Mittwoch, 30. September 2015

Ihr werdet lachen



"Selig seid ihr, die ihr hier weinet; denn ihr werdet lachen." (Luk. 6, 21)


Es ist nur ein einziges Stück, worüber sich ein Mensch zu betrüben hat, nämlich die Sünde. Über was man sich sonst betrübt, ist nicht der Mühe wert. In natürlichen Fällen kann es noch sein, dass man Tränen vergießt; aber Tränen, die das himmlische Liebesfeuer hervorbringt, sind bei uns selten; da doch Jesus Christus selbst mehr als einmal geweint und seine Apostel ihm mit viel Tränen gedient haben.

Es seien heilige oder natürliche oder doch geheiligte Tränen: die Tränen der Seinigen wird Gott von ihren Augen wischen. Wie sanft wird da die Hand Gottes tun. Führen die Tränen so viel Süßigkeit mit, was wird das Abwischen der Tränen sein!


(Johann Albrecht Bengel, 1687-1752)

Dienstag, 29. September 2015

Erzählung von Margarete Müller



Irgendwo blüht eine Wiese, eine wundervoll grüne Wiese im Goldsonnenschein. Ein schmales Weglein führt durch die Wiese. Daran blühen Glockenblümchen. In Trüpplein stehen sie zusammen wie wartende Kinder, und ihre blauen Glöckchen schwingen leise im Sommersonnenwind. In der Wiese jubelt der rote Klee und die weißen Margeriten sind sonnenoffen. Goldsternchen leuchten. Dazwischen stehen die stillen, blassen Kerzen des Wegerichs. Wie ein Fest ist die Wiese, wie ein großes stilles Freuen in ihrer Sonneneinsamkeit. Kein Ton der lauten Zeit stört die Stille. Hinter Bergen verborgen und tiefen, dunklen Wäldern träumt sie ihren stillen, sel'gen Sonnentraum. Ein Muttergotteskapellchen steht auf der Wiese, so klein, dass es nur eben das Bild der Gebenedeiten fasst. Die Türe zum Kapellchen ist allzeit offen. Da sitzt sie, die Holdselige, in ihrem blauen Gewande und hat ihr Kindlein an der Brust, und die blonden Haare legen sich wie ein schwerer goldner Mantel ihr um die Schultern. Ein kleiner, blauer Sternenhimmel ist über ihr. Aber zu ihren Füßen schmiegt sich die Wiese mit den Goldsternchen, wie ein Teppich, grün und goldbestickt. Ein Wandervogel kommt des Wegs daher. Sein Herz ist freudenoffen. Die Laute hängt ihm am grünen Bande über den Rücken. Wie er das Muttergotteskapellchen sieht und darin das Bild der lieben Frau, schreitet er leise über den goldbestickten, grünen Teppich und setzt sich auf die steinerne Stufe zu ihren Füßen. Seine schlanken Knabenfinger greifen in die Saiten. Weich und träumerisch klingt ein altes Marienlied über die Wiese, dass die Blumen lauschen. Von einer tiefen Not singt das Lied.

"Meerstern, ich dich grüße. O Maria hilf! Maria, hilf uns allen in unsrer tiefen Not! Gib ein reines Leben, sich're Reis' daneben. O Maria hilf! Maria, hilf uns allen in unsrer tiefen Not!"

Schwermütig weich, von einer tiefen, wehen Sehnsucht getragen und doch voll wundersamer Süße, ist das Lied. Was weiß der Knab' von tiefer Not?
Ein Weggesell kommt das Wiesenweglein, bestaubt und wandermüd. Er steht still und lauscht und faltet leise seine Hände.

"Woher hast du das Lied, Knabe?" fragt er, als die Töne verklungen sind, nach einem kleinen Weilchen der Andacht.
"Es kommt im Zupfgeigenhansl und ist ein altes Wallfahrerlied. Wollen Sie es lernen? Es ist wunderschön und passt so herrlich in die grüne Wiese und vor das süße Muttergottesbild."

"Lehr es mich, Knabe, es tut wohl und streichelt eine wunde Seele wie mit Mutterhänden."

Weiter ziehen die beiden Wandrer nebeneinander. Vom Waldsaum herüber klingen noch ein paar Töne und verwehen über der Wiese:

"Maria, hilf uns allen in unsrer tiefen Not!"



(Margarete Müller, veröffentlicht 1922)

Montag, 28. September 2015

Geistlicher Liedtext, unbek. Verfasser, um 1692



Ach, was ist doch unsre Zeit?
Flüchtigkeit,
Nebel, Rauch und Wind und Schatten.
Menschen können nicht bestehn.
Sie vergehn
wie die Blumen auf den Matten.
Unser Leben fleucht behende.
Mensch, bedenke doch das Ende!

Menschen sind zerbrechlich' Glas,
nichtig Gras,
Blumen, die nicht lange stehen.
Ach, wie bald wird ihre Kraft
hingerafft,
wenn die Todeslüfte wehen!
Unser Leben fleucht behende.
Mensch, bedenke doch das Ende!

Jugend, die den Rosen gleicht,
die verbleicht.
Ihre Schöne muss verschwinden.
Es vergeht durch Todesnacht
alle Pracht,
die wir an den Menschen finden.
Unser Leben fleucht behende.
Mensch, bedenke doch das Ende!

Menschen sind der Zeiten Spiel
und ein Ziel,
drauf die Todespfeile fliegen.
Die wie schlanke Zedern stehn,
groß und schön,
müssen durch den Tod erliegen.
Unser Leben fleucht behende.
Mensch, bedenke doch das Ende!

Ach, der Tod ist dir gewiss,
drum vergiss
alles Eitle dieser Erden.
Lenke dich zur Ewigkeit
jederzeit,
willst du dort unsterblich werden.
Unser Leben fleucht behende.
Mensch, bedenke doch das Ende!

Schwinge dein Gemüt und Herz
himmelwärts,
wo nicht Tod, nicht Not, nicht Leiden.
Denk an das, was ewig ist,
lieber Christ,
soll dich einst der Himmel weiden.
Unser Leben fleucht behende.
Mensch, bedenke doch das Ende!



(Unbek. Verfasser, um 1692)

Mozart


Sonntag, 27. September 2015

Der verwandelte Tod



Was ist mit dem Tode?
Ist er der unerbittlich grausame Sohn der Sünde, der als Würgengel durch die Welt schreitet, um die beleidigte Majestät des Herrn zu rächen?
Oder ist er ein Gottesengel, ein Bote des Friedens, der es gut meint mit uns in all seiner Strenge?

Die Heilige Schrift bezeugt es: "Durch die Sünde ist der Tod in die Welt gekommen." Von der Sünde nimmt er auch seine tiefsten Schrecken: "Des Todes Stachel ist die Sünde." Er ist ein Werkzeug der strafenden Gerechtigkeit. Ja, noch mehr, der Feind unserer Seele, der alles Leben hasst, liebt den Tod als die Frucht der Sünde und als eine Handhabe für seine feindseligen Pläne. Er sucht ihn in seinen Dienst zu ziehen: er soll der verwirrten Seele den Rückweg abschneiden und sie in den ewigen Tod stürzen.

