vollkommenheit ---- dann allein hat sein Werden Sinn, und der vernünftige Mensch wird sagen: Nun begreif' ich es; dazu war 's der Mühe wert, ins Dasein zu treten!

Alles weist auf dieses Ziel hin und fordert es!

Die Natur strebt nach Glück, nach reinem Genuß des Daseins; Geist und Herz trachten nach Erkenntnis, nach sittlicher Vollendung und harmonischer Tätigkeit.

Alles das wird uns aber auf Erden nicht zuteil. Wir können hier nur suchen und ringen und werden nur durch unzulängliche Erfolge belohnt. 

Welchen Sinn hätten jene Triebe nun, wenn dieses irdische Leben nicht boß der Anfang, sondern schon alles wäre, und sie nach der höchst unvolkommenen Befriedigung in diesem Leben nicht eine stets vollkommenere, sondern das Nichts erwartete?

Das Menschenleben wäre die kläglichste Erfindung, die trostloseste Gaukelei.

Was aber die Triebe des Menschen fordern, das fordern mächtiger noch die Triebe der Menschheit. Auch die Menschheit entwickelt sich und geht einem Ziele vollkommenen Lebens entgegen. Das lehrt die Geschichte, das lehren uns die übereinstimmenden Ideen ihrer edelsten Vorkämpfer.

Wird sie dieses Ziel der gegenwärtigen Ordnung der Dinge erreichen?

Auf das Ideal, das, wie die Geschichte es lehrt, der Menschheit vorschwebt, weisen alle Kräfte und Arbeiten des Menschengeschlechts hin: die Wissenschaft, die nach allseitiger Erkenntnis, die praktische Tätigkeit, die nach steter Verbesserung, die Kunst, die nach vollendeter Schönheit strebt.

Auch diese Mächte erreichen ihren Zweck auf Erden nur annähernd; die Weihe der Vernunft, die ganze Rechtfertigung ihres Strebens können sie also nur entfalten, wenn sie sich in einer Sphäre der Vollkommenheit vollkommen genügen dürfen.

Auch dort --- im Vollkommenen --- werden wir noch fortzuschreiten vermögen.

Der Unterschied zwischen den beiden Sphären des Himmels und der Erde ist nur, daß wir hier auf eine grobe und materielle Art fortschreiten, dort auf eine geistige. Hier mit der feindseligen Materie kämpfend, unter Leiden und Sorgen, dort von der freundlich gewordenen unterstützt mit Siegesgewißheit und mit Freude.


© Melchior Meyr (1810-1871)

Mittwoch, 19. Oktober 2022

Jedes Grab mahne uns!


 

Von dem Staub, den Staub verschlinget,

reißt der Geist sich los und dringet 

im Gebete, Gott zu Dir,

zu dem Ew'gen für und für.


Vater unser, der du in dem Himmel bist !


Wo des Lebens Blume lächelt,

wo des Todes Wehen fächelt,

Du, den noch kein Auge sah,

überall bist du uns nah!


Geheiligt werde Dein Name !


Sterbliche nur zählen Jahre,

rechnen Wiege, rechnen Bahre.

Du kennst diese Schranken nicht,

spendest ewig Gnad' und Licht.


Zu uns komme Dein Reich !


Alle unsre Lebenslose

fallen uns aus Deinem Schoße,

lieblich für ein gläubig Herz,

sei'n sie Freude oder Schmerz.


Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden.


Braucht 's noch viel des Harms, der Sorgen

um den ungewissen Morgen.

Immer deine Huld noch bot,

was dem armen Leben Not.


Unser täglich Brot gib uns heute !


Vater, Du verläßt hier keinen.

Könnten wir nur stets mit reinen,

frommen Blicken aufwärts schau'n,

Dir wie gute Kinder trau'n!


Vergib uns unsre Schulden wie auch wir vergeben unsern Schuldigern!


An der Liebe Bund hienieden,

an der Seele Tugend Frieden,

an Gerechtigkeit und Treu

mahne jedes Grab uns neu!


