Freitag, 11. September 2015

Geistlicher Liedtext von K. Spitta (1801-1859)




Stimm an das Lied vom Sterben, den ernsten Abschiedssang!
Vielleicht läuft heut zu Ende dein ird'scher Lebensgang,
Und eh die Sonne sinket, beschließt du deinen Lauf,
und wenn die Sonne steiget, stehst du mit ihr nicht auf.

Es gibt nichts Ungewissers, als Leben, Freud' und Not,
allein auch nichts Gewissers, als Scheiden, Sterben, Tod.
Wir scheiden von dem Leben bei jedem Lebensschritt;
uns stirbt die Freud' im Herzen, und unser Herz stirbt mit.

An unserm Pilgerstabe ziehn wir dahin zum Grab,
und selbst des Königs Scepter ist nur ein Pilgerstab.
Ein Pilgerkleid hat allen die Erde hier beschert.
Wir tragen 's auf der Erde, und lassen 's auch der Erd'.

Geh', übersteig nur Berge und Höhen mancherlei:
dem kleinen Grabeshügel kommst du doch nicht vorbei!
Da gehst du nicht hinüber, und ist er noch so klein;
da bleibst du müde liegen, da legt man dich hinein.

So sing das Lied vom Sterben, das alte Pilgerlied.
Weil deine Straße täglich dem Grabe näher zieht.
Lass dich es mild und freundlich, wie Glockenton, umwehn;
es läute dir zum Sterben, doch auch zum Auferstehn.


(Karl Johann Philipp Spitta, 1801-1859)