Da kam einer, dessen Hände alles verwandelten, was sie berührten. Er verklärte und heiligte das Leben in seinem ganzen Umkreise. Er adelte die Arbeit, indem er selber mit seinen göttlichen Händen mühsam schaffte; er heiligte die Freude und verwandelte das nüchterne Wasser in fröhlichen Hochzeitswein; er weihte das Leiden durch sein Kreuz, das wie das Holz des Moses die bittere Quelle Mara in süßen Segensborn umwandelte; und zuletzt ergriff er auch den Tod mit der Macht seiner Liebe und gab ihm eine hehre Weihe. Der Tod, der sonst vor niemand scheute, wagte es nicht, an diesen Hohen seine Hand zu legen. Er stand und harrte, ob die milde Stimme ihn etwa rufen werde. Und das geschah: der Herr wollte sterben. Auf sein Geheiß nahte sich der Tod mit zitternden Schritten und streckte zagend seine Hand aus. Der Herr aber umfasste ihn in freiem Entschlusse mit beiden Armen und küsste ihn mit dem Kusse des Friedens. Da wurde der Tod verwandelt, aus dem Würger wurde ein Gottesengel.

Wohl behielt er das Amt der Strafe auch fürderhin, aber seine Schrecken wurden gemildert durch den schimmernden Stern der Hoffnung, den der Herr auf das dunkle Stirnband setzte. Zugleich wurde ihm von der Segenskraft verliehen, die vom Kreuze fließt. Die Strafe sollte auch Buße sein, sühnende, läuternde, vollendende Kraft. So geht nun der Tod verwandelt von Golgatha hinweg, ein dunkler Engel, aber doch ein Engel, mit ernsten Augen und strengen Händen, aber mit einem treuen Herzen, das auf unser Heil bedacht ist. In seinem Becher ist Bitterkeit, die Bitterkeit ist Medizin. So weit das Kreuz reicht, so weit ist auch der Tod dem Einflüsse des bösen Feindes entzogen, und das Kreuz reicht über die ganze Welt, wenn nur die Seele selber sich dem Kreuze nicht entziehen will.

Der Tod hat eine Weihe empfangen von dem sterbenden Erlöser und kann selber Weihe erteilen. Wenn die scheidende Seele mit dem Erlöser verbunden ist in Glauben und Liebe, so gewinnt ihr Tod Kraft und Segen aus seinem Tode. Nun ist auch das Leiden und Sterben des unbewussten Kindes nicht ohne Zeck. Wie die unschuldigen Knäblein von Bethlehem dem Herrn im Sterben unbewusst dienten und dafür die Palme des Martyriums erlangten, so trägt das sterbende Kind nach seiner Kraft mit am Kreuze des Herrn. Wie sollte es nicht auch vom Kreuze Segen empfangen!


(Augustin Wibbelt, 1862-1947)

Hadyn "Es ist vollbracht"


Zitat von Bertha Josephson-Mercator (1861-1906)




"Wir begleiteten unsere alte treue Nachbarin zur letzten Ruhe. Gut, dass ich nichts davon merke, wenn man mich mal so bereden wird - es würde mich sehr genieren. Am liebsten verböte ich es. Aber ich will keinem das Herz eindämmen. Mir kann 's ja gleich sein. Nur trösten möcht' ich meinen Mann und meine lieben Kinder! Möcht' ihnen zuflüstern können: Es wird nicht lang mehr währen, so kommt auch ihr nach Haus! - Und: Die Liebe bleibt!"


(Bertha Josephson-Mercator, 1861-1906)

Freitag, 25. September 2015

Der Segen von Todesgedanken



Der stete Gedanke an Tod und Ewigkeit ist das Gewicht, welches das Uhrwerk unseres Lebens in guten Gang bringt und darin erhält; er bringt heilige Gedanken ins Herz, heilige Reden in den Mund, heilige Werke in die Hände, heilige Wege unter die Füße.

Er treibt die eitlen, hochfahrenden, fleischlichen, weltlichen Gedanken aus. Er lehrt uns Wächter stellen vor die Lippen, unsre Worte abwägen auf der Waage des Heiligtums, dass wir nichts reden, womit wir Gott beleidigen, unser Gewissen verletzen und unserm Nächsten Ärgernis geben; er lehrt uns, lieblich reden, wie Naftali (1. Mose 49, 21): "was wahrhaftig, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich, was wohl lautet" (Phil. 4, 8).

Er lehrt uns das Irdische gering achten, die Herrlichkeit der Welt für ein glänzendes Nichts taxieren, und bewahrt uns vor dem Esau-Sinn, der um das elende Gericht irdischer Genüsse das himmlische Erstgeburtsrecht verkauft.

Wer ernstlich den Tod bedenkt, ruft sich, wenn Satan, Welt oder das eigene Fleisch zum Bösen locken, das Wort eines alten Kirchenvaters zu: "Wenn du jetzt sterben würdest, würdest du auch noch diese oder jene Sünde tun?" Der Gedanke an den Tod bewahrt auch vor dem  Erkalten der Liebe. O wie weh tut 's, an einem Sterbebett oder Grab sich sagen zu müssen: "Der da liegt, den hast du oft betrübt, gekränkt, beleidigt." Dächten wir recht an Tod und Grab, dann ginge es uns viel tiefer zu Herzen, wenn uns der Apostel der Liebe zuruft: "Kindlein, liebet euch untereinander!"

O lieb, so lang du lieben kannst!
O lieb, so lang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
wo du an Gräbern stehst und klagst.


(Pfarrer Heinrich Guth, 1829-1889)

Donnerstag, 24. September 2015

Geistlicher Liedtext nach L. Hennrich




Nun weiß ich, wo du bist

Nun weiß ich, wo du bist.
Es rief dich Jesus Christ
zur ew'gen Ruh' nach droben;
fällt mir 's auch schwer zu loben
und kommt es hart mir an,
was Gott hier hat getan,
schweigt doch mein Herze still
in meines Gottes Will',
schweigt doch mein Herze still
in meines Gottes Will'.

O Herze, sei nicht bang',
es währet nicht mehr lang';
dann wirst du wiedersehen,
den, der so früh musst' gehen.
Vorbei ist dann die Not,
der Schmerz, das Leid, der Tod.
Freude, so tief und rein,
wird dir beschieden sein.
Freude, so tief und rein,
wird dir beschieden sein.

Lebwohl nun, der du bist
im Heiland Jesus Christ
und seiner Gnad' geborgen.
Ich warte auf den Morgen,
an dem der Ruf wird laut:
Der Bräut'gam kommt zur Braut!
Dann gibt 's ein Wiedersehn,
und ewig wird 's besteh'n.
Dann gibt 's ein Wiedersehn,
und ewig wird 's besteh'n.


(nach Ludwig Hennrich, 1894-1949)

Gott trocknet alle Tränen


Mittwoch, 23. September 2015

Grabrede (1864)


Am Grabe eines nicht im besten Rufe Stehenden

"Zum wenigsten ihr, meine Freunde, erbarmet euch mein!" (Hiob 19, 21)

Andächtige im Herrn!

Der stets geschäftige Tod hat wiederum ein Opfer abgefordert und ist als Bote Gottes unter uns erschienen, den verlebten N. N. vor Gottes Richterstuhl zu rufen. Wir, Geliebte, sollen nicht richten, damit auch wir nicht gerichtet werden, wir sollen nicht urteilen, da den Menschen nichts leichter trügt als der Schein. Der Mensch ist nur das, was er vor Gott ist, nicht was er in den Augen der Menschen gilt. Deshalb soll sich niemand über den Lebenswandel eines Verstorbenen ein Urteil erlauben, wie es ja ein uraltes Sprichwort gibt, welches sagt, man solle von den Toten nichts als nur Gutes reden. Welchen Urteilsspruch der Mensch, wenn er tot ist, von Gott zu gewärtigen hat, wissen wir ja nicht, da wir ihm nicht in der Todesstunde ins Herz sehen konnten, ebenso wenig als in den Tagen, da er noch lebte. Was nun unseren Verewigten angeht, so ließ er mich am ....ten dieses Monats rufen und empfing alle den Sterbenden verordneten hl. Sakramente mit der größten Andacht. (Näheres, was lobwürdig sein könnte).