Führe uns nicht in Versuchung !


Wo wir kämpfen, dulden, tragen,

woll'n wir nie an Dir verzagen,

der uns führt ins Vaterhaus,

Gott, Dein Bote bleibt nicht aus!


Erlöse uns von dem Übel !


Vater, Deinen Segen allen,

die noch hier im Staube wallen!

Allen soll's zum Heile sein:

Lebend, sterbend sind wir Dein!


Es geschehe! Amen.



© Katholischer Kaplan Laiber (veröffentlicht 1840)

Auf dem Grund ist 's still

 



Seele, senk dich ein!

Laß dich in die Tiefe nieder.

Geh in deinen Ursprung wieder,

willst du selig sein.

Gott ist dir so nah.

Weil du bist aus Ihm entsprungen,

bist du so in Ihn verschlungen,

daß er stets ist da.

Laß beim Sturmgebrülle

toben noch so sehr

das empörte Meer ----

Auf dem Grund ist 's still.

Such die Still' auch du!

Nichts macht es so kund,

ob man auf dem Grund,

als die tiefe Ruh.



© Pfr. Christan Sigel (1768-1826)

Sonntag, 16. Oktober 2022

Nun gehe ein zu deinem Frieden


 

Nun gehe ein zu deinem Frieden,

du liebes Herz. Nach Kampf und Streit

wird süße Ruhe dir beschieden

auf lichten Höh'n der Ewigkeit.


Hier hat die Seele Leid getragen,

dort ist zu Ende Not und Pein.

Nach dieses Lebens Müh'n und Plagen,

wird ewig deine Freude sein.


Hier gingest du im Tal der Tränen, 

auf rauen Pfaden himmelwärts.

Dort wird gestillt dein tiefes Sehnen,

und Seligkeit erfüllt dein Herz.



© Kirchenmusiker Hermann Ober (1926-2006)

Gottes Rat und Scheiden

 


Es ist bestimmt in Gottes Rat,

daß man vom liebsten, was man hat,

muß scheiden, ja scheiden.

Wiewohl doch nichts im Lauf der Welt

dem Herzen ach so sauer fällt,

als Scheiden, als Scheiden, ja Scheiden.


So dir geschenkt ein Röslein was,

so tu es in ein Wasserglas,

doch wisse, doch wisse,

blüht morgen dir ein Röslein auf,

es welkt wohl noch die Nacht darauf.

Das wisse, das wisse, ja wisse!


Und hat dir Gott ein Lieb beschert,

und hältst du sie recht innig wert,

die Deine, die Deine ---

es wird nur wenig Zeit wohl sein,

da läßt sie dich sogar allein,

dann weine, dann weine, ja weine!


Nur mußt du mich auch recht verstehn,

ja, recht verstehn:

Wenn Menschen auseinandergehn,

so sagen sie Auf Wiedersehn!

Auf Wiedersehn! Auf Wiedersehn!

Auf Wiedersehn!



© Ernst von Feuchtersleben (1806-1849)

Warum starben sie?


 

Warum starben sie? ---- So fragen wir oft. "Ich will schweigen und meinen Mund nicht auftun, denn Du hast es getan", so lautet die Antwort eines bekannten Psalmes (39). Laßt uns nun auch so sprechen: "Ich will schweigen", nicht aus Wut oder Verzweiflung, sondern weil es  S e i n e  Tat war, und darum muß es wohlgetan sein. Es war nicht das Werk des Zufalls oder der Notwendigkeit, nein, es war die Tat von dem Vater, ohne den kein Sperling zur Erde fällt, der seinen Sohn am Kreuze sterben ließ vor brünstigem Verlangen zu erretten, dessen Geist der Lebensspender ist in allem Geschaffenen. Ja, ihr Sterben war die Tat des Gottes, dessen Freude das Leben ist und nicht der Tod, das Licht und nicht die Finsternis, die Weisheit und nicht die Zwecklosigkeit. ---- Was seine besondere Absicht bei ihrem Sterben war? Wir wissen es nicht, brauchen es auch nicht zu wissen. Uns mit Vermutungen zu beschäftigen, das hieße sich einmischen in Dinge, die zu hoch für uns sind. So laßt uns schweigen, nicht aus Verzweiflung, sondern weil der Glaube uns die Lippen schließt.



