Der schnellste Reiter ist der Tod;
er überreitet das Morgenrot,
wie Wetters rasches Blitzen;
sein Ross ist fahl und ungeschirrt,
die Sehne schwirrt, der Pfeil erklirrt
und muss im Herze sitzen.
Durch Stadt und Dorf, über Berg und Tal,
im Morgenrot, im Abendstrahl
geht's fort in wildem Jagen;
und wo er floh mit Ungestüm,
da schallen die Glocken hinter ihm,
und Grabeslieder klagen.
Er tritt herein in den Prunkpalast,
da wird so blass der stolze Gast
und lässt von Wein und Buhle.
Er tritt zum lustigen Hochzeitsschmaus,
ein Windstoß löscht die Kerzen aus,
bleich lehnt die Braut im Stuhle.
Dem Schöffen blickt er ins Gesicht,
der just das weiße Stäblein bricht,
da sinkt's ihm aus den Händen;
ein Mägdlein windet Blüt' und Klee,
er tritt heran; ihr wird so weh ---
wer mag den Strauß vollenden!
Drum sei nicht stolz, o Menschenkind !
Du bist dem Tod wie Spreu und Wind,
und magst du Kronen tragen.
Der Sand verrinnt, die Stunde schlägt,
und eh ein Hauch dies Blatt bewegt,
kann auch die deine schlagen.
(c) Emanuel Geibel (1815-1884)