So starb er mit dem unbedingten Vertrauen auf Gott, den Allbarmherzigen. Doch bevor wir von dieser Stätte gehen, zeigen wir, dass, wenn wir Freunde der Verstorbenen sein wollen, wir ihnen ihre liebsten Wünsche nicht versagen dürfen. Nichts tut weher, als wenn ein Freund dem anderen etwas abschlägt. Deshalb klagt Hiob so ans Herz dringend: "Wenigstens ihr, meine Freunde, erbarmet euch mein!" Ein Gleiches rufen uns auch die armen Seelen im Reinigungsorte zu. Wir aber wollen diese Bitte unserer Freunde nicht überhören, und, uns über sie erbarmend, ihnen zu Hülfe kommen. Denn es ist

unsere Schuldigkeit, unseren hingegangenen Freunden zu Hülfe zu eilen, und ist die Ursache, warum wir solches schuldig sind, jedem einleuchtend.

Niemand steht auf der Welt so ganz verlassen, dass er nicht wenigstens einen Verwandten, einen Freund sein eigen nennt. Auch unser verlebter N. N. zählt dessen mehrere (locus amplif. Dessen Eltern Kinder, Kameraden etc.). An diesen ist es nun vor allen, für den Verstorbenen, falls er noch unserer Hülfe bedürftig wäre, zu beten und beizutragen, dass Gott ihm seine Fehler nachlasse und ihn befreie, wenn er noch von Gottes Anschauung sollte zurückgehalten werden. Von diesen rede ich indessen nicht, denn ich bin überzeugt, sie werden für den Verewigten alles tun.

Aber im allgemeinen findet man es oft, dass der Spruch sich bewahrheitet: Aus den Augen, aus dem Sinne. Und das ist unverantwortlich, dass ein Freund dem anderen nicht beispringt in der Not. Ein guter Freund ist in der Welt unser anderes Ich, unser Ratgeber, unser Wohltäter, unser Beschützer und Helfer, er ist dem anderen das, was die Sonne der Erde ist. Ohne Freund ist alles Wirken eine schwere Arbeit, alles Leben eine Qual. Das war für Hiob das Ärgste, dass er erfahren musste, wie selbst seine Freunde ihn in der Not sitzen ließen. Daher er sagt, wenigstens sie sollten als seine Freunde ihre Schuldigkeit tun.

Indessen hat nicht Hiob allein Ursache, zu klagen, auch viele Seelen im Reinigungsorte führen mit Recht diese alte Klage, wie sie von ihren Freunden im Stich gelassen würden. Sie bitten täglich, sie rufen stündlich: "Wenigstens ihr, meine Freunde, erbarmt euch mein!" Zahlet wenigstens ihr für uns, eure nächsten Freunde, zahlet wenigstens ihr, unsere Erben, Brüder, Schwestern, Schulkameraden etc. für uns, was wir noch schuldig sind. Dieser Ruf ertönt ununterbrochen aus jener Welt herüber und verhallt ungehört. Ein Bruder verlässt den anderen, eine Schwester vergisst die andere, Eheleute, die sich ewige Liebe und Treue zugeschworen, wie vergesslich erweisen sie sich zuweilen!

Als Cäsar ermordet wurde, beteiligten sich vielerlei Leute an dem blutigen Werke. Aber nichts schmerzte denselben mehr, als dass Brutus, sein Freund, sein Schütz- und Pflegling, gleichfalls den Dolch gegen ihn erhoben hatte, er, dem er unendlich viel Gutes getan hatte. Schon lag Cäsar in seinem Blute da, als er die brechenden Augen nochmals auf Brutus heftete und die letzte Kraft anwendend sprach: "Auch du mein Sohn Brutus!" Bist auch du unter den undankbaren, treulosen Freunden! Du hättest mir wenigstens beispringen sollen, der du mein Freund warest.

Diesem Cäsar gleicht so manche arme Seele im Fegfeuer; sie seufzet, ächzet und jammert, sie fleht und bittet um Hülfe, um Rettung, um Barmherzigkeit und Trost. Da geht ein undankbarer Sohn oder eine Tochter am Grabe des Vaters oder der Mutter vorbei und spricht nicht einmal das: Herr, gib ihm die ewige Ruhe u.s.f. Wie? Hörest du nicht die Stimme des Toten: Auch du, mein Sohn! Auch du, meine Tochter! Noch ist das Haus, noch das Vermögen, das ihr von mir geerbt habt, in euren Händen, und mein Gedächtnis aus eurem Herzen! Wahrlich, es trifft zu, was der Dichter sagt:

"Viele Befreundete sind 's, die du zählest, so lange du glücklich;
einsam stehst du indes, trübet der Himmel sich zu."

So lange das Glück anhält, magst du überflüssig Freunde haben; wenn sich dagegen der Himmel deines Glückes bewölkt, alsdann wirst du bald allein stehen. Kein Satz ist wahrer als dieser. Klagt ja schon David: "Meine Freunde und Nächsten haben sich gegen mich aufgelehnt und stellten sich; und entfernt halten sich, die mir zunächst waren" (Ps. 37, 12). Unter diesen Verwandten und Nächsten war aber, wie wir wissen, Absolom, Davids eigener Sohn, der boshafter und hinterlistiger Weise den Achitophel, Davids vorzüglichsten Ratgeber, nebst den edelsten Verwandten, Schwägern, Hausgenossen, Kriegsobersten und Bürgern auf seine Seite gezogen hatte. Dass diese ihm abwendig werden könnten, hätte David wohl nie vermutet: deshalb konnte er auch mit vollem Rechte rufen: Auch du, mein Sohn Absolom! -----

Geliebte im Herrn! Wenn in euch ein guter Blutstopfen echter Freundschaft ist, lasset nie und nimmermehr zu, dass eure Freunde aus der anderen Welt euch zurufen, ohne dass ihr sie erhöret! Ach, es ist hart, wenn eine arme Seele gewahren muss, wie ihre nächsten Freunde über dem Schwelgen und Prassen, über dem Spielen und Tanzen ihrer vergessen. Lasset euch dieses, Geliebte, nicht nachsagen, sondern zeiget gegen eure Toten, dass ihr erkenntlich seid, befehlet ihre Seelen täglich Gott in euren Gebeten an. Er ist der Herr, der sich ihrer erbarmen kann und will, sofern er nur demütig von uns um Barmherzigkeit und Gnade angefleht wird.

Nicht richten sollen wir die Toten, sondern beten, beten um so inniger, je mehr etliche Vorlaute Grund zum Richten und Verdammen zu haben glauben; beten um so anhaltender, je weniger Freunde ein Verblichener auf Erden hat. Nicht strafen, sondern verzeihen soll unser Mund, damit auch Gott verzeihe; denn er will gerne vergeben, deshalb hat er uns das herrliche Gebet gelehrt, in welchem wir ihn Vater nennen dürfen, auf dass wir als Kinder mit vollster Zuversicht uns ihm nahen im Gebete. Tun wir dieses auch jetzt und sprechen wir insgesamt für alle verlassenen Seelen, vorzüglich aber für die Seelenruhe des soeben Bestatteten, das übliche Gebet des Herrn aus ganzer Seele: Vater unser ..... Ave Maria .... Amen.