© Charles Kingsley (1819-1875)

Samstag, 15. Oktober 2022

Jeder Sekundenschlag ...

 



Jeder Sekundenschlag reißt uns dem Sterbebette näher.



© Ludwig Hölty (1748-1776)

Nur Schweigen


 

Hier im Grabe lauert kein Verrat,

hier schwillt kein Neid,

wächst kein verhasster Zwist,

kein Sturm für euch,

kein Lärm;

nur Schweigen

und ein ew'ger Schlaf.



© William Shakespeare (1564-1616) (aus "Titus Andronicus")

Freitag, 14. Oktober 2022

Des Toten Hände ...


 


Geschlossen sind der Neugebor'nen Hände,

zur Faust gepreßt, 

als hielten sie des Glückes volle Spende

unlösbar fest.

Doch offen streckt sich, ausgespreizt ins Leere

des Toten Hand;

nichts folgt von allem, was die Welt gewähre

zum Grabesrand.



© Oskar Blumenthal (1852-1917)

In schöner Verwandlung ...

 



Alles verwandelt sich; nichts stirbt. In schöner Verwandlung wird die Hoffnung Genuß und das Verlorene Gewinn.


© Johann Gottfried Herder (1744-1803)

Mittwoch, 12. Oktober 2022

Was ich liebte ...


 

Gott hat mir 's gegeben, Gott hat mir 's genommen! Des Herrn Name sei gelobt. Gott bleibet mir noch. Sterben ist nur Scheiden, nicht ein Verlust. Was ich liebte, das liebte Jesus auch. So muß ich 's meinem Jesus gönnen; und mein Lieben darf ich dem Himmel nicht mißgönnen.


© Heinrich Müller (1631-1675)

Mitten in dieser Minute


 

Der Mensch hat dritthalb Minuten: eine zu lächeln, eine zu seufzen und eine halbe zu lieben; denn mitten in dieser Minute stirbt er.


© Johann Paul Friedrich Richter (1763-1825)

Die größte Kunst


 

Was ist die größte Kunst auf Erden?

Mit frohem Herzen alt zu werden,

zu ruhen, wo man schaffen möchte,

zu schweigen, wo man ist im Rechte;

zu hoffen, wo man am Verzagen,

gehorsam still sein Kreuz zu tragen

und neidlos andere zu sehn,

die rüstig Gottes Wege gehen.

Die Hände in den Schoß zu legen

und sich in Ruhe lassen pflegen

und, wo man sonst gern hilfreich war,

sich nun in Demut machen klar,

daß uns die Schwachheit überkommen,

wir nichts mehr sind zu andrer Frommen,

und dabei still und freundlich doch

zu gehn im gottgesandten Joch.

Was kann uns diesen Frieden geben?

Wenn wir des festen Glaubens leben,

daß solche Last, von Gott gesandt,

uns bilden soll fürs Heimatland,

ein letzter Schliff fürs alte Herz,

zu lösen uns von allem Schmerz

und von den Banden dieser Welt,

die uns so fest umfangen hält.

Die Kunst lernt keiner völlig aus,

drum gibt 's noch manchen harten Strauß

in alten Tagen durchzukämpfen,

bis wir des Herzens Unruh' dämpfen

und willig uns ergeben drein,

in stiller Demut nichts zu sein.

Dann hat uns Gott nach Gnadenart

die beste Arbeit aufgespart:

Kannst du nicht regen mehr die Hände,

kannst du sie falten ohne Ende,

herabziehn lauter Himmelssegen

auf all die Deinen allerwegen;

und ist die Arbeit auch getan,

und naht die letzte Stund' heran,

von oben eine Stimme spricht:

"Komm, du bist mein; ich laß dich nicht!"


