Donnerstag, 17. September 2015

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Veranlassungen zu fleißigen Todesgedanken

Veranlassungen zu Todesgedanken bietet jeder Tag genug. Würden wir täglich nur Eine von den vielen benützen! Die Erde unter deinen Füßen kann dich an das Wort erinnern: "Du bist Erde und sollst zu Erde werden." (1. Mose 3, 19). Die Hütte, in der du wohnest, kann dich daran erinnern, dass du bald deines "Leibes Hütte ablegen" (2. Petr. 1, 13) musst, und dich mahnen, so zu wandeln, dass du einmal aufgenommen werdest "in die ewigen Hütten" (Luk. 16, 9). Dein Bett will ein Denkzettel sein an das "Bettlein in der Erd." Und wenn du des Morgens vom Schlafe erwachst, dann könntest du an den großen Tag denken, wo der Herr die Leiber derer, die in Ihm gestorben, aus dem Tode zum ewigen Leben auferweckt. Ziehst du deine Kleider an, so denke zuweilen daran, dass "das Verwesliche muss anziehen das Unverwesliche" (1. Kor. 15, 53). Gehst du zu Tische, so magst du an das Wort denken: "Selig ist, der das Brot isset im Reich Gottes" (Luk. 14,1 5). Bist du in der Einsamkeit, so erwäge: "Es ist nur Ein Schritt zwischen mir und dem Tode" (1. Sam. 20, 3). Gehst du in die Gesellschaft, so kannst du mit deinen Gedanken hineingehen in die "Gemeinde der Erstgebornen, die im Himmel angeschrieben sind" (Hebr. 12, 23). Hörst du die Totenglocken rufen, dann stehe einen Augenblick still und bete: "Wer weiß, wie nahe mir mein Ende?" Trittst du auf den Gottesacker, dann lege dich in Gedanken zu den Verstorbenen ins Grab und töt' und begrab all jenes Dichten und Trachten, was in der Todesnot die Probe nicht hält. Gehst du durch Fluren und Wiesen, so magst du dich an das Wort erinnern: "Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blühet wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber gehet, ist sie nimmer da und ihre Stätte kennet sie nicht mehr" (Ps. 103, 15 u. 16). Gehst du auf Reisen, so denke an das Wort: "Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir" (Hebr. 13, 14). Durch des Tages Last und Hitze lass dich an das Wort erinnern: "Es ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes." "So lasst uns nun Fleiß tun, einzukommen zu dieser Ruhe" (Heb. 4, 9. 11). Bei dem Geld, das dir unter die Hand kommt, magst du denken: "Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?" (Matth. 16, 26). Legst du am Abend dein irdisches Geschäft beiseite, dann erinnere dich an das Wort: "Tue Rechnung von deinem Haushalten!" (Luk. 16, 2), und bedenke, dass der Abend deines Lebens schon gar nahe sein könne, und bete dann aus des Herzens Grunde:

"Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden!" (Luk. 24, 29)


(Pfarrer Heinrich Guth, 1829-1889)