(P. Matthias Heimbach, 1864)

Dienstag, 22. September 2015

Ein kurzer Schritt



Ein kurzer Schritt

Der Tod klopft nicht immer an, bevor er eintritt. Er kommt nicht immer langsamen Schrittes hinter seinen Boten her, den Krankheiten und Leiden mancherlei Art. Er kann auch schnell, furchtbar schnell sein. Da fährt er hernieder wie ein Blitz aus blauem Himmel, mitten in das ahnungslose Leben, in die rauschende Luft hinein. Man staunt oft, dass das feine Kunstwerk des menschlichen Körpers soviel aushalten kann; mitunter macht man die erschreckende Wahrnehmung, dass unter Umständen die geringfügigste Kleinigkeit genügt, um das Leben urplötzlich mit einem Schlage stillstehen zu lassen. Vielleicht ist nur ein Äderchen gesprungen - der Mensch sinkt um, wie niedergeschlagen. Unversehens wird er hinweggerafft. Er glaubte noch fern zu sein von der dunklen Pforte, die ins Jenseits führt, da schlägt sie schon hinter ihm zu. Sein Sterben war ein kurzer Schritt.

Der plötzliche Tod hat etwas Erschütterndes. Wenn einer mit eigenen Augen sieht, wie ein Mensch, der kräftig seinen Weg dahinschreitet, auf einmal zusammenstürzt, als hätte der Tod eine heimlich lauernde Fallgrube vor seine Füße gelegt, dann entsetzt sich seine Seele, und es ist ihm zumute, als wanke der Boden unter ihm. Ein Gefühl ängstlicher Unsicherheit kommt über ihn, alles scheint verwandelt, die Dinge, die ihn eben traulich umgeben, zeigen plötzlich ein feindseliges Gesicht, und mitten im Sonnenschein fühlt er einen kalten Hauch. Wer den jähen Tod einmal an seiner Seite gesehen hat, wird den Eindruck nicht leicht wieder los. Er wird kaum einstimmen in das Urteil, das diesen Tod als ein beneidenswertes Los bezeichnet, bloß weil er schnell und schmerzlos ist.

Dass in diesem Umstand ein Vorzug liegt, lässt sich nicht leugnen, und so ist es zu begreifen, dass die Welt, die auf das Äußere sieht, den jähen Tod für wünschenswert hält. Der Christ aber betet in der großen Litanei: "Vor einem jähen, unversehenen Tode bewahre uns, o Herr!" Da stehen die weltliche und die christliche Auffassung schnurstracks gegeneinander.

Wenn der Tod eine Sache für sich wäre, losgelöst von allen Beziehungen, das Ende, worauf das große Vergessen folgt, der Sprung ins Nichts: dann hätte die Welt recht. Dann könnte man höchstens mit Rücksicht auf die Überlebenden den plötzlichen Tod für ein Unglück halten; für den Sterbenden wäre er zweifellos ein Glück, da ihm alles Schwere erspart bliebe. Aber es steht anders mit dem Tode; er ist nicht das Ende, sondern ein Glied in einer Kette, und zwar das wichtige Verbindungsglied zwischen dem Leben und der Ewigkeit. Nicht das ist die große, schwere Frage, ob der Sterbende vorher alles geordnet hat für diese Welt; das ist eine Frage von nebensächlicher Bedeutung, denn das Leben wird sich schon zurechtfinden. Aber war auch alles geordnet für jene Welt, in die der Sterbende hinübertritt, oder war er nicht bereit zur Rechenschaft?

Wir wollen uns immer bereit halten, dann kann auch ein jäher Tod uns nichts anhaben. Doch wer möchte nicht gern vor seinem Hintritte sich sammeln und nochmals einen prüfenden Blick auf das ganze Leben werfen? Wer möchte nicht gern ein Feiertagskleid für seine Seele rüsten, wenn sie zu Gott gehen soll? Hat der Herr es anders bestimmt, sollen wir im Werktagskleide vor ihm erscheinen, mitten aus den Geschäften und Sorgen des Lebens heraus, Staub auf den Schuhen, das Haar verweht vom Winde: Er ist der Herr, sein Wille soll geschehen! Es kommt auch beim jähen Tode viel auf die Umstände an. Es sind Priester am Altare gestorben; da war der Tod wie eine Antwort auf den sehnsuchtsvollen Spruch des Staffelgebetes: "Ich will eingehen zum Altare Gottes, zu Gott, der meine Jugend erfreut!" Es sind Personen auf dem Tanzboden gestorben, und wer möchte dort wohl dem Tode begegnen?

Bleiben wir bei unserer Bitte aus der großen Litanei: "Vor einem jähen, unversehenen Tode bewahre uns, o Herr!"


(Augustin Wibbelt 1862-1947)

Montag, 21. September 2015

Geistlicher Liedtext von J. Albinus



Alle Menschen müssen sterben.
Alles Fleisch vergeht wie Heu.
Was da lebet, muss verderben,
soll es anders werden neu.
Dieser Leib muss erst verwesen,
wenn er ewig soll genesen
zu der großen Herrlichkeit,
die den Frommen ist bereit.

Drum so will ich dieses Leben,
wenn es meinem Gott beliebt,
auch ganz willig von mir geben,
bin darüber nicht betrübt;
denn in meines Jesu Wunden
hab' ich schon Erlösung funden.
Und mein Trost in Todesnot
ist des Herren Jesu Tod.

Jesus ist für mich gestorben.
Und sein Tod ist mir Gewinn.
Er hat mir das Heil erworben,
drum fahr' ich mit Freuden hin,
hin aus diesem Weltgetümmel
in den schönen Gotteshimmel,
da ich werde allezeit
schauen Gottes Herrlichkeit.

Da wird sein das Freudenleben,
wo viel tausend Seelen schon
sind mit Himmelsglanz umgeben,
dienen Gott vor seinem Thron,
wo die Seraphinen prangen
und das hohe Lied anfangen:
Heilig, heilig, heilig heißt
Gott der Vater, Sohn und Geist.

Wo die Patriarchen wohnen,
die Propheten allzumal,
wo auf ihren Ehrenthronen
sitzet der Apostel Zahl,
wo in so viel tausend Jahren
alle Frommen hingefahren,
wo dem Herrn, der uns versöhnt,
ewig Halleluja tönt.

O Jerusalem, du schöne!
Ach, wie helle glänzest du!
Ach, wie lieblich Lobgetöne
hört man da in sanfter Ruh'!
O der großen Freud' und Wonne!
Endlich gehet auf die Sonne,
endlich gehet an der Tag,
der kein Ende nehmen mag.

Ach, ich habe schon erblicket
alle diese Herrlichkeit;
bald, gar bald werd' ich geschmücket
mit dem weißen Himmelskleid,
mit der güldnen Ehrenkrone,
stehe da vor Gottes Throne,
schaue solche Freude an,
die kein Ende nehmen kann.


(Johann Georg Albinus, 1624-1679)

Sonntag, 20. September 2015

Lied von Paul Gerhardt (1607-1676)


Gebet von Ch. Scriver (1629-1693)




Herr Jesu Christe, du Tröster aller Traurigen, du Helfer aller Elenden und Betrübten: wir sagen dir Lob und Dank, dass du ein solch erbarmungswürdiges und mitleidiges Herz gegen uns arme Menschenkinder hast, unsere Tränen trocknest, unsere traurigen Herzen tröstest und in aller Not uns aushilfst nach deiner göttlichen Macht und Gnade. Ach hilf doch, dass wir alle Tage deiner Liebe und Gnade gedenken, damit wir nie verzagen, sondern dich anrufen und auf dich hoffen.

Amen.