© Elise Averdieck (1808-1907)

Dienstag, 11. Oktober 2022

Weinen verbindet

 


Nichts verknüpft so sehr die Herzen als die Süßigkeit, miteinander zu weinen.


© Jean-Jaques Rousseau (1712-1778)

Urzustand


 

Der Tod ist die Erlösung aller Schmerzen und völliges Aufhören. Über ihn gehen unsere Leiden nicht hinaus. Er versetzt uns wieder in den Zustand der Ruhe in dem wir uns befanden, ehe wir geboren waren.


© Laurus Annaeus Seneca (4 v.Chr. - 65 n.Chr.)


Sonntag, 9. Oktober 2022

Der Garten des Lebens


 

Der Garten des Lebens

ist lieblich und schön.

Es keimen und sprossen

auf lachenden Höhn

in Tagen des Lenzes

der Blüten so viel !

Da treiben die Weste

manch fröhliches Spiel.


Ihr Spiel in den Wellen

des Grases ist schön.

O sieh, wie die Blumen

im Winde sich drehn !

Sie wiegen die Wipfel,

die Kelche so blau

und schütteln vom Wipfel,

vom Kelche den Tau.


Und Quellen der Freude,

so lieblich und hehr,

durchwässern den Garten

und rieseln einher.

Sie tanzen in Bächen

durch Blüten dahin,

durch Blüten des Maies

und murmeln und fliehn.


Doch währt es nicht ewig,

der Frühling entflieht;

die Blumen sind all', eh

wir wähnten, verblüht.

Das duftende Veilchen,

es duftet nicht lang,

und welkt es, dann wird 's mir

im Busen so bang !


Noch blühet der Garten,

noch säuselt der Wind

in Zweigen und Blüten

so kühlend, so lind !

Und führet im Kreisen

den Maiduft umher;

noch blühet der Garten

so lieblich und hehr !


Doch weh, wenn der Herbstwind

in Zweigen sich regt,

die Bäumchen entblättert,

die Blüten zerschlägt !

Wenn sinken im Winde

die Blumen hinab !

Wohl ist dann der Garten

des Lebens ein Grab.


Und weh, wenn der Frühling

des Lebens verfliegt,

die Quelle der Freuden

im Alter versiegt,

wenn darbet die Wonne

das Alter! ----- O, Freund !

Unfreundlich und düster

das Alter mir scheint.


Wir wallen den Garten

hinab und hinan;

noch rinnt uns die Quelle,

die gestern uns rann.

Weg Sorgen und Bangen,

das Unkraut, forthin,

solange die Blumen

des Lenzes uns blühn !


Und fallen sie unter

des Wallenden Tritt,

die duftenden Blumen,

so fallen wir mit !

Die Erde, der ehmals

das Veilchen entsproß,

die öffnet auch uns dann 

den kühligen Schoß.



© Johann Aegidius Rosemann (1755-1830)

Die Ruhe im Grabe

 


Im Grabe ist Ruh!

Drum wanken dem tröstenden Ziele

der Leidenden viele

so sehnsuchtsvoll zu.


Hier schlummert das Herz,

befreit von betäubenden Sorgen;

es weckt uns kein Morgen

zu größerem Schmerz.


Es stillet das Grab

verachteter Zärtlichkeit Sehnen

und trocknet die Tränen

des Sehnenden ab.


Dort flutet nicht mehr

die Wonn' und die Wehmut der Liebe ----

Die zärtlichsten Triebe,

ach, quälten uns sehr.


Der freundliche Hein

entbürdet von jeglichem Kummer

und führt uns durch Schlummer

zur Seligkeit ein.


Was weinest denn du?

Ich trage nun mutig mein Leiden

und rufe mit Freuden:

Im Grabe ist Ruh!



© Christian Erhard Langhausen (1660-1727)

Samstag, 8. Oktober 2022

Über Weltentrümmern

 



Über Weltentrümmern

schläft bewegungslos die Zeit;

neue Welten schimmern ----

Zeit gibt ihnen das Geleit.


