Sonntag, 12. Oktober 2025

Ich hab von ferne ...

 


Ich hab von ferne,

Herr, deinen Thron erblickt

und hätte gerne

mein Herz vorausgeschickt,

und hätte gern mein müdes Leben

Schöpfer der Geister, dir hingegeben.


Das war so prächtig,

was ich im Geist gesehn;

du bist allmächtig,

drum ist dein Licht so schön.

Könnt' ich an diesen hellen Thronen

doch schon von heute an ewig wohnen!


Nur ich bin sündig,

der Erde noch geneigt;

das hat mir bündig

dein heilger Geist gezeigt.

Ich bin noch nicht genug gereinigt,

noch nicht ganz innig mit dir vereinigt.


Doch bin ich fröhlich,

dass mich kein Bann erschreckt;

ich bin schon selig,

seitdem ich das entdeckt.

Ich will mich noch im Leiden üben

und dich zeitlebens inbrünstig lieben.


Ich bin zufrieden,

dass ich die Stadt gesehn,

und ohn' Ermüden

will ich ihr näher gehn,

und ihre hellen goldnen Gassen

lebenslang nicht aus den Augen lassen.



(c) Johann Timotheus Hermes (1738-1821)