(Christian Scriver, 1629-1693)

Freitag, 18. September 2015

Sterbegebet des Dr. Martin Luther am 15.2.1546




Das nachfolgende Gebet war das letzte Sterbegebet des Dr. Martin Luther, welches er kurz vor seinem seligen Ende mit lauter Stimme vor vielen Zeugen gesprochen hat (18. Februar 1546):


O mein himmlischer Vater, Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi, du Gott alles Trostes, ich danke dir, dass du mir deinen lieben Sohn Jesum Christum geoffenbart hast, an den ich glaube, den ich gepredigt und bekannt habe, den ich geliebet und gelobet habe, welchen der leidige Papst und alle Gottlosen schänden, verfolgen und lästern. Ich bitte dich, mein Herr Jesu Christe, lass dir mein Seelchen befohlen sein. O himmlischer Vater, ob ich schon diesen Leib lassen und aus diesem Leben hinweggerissen werden muss, so weiß ich doch gewiss, dass ich bei dir ewig bleibe und aus deinen Händen mich niemand reißen kann. Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöset, Herr, du treuer Gott!

Amen.


(Dr. Martin Luther am 18. Februar 1546, kurz vor seinem Tode)

Vers von Pastor Haccius; 1773-1817





             Auf Ihn will ich vertrauen
            in meiner schweren Zeit.
           Es kann mir gar nicht grauen,
          ER wendet alles Leid ...


          "Seid standhaft, und ihr werdet euer Leben gewinnen." (Lukas 21, 19)


(Pastor Georgi Ludowig Haccius, 1773-1817)


Donnerstag, 17. September 2015

Bleibe bei uns



Veranlassungen zu fleißigen Todesgedanken

Veranlassungen zu Todesgedanken bietet jeder Tag genug. Würden wir täglich nur Eine von den vielen benützen! Die Erde unter deinen Füßen kann dich an das Wort erinnern: "Du bist Erde und sollst zu Erde werden." (1. Mose 3, 19). Die Hütte, in der du wohnest, kann dich daran erinnern, dass du bald deines "Leibes Hütte ablegen" (2. Petr. 1, 13) musst, und dich mahnen, so zu wandeln, dass du einmal aufgenommen werdest "in die ewigen Hütten" (Luk. 16, 9). Dein Bett will ein Denkzettel sein an das "Bettlein in der Erd." Und wenn du des Morgens vom Schlafe erwachst, dann könntest du an den großen Tag denken, wo der Herr die Leiber derer, die in Ihm gestorben, aus dem Tode zum ewigen Leben auferweckt. Ziehst du deine Kleider an, so denke zuweilen daran, dass "das Verwesliche muss anziehen das Unverwesliche" (1. Kor. 15, 53). Gehst du zu Tische, so magst du an das Wort denken: "Selig ist, der das Brot isset im Reich Gottes" (Luk. 14,1 5). Bist du in der Einsamkeit, so erwäge: "Es ist nur Ein Schritt zwischen mir und dem Tode" (1. Sam. 20, 3). Gehst du in die Gesellschaft, so kannst du mit deinen Gedanken hineingehen in die "Gemeinde der Erstgebornen, die im Himmel angeschrieben sind" (Hebr. 12, 23). Hörst du die Totenglocken rufen, dann stehe einen Augenblick still und bete: "Wer weiß, wie nahe mir mein Ende?" Trittst du auf den Gottesacker, dann lege dich in Gedanken zu den Verstorbenen ins Grab und töt' und begrab all jenes Dichten und Trachten, was in der Todesnot die Probe nicht hält. Gehst du durch Fluren und Wiesen, so magst du dich an das Wort erinnern: "Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blühet wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber gehet, ist sie nimmer da und ihre Stätte kennet sie nicht mehr" (Ps. 103, 15 u. 16). Gehst du auf Reisen, so denke an das Wort: "Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir" (Hebr. 13, 14). Durch des Tages Last und Hitze lass dich an das Wort erinnern: "Es ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes." "So lasst uns nun Fleiß tun, einzukommen zu dieser Ruhe" (Heb. 4, 9. 11). Bei dem Geld, das dir unter die Hand kommt, magst du denken: "Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?" (Matth. 16, 26). Legst du am Abend dein irdisches Geschäft beiseite, dann erinnere dich an das Wort: "Tue Rechnung von deinem Haushalten!" (Luk. 16, 2), und bedenke, dass der Abend deines Lebens schon gar nahe sein könne, und bete dann aus des Herzens Grunde:

"Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden!" (Luk. 24, 29)


(Pfarrer Heinrich Guth, 1829-1889)


Mittwoch, 16. September 2015

Geistlicher LIedtext von G. Neumark (1621-1681)



Wer nur den lieben Gott lässt walten
und hoffet auf ihn allezeit,
den wird er wunderbar erhalten
in aller Not und Traurigkeit.
Gott ist ein Fels! Wer ihm vertraut,
hat nicht auf leichten Sand gebaut.

Was helfen uns die schweren Sorgen?
Was hilft uns unser Weh und Ach?
Was hilft es, dass wir alle Morgen
beseufzen unser Ungemach?
Auch ein sonst leicht ertragnes Leid
wird doppelt schwer durch Traurigkeit.

Erwartet mit Geduld und Stille
das Ende seines Wegs und wisst,
dass er allwissend, dass sein Wille
so weis' als gut und gnädig ist.
Er hat zu Kindern uns erwählt
und sieht als Vater, was uns fehlt.

Zu Freud' und Schmerz wählt Gott die Stunden,
weiß wohl, wann beides nützlich sei,
und hat er uns bewährt erfunden,
geduldig, ohne Heuchelei,
o dann - und scheint er gleich noch weit -
ist er schon da, hilft und erfreut.

Denk' nicht in deiner Drangsalhitze,
dass du von Gott vergessen seist,
und dass er den nur lieb' und schütze,
den alle Welt hier glücklich preist;
die Folgezeit verändert viel,
und setzet jeglichem sein Ziel.

Dem Gott der Niedern und der Großen
ist 's leicht, Verlassnen beizustehn,
die Hohen in den Staub zu stoßen
und die Geringen zu erhöhn.
Ein Wort von ihm, so wird sogleich
der reich war, arm, der Arme reich.

Sing, bet' und geh auf Gottes Wegen.
Erfülle deine Pflicht getreu
und trau' des Himmels reichem Segen,
so wird er bei dir werden neu;
denn wer nur seine Zuversicht
auf Gott setzt, den verlässt er nicht.



(Georg Neumark, 1621-1681)

Dienstag, 15. September 2015

ironisches Gedicht von J. Trojan (1837-1915)



Die vergessliche Witwe

Es starb ein Mann, vom blassen Tod
gefällt mit grimmen Streiche,
die Witwe fuhr in Herzensnot
nach Gotha mit der Leiche,
wo diese auf bekannte Art
dem Feuer übergeben ward.

So wie die Inderin es tut,
von ihrem Schmerz bezwungen,
wär' gern die Gattin in die Glut
dem Gatten nachgesprungen,
sie wollt' es tun, da hielt zum Glück
man noch rechtzeitig sie zurück.

Nachdem der Leib nun ward verbrannt
dort nach des Mannes Willen,
da ließ, was sich an Asche fand,
in einen Krug sie füllen.
Der sollt', um oft ihn anzusehn,
daheim auf ihrem Schreibtisch stehn.

Drauf mit dem Krug ging sie zur Bahn,
nach Haus ihn mitzunehmen;
Erbarmen fühlten, die sie sahn
in ihrem Leid und Grämen.
Das Herz brach ihr beinah vor Weh,
der Krug kam mit ihr ins Coupé.

Sie sah ihn immer wieder an
und konnte sich nicht fassen.
"Ach, warum hast du, teurer Mann",
so rief sie, "mich verlassen?"
Die Tränen rannen wie ein Bach,
so weinte sie dem Toten nach.

Am Anfang war sei ganz allein
mit ihrem bittren Leide,
dann stieg ein Fahrgast zu ihr ein
zum großen Glück für beide.
Ein angenehmer junger Mann,
der fing mit ihr zu sprechen an.

