Üb' immer Treu und Redlichkeit
bis an dein kühles Grab,
und weiche keinen Finger breit
von Gottes Wegen ab!
Dann wirst du wie auf grünen Au'n
durchs Pilgerleben geh'n,
dann kannst du sonder Furcht und Grau'n
dem Tod ins Auge seh'n.
Dann wird die Sichel und der Pflug
in deiner Hand so leicht;
dann singest du beim Wasserkrug,
als wär' dir Wein gereicht.
Dem Bösewicht wird alles schwer,
er tue, was er tu;
der Teufel treibt ihn hin und her
und lässt ihm keine Ruh'.
Der schöne Frühling lacht ihm nicht,
ihm lacht kein Ährenfeld;
er ist auf Lug und Trug erpicht
und wünscht sich nichts als Geld.
Der Wind im Hain, das Laub am Baum
saust ihm Entsetzen zu;
er findet nach des Lebens Traum
im Grabe keine Ruh'.
Dann muss er in der Geisterstund'
aus seinem Grabe geh'n
und oft als schwarzer Kettenhund
vor seiner Haustür steh'n.
Die Spinnerinnen, die, das Rad
im Arm, nach Hause geh'n,
erzittern wie ein Espenblatt,
wenn sie ihn liegen seh'n.
Und jede Spinnestube spricht
von diesem Abenteu'r.
Und wünscht den toten Bösewicht
ins tiefste Höllenfeu'r.
Der alte Kunz war bis ans Grab
ein rechter Höllenbrand;
er pflügte seinem Nachbar ab
und stahl ihm vieles Land.
Nun pflügt er als ein Feuermann
auf seines Nachbars Flur
und misst das Feld hinab hinan
mit einer glüh'nden Schnur.
Er brennet wie ein Schober Stroh
dem güldnen Pfluge nach
und pflügt und brennet lichterloh
bis an den hellen Tag.
Der Amtmann, der im Weine floss,
der Bauern schlug halb krumm,
trabt nun auf einem glüh'nden Ross
in jenem Wald herum.
Der Pfarrer, der aufs Tanzen schalt
und Filz und Wuchrer war,
steht nun als schwarze Spukgestalt
am nächtlichen Altar.
Üb immer Treu und Redlichkeit
bis an dein kühles Grab,
und weiche keinen Finger breit
von Gottes Wegen ab!
Dann suchen Enkel deine Gruft
und weinen Tränen drauf,
und Sommerblumen, voll von Duft,
blüh'n aus den Tränen auf.
(c) Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748-1776)