Doch auch Zeit muß sinken

in den Schoß des Nichts;

du, mein Geist, wirst trinken

Ströme ewigen Lichts.



© Johannes Baptista von Albertini (1769-1831)

Auszug aus "Unter Lilien jener Freuden"


 

Nichts soll mir am Herzen kleben,

süßes Leben,

was die Erde in sich hält.

Sollt' ich noch in dieser Wüsten

länger nisten?

Nein, ich eil' ins Himmelszelt.


Herzensheiland, laß den Glauben

mir nichts rauben,

Glauben, der durch alles dringt.

Nach dir sehnt sich meine Seele

in der Höhle,

bis sie sich von hinnen schwingt.


O, wie bald kannst du es machen,

daß mit Lachen

unser Mund erfüllet sei.

Du kannst durch des Todes Türen

träumend führen,

und machst uns auf einmal frei.



© Johann Ludwig Konrad Allendorf (1693-1773)

Was mir gefällt ...


 

Weißt du, was in dieser Welt

mir am meisten wohlgefällt?

Daß die Zeit sich selbst verzehret,

und die Welt nicht ewig währet.



© Friedrich von Logau (1605-1655)

Widerhallende Liebe

 


Ja, wir sind Widerhall ewigen Halls.

Was man das Nichts nennt, ist Wurzel des Alls,

aber das wollen wir mutig vergessen,

wollen die Kreise des Daseins durchmessen!

Was hier nicht gebunden wird, ist nirgends gebannt.

Wie weit eine Liebe sich spannt

in die Zeit, in das Glück ihrer Erde,

so tief wird sie zeugen im ewigen Werde."



© Hans Carossa (1878-1956)

Freitag, 7. Oktober 2022

Bei ihrem Grabe


 

Diese Leiche hüte Gott !

Wir vertrauen sie der Erde,

daß sie hier von aller Not

ruh', und wieder Erde werde.


Da liegt sie, die Augen zu,

unterm Kranz, im Sterbekleide!

Lieg und schlaf in Frieden du,

unsre Lieb' und unsre Freude!


Gras und Blumen gehn herfür,

alle Samenkörner treiben,

treiben --- und sie wird auch hier

in der Gruft nicht immer bleiben.


Ausgesät nur, ausgesät

wurden alle die, die starben;

Wind und Regenzeit vergeht,

und es kommt ein Tag der Garben.


Alle Mängel abgetan,

wird sie dann in bessern Kränzen

still einhergehn und fortan

unverweslich sein und glänzen.



© Matthias Claudius (1740-1815)

Mittwoch, 5. Oktober 2022

Ein Traum ist unser Leben

 



Ein Traum, ein Traum ist unser Leben

auf Erden hier.

Wie Schatten auf den Wogen schweben

und schwinden wir,

und messen unsre trägen Tritte

nach Raum und Zeit;

und sind - und wissen 's nicht - in Mitte

der Ewigkeit.



© Johann Gottfried Herder (1744-1803)

Was kann tröstender sein ...



Was kann, wenn man nahe dran ist, diese Welt zu verlassen, tröstender sein, als zu sehen, dass man nicht umsonst gelebt habe, weil man einige, wenngleich nur wenige, zu guten Menschen gebildet hat?



© Immanuel Kant (1724-1804)

Du löst dich auf ...


 

Du gehst ein in die vertraute und verwandte Materie; du löst dich auf in die Grundstoffe des Seins. Was in dir Feuer war, geht wieder ein in das Feuer. Was Erde war, wird wieder zu Erde. Was Luft war, vereinigt sich wieder mit der Luft. Was Wasser war, geht zurück in das Wasser.



© Epiktet (ca. 50-138 n. Chr.)

Montag, 3. Oktober 2022

Vanitas, vanitatum vanitas. (Eitelkeit, Eitelkeit der Eitelkeiten)

 

Die Herrlichkeit der Erden

muß Rauch und Asche werden,

nicht Fels, nicht Erz bestehn.