Sie sprachen eifrig hin und her
von viel verschiednen Dingen;
die Witwe weinte bald nicht mehr,
sie wusst' sich zu bezwingen.
Zuletzt ging über ihr Gesicht
ein Lächeln hin wie Sonnenlicht.

Sie stiegen aus in einer Stadt,
der Mann und sie, indessen
die tiefberührte Witwe hat
etwas im Zug vergessen.
Fort war sie, und der Aschenkrug
allein fuhr weiter in dem Zug.

So rasch zwang sie Gott Amors Macht
den neuen Freund zu lieben,
dass sie erst spät des Krugs gedacht,
der im Coupé geblieben.
"Nein", rief sie unter Lachen, "nein,
wie kann man so vergesslich sein."



(Johannes Trojan, 1837-1915)

Montag, 14. September 2015

Gedenke des Todes täglich



"Der Heide Plinius (gest. 79 n. Chr.) ließ keine Stunde vorübergehen, ohne etwas Nützliches zu lesen oder zu schreiben. Der römische Kaiser Titus (gest. 81 n. Chr.) sagte, wenn er an einem Tage nichts Gutes getan: "Freunde, ich habe den Tag verloren." Lass du keinen Tag für die Ewigkeit verloren gehen, beute jeden Tag für das Ende aus, warte zu allen Stunden deines Todes!

Wir arme Menschenkinder geben uns so leicht dem Wahne hin, von uns sei der Tod doch noch fern. Selbst der schon Hochbetagte hofft, zum wenigsten noch ein Jahr zu leben. Kein Wunder, wenn so Viele unversehens vom Tode überfallen werden! Verlass dich nicht auf deine Jugend oder auf deine blühende Kraft; auch die Jugend oder starke Kraft ist keinen Augenblick vor dem Tode sicher. Es kann vor Abend leicht anders werden, als es am frühen Morgen war.

Der Kirchenvater Augustin (gest. 430) sagt von unserm Sterbetag: "Den Einen Tag hat uns Gott verborgen, damit wir Acht haben auf alle Tage." Willst du weise sein, so halt dich immer und überall auf deinen Tod bereit. Lass dich nicht vom Tode überfallen, sondern erwarte und empfange ihn wie David den Goliath, mit frischem Mut und guter Wehr. Sei wie ein kluger Soldat, der immer auf seiner Hut ist!

In Straßburg war eine Stadtuhr mit der Umschrift: "Ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt."  (Nescitis qua hora veniat herus.). Desgleichen eine auf dem Rathaus zu Minden mit der Umschrift zwischen den Stundenziffern: "Alle verwunden, die letzte tötet." (Omnes vulnerant, ultima caedit).

Bedenke das wenigstens zuweilen, wenn du die Uhr schlagen hörst."


(Pfarrer Heinrich Guth, 1829-1889)

Samstag, 12. September 2015

Mit weicher Kinderhand



Mit weicher Kinderhand

An stillen, warmen Nachmittagen sitzt Großvater an der Sonnenseite des Hauses im kleinen Gärtchen. Man trägt ihm seinen Lehnstuhl heraus; das ist jetzt sein guter Freund, der ihn mit seinen Armen fest und zuverlässig umfasst. Jedesmal, wenn Großvater leisen Schrittes und vorsichtig tastend heranschlürft, sagt der alte Stuhl: "Komm, ruh dich aus, du hast genug gearbeitet! Lege dich bequem zurück und lehne dein Haupt an mein Nackenpolster - so, nun ruhe aus und träume ein wenig von verklungenen Zeiten!"

Ach, es träumt sich so gut in dem alten Lehnstuhle, wenn die Sonne die müden Glieder wärmt. Mitunter singt ein Vöglein in den Traum hinein, mitunter klingt ein Gruß von der Straße herüber, mitunter streicht die Katze mit leisem Schnurren am Knie vorbei, mitunter rührt der Hund mit kühler Schnauze die welke Hand - lauter Grüße der Liebe! Den schönsten Gruß aber bietet die kleine Enkelin, das flachshaarige Ding mit dem Gesichtchen wie Apfelblüte und der Stimme wie Silberglöcklein. Sie wühlt so gern zu Großvaters Füßen im Sande und baut Zwergengärtlein. Dazu schwätzt sie kluges Zeug, das wie drollige Narrheit klingt. Sie läuft auch wohl fort, und dann geschieht es nicht selten, dass der Alte ein wenig einnickt - ganz leicht, er hört immer noch die Bienen summen im Lindenbaum.

Am Abend, wenn die Schatten lang werden, ist das kleine Ding immer rechtzeitig zur Hand. "Großvater, komm, ich führe dich hinein!" Dann fasst sie ihn mit ihrer weichen Kinderhand, denn Großvater sieht nicht mehr gut, und trippelt neben ihm, sorgsam auf alles achtend. "Großvater, da liegt ein Stein - Großvater, nun kommt die Stufe -." Es ist ein wunderliebliches Bild.

Heute sitzt der Greis allein. Die Sonne streichelt ihn mit warmer Hand, und die Linde wirft ihm gelbe, duftende Blüten auf den Schoß; das Sommerleben webt um ihn her in weicher Fülle. Großvater denkt zuweilen an den Tod, und dann pflegt er zu sagen: "Wenn ich erst über den Berg hinüber wäre!" Das Wort hat er von seinem Vater selig gehört, und es klingt in ihm nach. Den Tod fürchtet er nicht, denn er ist gerüstet, aber das Wort von dem Berge, der überstiegen werden muss, macht ihm ein wenig bange. Er ist so müde ..... so müde.

Heute denkt Großvater an nichts dergleichen; alte, liebe Erinnerungen stehen um ihn herum und schauen ihn an mit treuen Blicken, und sein Herz ist so leicht, als wären ihm Flügel gewachsen. Nur die Augen wollen gar nicht mehr. Fängt es denn schon an zu dunkeln? Wo bleibt denn die Kleine, die ihn heimführt?

Da tritt ein andrer an ihn heran, leise, von rückwärts - und neigt sich wie zärtlich über ihn -

"Großvater, komm, ich führe dich heim!"

Der Alte streckt die zitternde Hand aus, und mit weicher Kinderhand ergreift sie der Tod ----

Die Sonne legt einen lichten Schein um das weiße Haar. Großvater ist hinüber über den großen Berg, den er in seiner Müdigkeit gefürchtet hat. O wie war der Weg so leicht!


(Augustin Wibbelt)

Freitag, 11. September 2015

Geistlicher Liedtext von K. Spitta (1801-1859)




Stimm an das Lied vom Sterben, den ernsten Abschiedssang!
Vielleicht läuft heut zu Ende dein ird'scher Lebensgang,
Und eh die Sonne sinket, beschließt du deinen Lauf,
und wenn die Sonne steiget, stehst du mit ihr nicht auf.

Es gibt nichts Ungewissers, als Leben, Freud' und Not,
allein auch nichts Gewissers, als Scheiden, Sterben, Tod.
Wir scheiden von dem Leben bei jedem Lebensschritt;
uns stirbt die Freud' im Herzen, und unser Herz stirbt mit.

An unserm Pilgerstabe ziehn wir dahin zum Grab,
und selbst des Königs Scepter ist nur ein Pilgerstab.
Ein Pilgerkleid hat allen die Erde hier beschert.
Wir tragen 's auf der Erde, und lassen 's auch der Erd'.

Geh', übersteig nur Berge und Höhen mancherlei:
dem kleinen Grabeshügel kommst du doch nicht vorbei!
Da gehst du nicht hinüber, und ist er noch so klein;
da bleibst du müde liegen, da legt man dich hinein.