Das, was uns kann ergötzen,

was wir für ewig schätzen,

wird als ein leichter Traum vergehn.


Der Ruhm, nach dem wir trachten,

den wir unsterblich achten,

ist nur ein falscher Wahn.

Sobald der Geist gewichen

und dieser Mund erblichen,

fragt keiner, was wir hier getan.


Es hilft nicht Kunst noch Wissen,

wir werden hingerissen

ohn einen Unterscheid.

Was nützt der Schlösser Menge?

Dem hier die Welt zu enge,

dem wird ein enges Grab zu weit.


Dies alles wird zerrinnen,

was Müh und Fleiß gewinnen

und saurer Schweiß erwirbt;

was Menschen hier besitzen,

kann für den Tod nichts nützen:

dies alles stirbt uns, wenn man stirbt.


Wie eine Rose blühet,

wann man die Sonne siehet

begrüßen diese Welt,

die, eh der Tag sich neiget,

eh sich der Abend zeiget,

verwelkt und unversehns zerfällt:


so wachsen wir auf Erden

und hoffen groß zu werden,

von Schmerz und Sorgen frei;

doch eh wir zugenommen

und recht zur Blüte kommen,

bricht uns des Todes Sturm entzwei.


Wir rechnen Jahr auf Jahre;

indessen wird die Bahre

uns vor die Tür gebracht.

Drauf müssen wir von hinnen

und, eh wir uns besinnen,

der Erde sagen gute Nacht.


Auf, Herz, wach und bedenke,

daß dieser Zeit Geschenke

den Augenblick nur dein;

was du zuvor genossen,

ist wie ein Strom verflossen;

was künftig, wessen wird es sein?


Verlache Welt und Ehre,

Furcht, Hoffen, Gunst und Lehre

und nimm den Herren an,

der immer König bleibet,

den keine Zeit vertreibet,

der einzig selig machen kann.


Wohl dem, der auf ihn trauet!

Er hat recht fest gebauet,

und ob er hier gleich fällt,

wird er doch dort bestehen

und nimmermehr vergehen,

weil ihn der Starke selbst erhält.



© Andreas Gryphius (1616-1664)

Die Welt sei, wie sie will ...


 

Das Beste, das ein Mensch in dieser Welt erlebet,

ist, daß er endlich stirbt, und daß man ihn begräbet.

Die Welt sei, wie sie will; sie hab' auch, was sie will,

wär Sterben nicht dabei, so gilte sie nicht viel.


© Friedrich von Logau (1605-1655)

Grabschrift Med. Doct. Herrn Pauli Flemingi (1609-1640)

 


Grabschrift von ihm selbst auf seinem Totenbette gemacht, drei Tage vor seinem seligen Absterben:


Ich war an  Kunst und Gut und Stande groß und reich,

des Glückes lieber Sohn. Von Eltern guter Ehren,

frei, meine, kunte mich aus meinen Mitteln nehren.

Mein Schall floh überweit. Kein Landsmann sang mir gleich.


Von Reisen hochgepreist, für keiner Mühe bleich,

jung, wachsam, unbesorgt. Man wird mich nennen hören,

bis daß die letzte Glut dies alles wird verstören.

Dies, deutsche Klarien, dies ganze dank ich euch.


Verzeiht mir, ich bin's wert, Gott, Vater, Liebste, Freunde!

Ich sag euch gute Nacht und trete willig ab.

Sonst alles ist getan, bis an das schwarze Grab.


Was frei dem Tode steht, das tu er seinem Feinde.

Was bin ich viel besorgt, den Odem aufzugeben?

An mir ist minder nichts, das lebet, als mein Leben.



© Med. Doct. Pauli Flemingi (1609-1640)

Nachruf auf Pfr. Hiob Lepner (1575-1635)

 


O  wie selig seid ihr doch, ihr Frommen,

die ihr durch den Tod zu Gott gekommen!

Ihr seid entgangen

aller Not, die uns noch hält gefangen.


Muß man hier doch wie im Kerker leben,

da nur Sorge, Furcht und Schrecken schweben;

was wir hier kennen

ist nur Müh und Herzeleid zu nennen.