So sing das Lied vom Sterben, das alte Pilgerlied.
Weil deine Straße täglich dem Grabe näher zieht.
Lass dich es mild und freundlich, wie Glockenton, umwehn;
es läute dir zum Sterben, doch auch zum Auferstehn.


(Karl Johann Philipp Spitta, 1801-1859)

Donnerstag, 10. September 2015

Gebet der Umstehenden (1776, Johann F. Stark)



Gebet der Umstehenden, wann der Sterbende verschieden


"O du heiliger und gerechter Gott!

So hat es dir gefallen, diesen vor unsern Augen liegenden Verstorbenen durch den zeitlichen Tod von hinnen abzufordern. Ach, lass uns an diesem Tod lernen, dass wir auch einmal also sterben und die Welt verlassen müssen, damit wir uns in Zeiten durch Buße, lebendigen Glauben und Vermeidung der Eitelkeiten und Sünden der Welt dazu bereiten mögen. Erfreue die nunmehr abgeschiedene Seele mit himmlischem Trost und Freude, und erfülle an ihr alle Gnadenverheißungen, die du deinen Gläubigen in deinem heiligen Wort getan; dem Leibe gönne in der Erde eine sanfte und süße Ruhe, bis an den lieben jüngsten Tag, da du alsdann Leib und Seele wiederum vereinigen und zu der Herrlichkeit einführen wirst, damit der ganze Mensch, der hier gedienet, dort möge mit himmlischer Freude erfüllet werden. Tröste auch die durch diesen Tod Betrübten, und sei und bleibe der Hinterlassenen Vater, Versorger, Pfleger, Helfer und Beistand. Verlass sie nicht, und tue nicht von ihnen die Hand ab, sondern lass sie deiner Güte, Gnade, Liebe und Hülfe reichlich genießen, bis du sie auch wirst dermaleinst fröhlich und selig sterben lassen. Ach, erhöre uns um deiner Barmherzigkeit willen.

Amen."


(Johann F. Stark, 1776)

Tomaso Albinoni




             Was kann ich für die Toten tun?
                                 Ich bete:
              Herr, lass sie in Frieden ruhn. 

                                                  (Kindergebet, E. Werzinger)

Mittwoch, 9. September 2015

Bibelvers




Hebräer 9, 27:

"Jeder von uns, jeder Mensch muss einmal sterben und kommt danach vor Gottes Gericht."



Grabrede aus dem 18. Jahrhundert



Am Grab eines Kindes

"Lasset die Kleinen zu mir kommen, denn für solche ist das Himmelreich."
(Matt. 19,14)

Was für eine größere Wohlfahrt könnte einem Kleinen widerfahren, als der Tod, und nach dem Tod der Himmel? Ist ja doch in den himmlischen Gütern keine Bitterkeit, keine Beschwerde, keine Gefahr, keine Traurigkeit, kurz nicht der kleinste Tropfen Herbes mehr, sondern pure Freude und Wonne. Was für ein Gut ist die die entzückende Anschauung Gottes? Dagegen sind unsere irdischen Güter eitel Schattenwerk, eitel Jammer und Elend.
Dies erkennen die Greise, die sich lange genug in der Welt herumgeschlagen haben, nur zu gut. Ach, seufzen sie, wie glücklich wäre ich gewesen, wenn mich Gott in meiner frühesten Jugend und Unschuld zu sich abgefordert hätte! Dann würde ich meinen Gott nicht so vielfach beleidigt und ihm zuwider gehandelt haben; dann wäre ferne geblieben alle Sinnenlust, Unmäßigkeit und Ungerechtigkeit, der man sich vor aller Welt beim letzten Gericht so unendlich schämen muss! Demzufolge, teure Eltern, sage ich heute bei der Beerdigung dieses kleinen Kindes:

1) Jung und in Unschuld sterben ist ein Zeichen der Auserwählung durch Gottes Gnade.
2) Viele Jahre haben dagegen meist viele Sünden im Gefolge.

Wer wollte an der Seligkeit der kleinen Kinder zweifeln? Sind sie nicht in der heiligen Taufe Kinder Gottes geworden, und es geblieben? Sind sie nicht wirkliche Glieder der wahren Kirche geworden und haben Jesum Christum als ihren Erlöser zur Seite? Was Bosheit war, wussten sie nicht. Denn was tut ein Kind, auch wenn es noch größer wird, als das hier verhüllte? Wie kindlich lebt ein solches nicht dahin! Es baut Häuschen, Gärtchen aus Sand und Zweigen, reitet auf Stöcken, spielt mit Puppen und betet mit der Mutter gleich den lieben Engelein.
Was ist es, das uns selig macht? Ist es nicht ein unschuldiger Wandel? Ist es nicht die Meidung der Sünde, Lob und Liebe Gottes, eines jeden nach den Kräften seiner Jahre und seiner Seele? Nun aber, wer ist unschuldiger, reiner, wer ist weiter entfernt von Sünde und Fehl, wer lobt und liebt Gott mehr, als die kleinen Kinder? Und wenn nun ein solches Kind stirbt, ist es nicht glücklich zu preisen? Gewiss, es verlässt ja die Welt in aller Unschuld.

Darum trauert nicht zu sehr, betrübte Eltern! Ein solcher Tod in der kindlichen Unschuld ist ein großes Glück, das ihr eurem Kinde gönnen müsst. Viel mehr, als ihr verloren habt an Freude, hat euer Kind gewonnen. Denn es ist ein solcher Tod ein sicheres Merkmal, ja das sicherste Kennzeichen der Auserwählung und Himmelsseligkeit.

Wie denn auch, wenn euer Kleines eine hohe Altersstufe erreicht hätte? Viele und alte Jahre haben meist viele und alte, eingewurzelte und schwer auszurottende Sünden im Geleite. Wie viele gibt es, die ihre Unschuld sich erhalten bis in ihr Alter, ja was sage ich, bis in ihr 20. oder 30. Jahr nur? Schütztet doch selbst das Alter nicht vor Torheit und Sünde, wie wir ein Beispiel haben an den beiden Alten, welche der Susanna nachstellten (Bibel, Daniel, Kapitel 13). Man durchgehe die Welt und frage die Erwachsenen, man begebe sich an die Sterbebetten der Alten und frage, wo ihre schuldlosen Tage seien, wie bald und wie oft sie Gott beleidigt haben, man wird wahre Meister der Rechnungskunst vonnöten haben, um alle die vielen und langjährigen Sünden zusammenzuzählen, deren sich die meisten im Laufe der Zeit schuldig gemacht haben. Viele Jahre - viele Sünden ist deshalb ein meist richtiger Satz, so dass man wohl noch die Jahre zählen kann, die man verlebt, nicht aber die Sünden, die man begangen hat, und welche die Zahl der Haare unseres Hauptes oft übersteigen.

Ei denn, wäre es da nicht viel besser gewesen, in der Kindesunschuld und Engelsreinheit gestorben zu sein? Ohne Frage! Seid deshalb getrosten Mutes, traurige Eltern. Euer Kleines ist glückselig bei Gott, seinem Vater. Wäre es groß geworden, wie viele Gefahren würden sich ihm nicht da in den Weg gestellt haben, darin es zu Grunde gegangen wäre? Kleines Kind - kleines Leid; große Kinder - großes Leid, ist ein bewährtes Sprichwort. Wünschet euch deshalb nicht selbst ein größeres Leid!