Ihr hergegen ruht in eurer Kammer,

sicher und befreit von allem Jammer,

kein Kreuz und Leiden

ist euch hinderlich in euren Freuden.


Christus wischet ab euch alle Tränen,

habt das schon, wonach wir uns erst sehnen,

euch wird gesungen,

was durch keines Ohr allhier gedrungen.


Ach, wer wollte dann nicht gerne sterben

und den Himmel vor der Welt erwerben?

Wer wollt hier bleiben,

sich den Jammer länger lassen treiben?


Komm, o  Christe, komm uns auszuspannen,

lös' uns auf und führ' uns bald von dannen!

Bei dir,  o  Sonne,

ist der frommen Seelen Freud und Wonne.



© Simon Dach (1605-1659)

Betrachtung der Ewigkeit


 

O  Ewigkeit, du Donnerwort!

O  Schwert, das durch die Seele bohrt!

O  Anfang sonder Ende!

O  Ewigkeit, Zeit ohne Zeit!

Ich weiß für großer Traurigkeit

nicht, wo ich mich hinwende;

mein ganz erschrocknes Herz erbebt,

daß mir die Zung' am Gaumen klebt.


Kein Unglück ist in aller Welt,

das endlich mit der Zeit nicht fällt

und ganz wird aufgehoben:

die Ewigkeit hat nur kein Ziel.

Sie treibet fort und fort ihr Spiel,

läßt nimmer ab zu toben;

ja, wie mein Heiland selber spricht,

aus ihr ist kein Erlösung nicht.


O  Ewigkeit, du machst mir bang!

O  ewig, ewig ist zu lang:

hier gilt fürwahr kein Scherzen:

drum wann ich diese lange Nacht

zusammt der großen Pein betracht,

erschreck ich recht von Herzen.

Nichts ist zu finden weit und breit

so schrecklich als die Ewigkeit.


Liegt einer krank und ruhet gleich

im Bette, das von Golde reich

recht fürstlich ist gezieret,

so hasset er doch solche Pracht

auch so, daß er die ganze Nacht

ein kläglichs Leben führet:

er zählet aller Glocken Schlag

und seufzet nach dem lieben Tag.


Ach was ist das? Der Höllen Pein

wird nicht wie Liebeskrankheit sein

und mit der Zeit sich enden:

es wird sich der Verdammten Schar

im Feu'r und Schwefel immerdar

mit Zorn und Grimm umwenden;

und dies ihr unbegreiflich Leid

soll währen bis in Ewigkeit.


So lang ein Gott im Himmel lebt

und über alle Wolken schwebt,

wird solche Marter währen;

es wird sie plagen Kält' und Hitz',

Angst, Hunger, Schrecken, Feu'r und Blitz

und sie doch nie verzehren:

dann wird sich enden ihre Pein,

wenn Gott nicht mehr wird ewig sein.


Wach auf, o  Mensch, vom Sündenschlaf!

Ermuntre dich, verlornes Schaf,

und bessre bald dein Leben!

Wach auf! Es ist doch hohe Zeit:

es kommt heran die Ewigkeit,

dir deinen Lohn zu geben.

Vielleicht ist heut der letzte Tag:

wer weiß noch, wie man sterben mag?


O  du verfluchtes Menschenkind,

von Sinnen toll, von Herzen blind,

laß ab die Welt zu lieben!

Ach, ach, soll denn der Höllen Pein,

da mehr denn tausend Henker sein,

ohn Ende dich betrüben?

Wo lebt ein so beredter Mann,

der dieses Werk aussprechen kann?


O  Ewigkeit, du Donnerwort!

O  Schwert, das durch die Seele bohrt!

O  Anfang sonder Ende!

O  Ewigkeit, Zeit ohne Zeit!

Ich weiß für großer Traurigkeit

nicht, wo ich mich hinwende.

Herr Jesu, wenn es dir gefällt,

eil' ich zu dir ins Himmelszelt.



© Johann Rist (1607-1667)

Sonntag, 2. Oktober 2022

Was Gott tut, das ist wohlgetan!

 


Was Gott tut, das ist wohlgetan!

Es ist gerecht sein Wille.

Wie er fängt meine Sachen an,

will ich ihm halten stille.

Er ist mein Gott,

der in der Not

mich wohl weiß zu erhalten:

drum laß ich ihn nur walten.


Was Gott tut, das ist wohlgetan!

Er wird mich nicht betrügen,

er führet mich auf rechter Bahn:

so laß ich mich begnügen

an seiner Huld

und hab Geduld,

er wird mein Unglück wenden,

es steht in seinen Händen.


Was Gott tut, das ist wohlgetan!

Er wird mich wohl bedenken;

er, als mein Arzt und Wundermann,

wird mir nicht Gift einschenken

für Arzenei.

Gott ist getreu;

drum will ich auf ihn bauen

und seiner Güte trauen.


Was Gott tut, das ist wohlgetan!

Er ist mein Licht und Leben,

der mir nichts Böses gönnen kann;

ich will mich ihm ergeben

in Freud und Leid:

es kommt die Zeit,

da öffentlich erscheinet,

wie treulich er es meinet.


Was Gott tut, das ist wohlgetan!

Muß ich den Kelch gleich schmecken,

der bitter ist nach meinem Wahn:

laß ich mich doch nicht schrecken,

weil doch zuletzt

ich werd' ergötzt

mit süßem Trost im Herzen,

da weichen alle Schmerzen.


Was Gott tut, das ist wohlgetan!

Dabei will ich verbleiben;

es mag mich auf die rauhe Bahn

Not, Tod und Elend treiben:

So wird Gott mich

ganz väterlich

in seinen Armen halten:

drum laß ich ihn nur walten.



© Samuel Rodigast (1649-1708)

Die Augen der Seele


 


Zwei Augen hat die Seel: eins schauet in die Zeit,

das andre richtet sich hin in die Ewigkeit.


© Johann Scheffler (Angelus Silesius) (1624-1677)

Den Trauernden

 


O, weine nicht, 

wenn blitzschnell wie vom Wetterschlage,

die süße Hoffnung deines ganzen Lebens,

die Stütze deiner alten Tage,

zusammenbrach, nun deine Hand,

dein Mund den teuren Liebling sucht vergebens,

den Sohn! Er starb fürs Vaterland.

O, weine nicht.


O, weine nicht,

wenn der als Gatte Dir zu eigen,

in treuer Liebe innig dir verbunden,

wenn deines Lebens höchster Schmuck muß neigen

das edle Haupt, fernab von Feindes Hand

dahingestreckt, nicht achtend seiner Wunden,

dich segnend, stirbt den Tod fürs Vaterland.

O, weine nicht.


O, weine nicht,

wenn dich die Kinder fragen,

weshalb der Vater bliebe gar so lange,

er müsse wieder auf dem Arm sie tragen,

um ihren Nacken legen seine Hand,

damit sie küssen könnten seine Wange --

die schon erblich im Tod fürs Vaterland.

O, weine nicht.


O, weine nicht,

ob sich des Herbstes Stürme wild erheben,

sich türmet hoch die unglücksschwangre Welle

und den Pilot verschlingt, dem du gegeben

dein Lebenssteuer in die treue Hand,

der statt der Myrte nun die Immortelle

umarmt im Tode treu fürs Vaterland. ---

O, weine nicht.


O, weinet nicht,

ob ihr das Teuerste auch habt verloren!

Gewaltig schon die neuen Zeiten kreisen,

und Großes wird in Schmerzen nur geboren.

Der Lorbeer reicht der Palme schon die Hand,

und herrlich, neugestählt durch Blut und Eisen,

ersteht zum höchsten Glanz das Vaterland.

Drum weinet nicht,

denn die für solchen Preis sich hingegeben,

sie sterben nicht, sie werden ewig leben!


© Alexander Duncker (1813-1897)