Alt werden ist nur dann ein Segen, wenn man in Ehren und im tugendsamen Wandel alt wird. Wo dieses nicht der Fall, ist es ein Zeichen des Fluches und der Verdammung. Zählet deshalb nicht die Jahre des Lebens, sondern die Jahre des unschuldigen Lebens oder der Bekehrung zu Gott. Beweinet auch nicht unmäßig eure Kinder; ihr größtes Glück ist, früh von dieser Erde geschieden zu sein. Die Bosheit der Welt würde sie sicherlich früher oder später verderbt und zu Grunde gerichtet haben.

Lasset uns von diesem Grabe nicht anders hinweggehen, als getröstet, lächelnd durch Tränen, und im Gefühl der Freude und Lobpreisung Gottes. Es ist sicherer und vorzüglicher, den nächsten und geraden Weg zu Gott zu gehen, als den weiten, krummen und beschwerlichen durch ein langes mühseliges Leben. Der gerade Weg ist der beste, heißt es schon im Sprichwort, denn er ist der nächste und müheloseste. Dieser Weg ins Himmelreich aber ist - ein  f r ü h e r  Tod, das beste Kennzeichen der Auserwählung Gottes.

Doch bevor wir uns trennen, wollen wir in christlichem Gebete noch der Verwandten dieses Kindes und aller derjenigen, die hier in diesem Acker Gottes eingesäet liegen, gedenken und nicht von diesem geweihten Ort der Ruhe scheiden, ohne denen, welche im Reinigungsorte nach unserem Gebet schmachten, zu Hilfe gekommen zu sein mit einem andächtigen Vaterunser und Ave Maria!

Amen.



(P. Matthias Heimbach, Priester der Gesellschaft Jesu)

Samstag, 5. September 2015

Worte von Johannes G o s s n e r (1773-1858)



"Man soll nicht so sehr trauern über den Toten, denn er ist zur Ruhe gekommen. (Sir. 22,11). Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen. Ihm leben sie alle. (Luc. 20,38). Selig sind die Toten, die im Herrn sterben; denn sie ruhen von ihrer Arbeit, und ihre Werke folgen ihnen nach. (Offenb. 14,13)

So ruft uns die Schrift zu, in Hinsicht der Toten, und welchen besseren Trost könnte sie uns geben? Wir weinen wohl auch nicht eigentlich über die Toten, die im Herrn leben, sondern über uns, die wir noch im Sterbens-Leben zurückbleiben müssen. Denn es wäre töricht, wenn du, der du noch des Tages Hitze und Last trägst, den beweintest, der schon Feierabend machen durfte, der schon ruht von seiner Arbeit und daheim ist bei dem Herrn; wo keine Hitze auf ihn fallen, keine Sonne ihn stechen wird; wo alle Tränen und aller Schweiß abgetrocknet ist und bleibt in Ewigkeit. Es ist falsch, wenn wir sie die Toten nennen; sie leben, und wir sind noch im Todesleibe. Sie leben ihrem Gott, und ihr Gott lebt nun ganz in ihnen; denn Gott ist ein Gott der Lebendigen, der die, welche er zu sich nimmt, lebendig erhalten kann und wird in Ewigkeit. Der Gedanke an die Heimgegangenen, beim Herrn Lebenden, müsse dich also nicht töten, nicht niederschlagen, sondern beleben und aufrichten. Müsse dich nicht ins Grab zur verwesenden Hülle des Verblichenen beugen, sondern hinüber heben über Grab und Verwesung ins Land der Unsterblichkeit, in die Arme des Erlösers, in die Wohnungen des Vaters, wo sie ruhen, leben und herrlich sind, von wo sie hinüberwinken zu uns, und uns einladen, auffordern und ermuntern, auszuharren bis ans Ende, dass wir mit ihnen zusammenkommen und gleiche Herrlichkeit und Seligkeit genießen mögen."


(Johannes G o s s n e r, 1773-1858)

Freitag, 4. September 2015

Zitat von Schopenhauer




Ich meine, wir sollten das, was wir besitzen, bisweilen uns so anzusehen bemühen, wie es uns vorschweben würde,  nachdem wir es verloren hätten, und zwar jedes, was es auch sei: Eigentum, Gesundheit, Freunde, Geliebte, Weib, Kind, Pferd und Hund; denn meistens belehrt erst der Verlust uns über den Wert der Dinge.


(Schopenhauer)

Donnerstag, 3. September 2015

Geistlicher Liedtext von Ch. F. Gellert (1715-1769)




Wie sicher lebt der Mensch, der Staub!
Sein Leben ist ein fallend Laub,
und dennoch schmeichelt er sich gern,
der Tag des Todes sei noch fern.

Der Jüngling hofft des Greises Ziel,
der Mann noch seiner Jahre viel,
der Greis zu vielen noch ein Jahr,
und keiner nimmt den Irrtum wahr.

Sprich nicht: Ich denk' in Glück und Not
im Herzen oft an meinen Tod.
Der, den der Tod nicht weiser macht,
hat nie mit Ernst an ihn gedacht.

Wir leben hier zur Ewigkeit,
zu tun, was uns der Herr gebeut,
und unsers Lebens kleinster Teil
ist eine Frist zu unserm Heil.

Der Tod rückt Seelen vor Gericht;
da bringt Gott alles an das Licht
und macht, was hier verborgen war,
den Rat der Herzen offenbar.

Drum, da dein Tod dir täglich dräut,
so sei doch wacker und bereit;
prüf' deinen Glauben als ein Christ,
ob er durch Liebe tätig ist.

Ein Seufzer in der letzten Not,
ein Wunsch, durch des Erlösers Tod
vor Gottes Thron gerecht zu sein,
dies macht dich nicht von Sünden rein.

Ein Herz, das Gottes Stimme hört,
ihr folgt und sich vom Bösen kehrt,
ein gläubig Herz, von Lieb' erfüllt,
dies ist, was vor dem Höchsten gilt.

Die Heiligung erfordert Müh',
DU wirkst sie nicht, Gott wirket sie.
DU aber ringe stets nach ihr,
als wäre sie ein Werk von dir.

Der Zweck des Lebens, das du lebst,
dein höchstes Ziel, nach dem du strebst,
und was dir ewig Glück verschafft,
ist Tugend in des Glaubens Kraft.

Dass ich mein Herz mit jedem Tag
vor dir, o Gott, erforschen mag,
ob Liebe, Demut, Fried' und Treu'
die Frucht des Geistes in mir sei;

dass ich zu dir um Gnade fleh',
stets meiner Schwachheit widersteh',
und einstens in des Glaubens Macht
mit Freuden ruf': Es ist vollbracht !



(Christian Fürchtegott Gellert, 1715-1769)

Mittwoch, 2. September 2015

When tomorrow ...


"Das Kreuz" nach Franz v. Sales



Das Kreuz

Gott hat das Kreuz vor aller Zeit ausersehen zum Heil der Welt.
Durch Christus hat er es gesetzt zum Zeichen für alle Menschen.

Er legte es dir auf zur Nachfolge und zur Teilhabe am Schmerz Gottes.
Bevor er es dir schickte, hat er dieses Kreuz mit Aufmerksamkeit betrachtet,
mit väterlicher Weisheit durchdacht, durchwärmt, mit liebendem Herzen,
gewogen in gütigen Händen und geprüft,
ob es nicht einen Millimeter zu groß
oder ein Milligramm zu schwer ist.

Gesegnet hat er es mit dem Trost seiner Gegenwart,
bedacht mit dem Reichtum seiner Gnade,
beschenkt mit seiner erbarmenden Kraft.

Dann hat er noch einmal auf dich und deinen Mut geblickt,
und so kommt es schließlich zu dir
als ein persönlicher Gruß Gottes an dich
und als Zeichen seiner tiefen   L I E B E .


(nach Franz v. Sales)