Aber fürchte den Tod nicht,
in der Regel ist er einfach.
Du möchtest nur ein wenig ruhn,
weil du so müde bist.
Du schläfst ein und du schläfst,
dann ist es vorbei.
(c) Arnulf Øverland (1889-1968)
Aber fürchte den Tod nicht,
in der Regel ist er einfach.
Du möchtest nur ein wenig ruhn,
weil du so müde bist.
Du schläfst ein und du schläfst,
dann ist es vorbei.
(c) Arnulf Øverland (1889-1968)
Du siehst geschäftig bei dem Linnen
die Alte dort in weißem Haar,
die rüstigste der Wäscherinnen,
im sechsundsiebenzigsten Jahr.
So hat sie stets mit saurem Schweiß
ihr Brot in Ehr' und Zucht gegessen
und ausgefüllt mit treuem Fleiß
den Kreis, den Gott ihr zugemessen.
Sie hat in ihren jungen Tagen
geliebt, gehofft und sich vermählt.;
sie hat des Weibes Los getragen,
die Sorgen haben nicht gefehlt;
sie hat den kranken Mann gepflegt;
sie hat drei Kinder ihm geboren;
sie hat ihn in das Grab gelegt
und Glaub' und Hoffnung nicht verloren.
Da galt 's, die Kinder zu ernähren;
sie griff es an mit heiterm Mut,
sie zog sie auf in Zucht und Ehren,
der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut.
Zu suchen ihren Unterhalt,
entließ sie segnend ihre Lieben;
so stand sie nun allein und alt,
ihr war ihr heitrer Mut geblieben.
Sie hat gespart und hat gesonnen
und Flachs gekauft und nachts gewacht,
den Flachs zu feinem Garn gesponnen,
das Garn dem Weber hingebracht;
der hat 's gewebt zu Leinewand;
die Schere brauchte sie, die Nadel,
und nähte sich mit eigner Hand
ihr Sterbehemde sonder Tadel.
Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es,
verwahrt 's im Schrein am Ehrenplatz;
es ist ihr Erstes und ihr Letztes,
ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz.
Sie legt es an, des Herren Wort
am Sonntag früh sich einzuprägen,
dann legt sie 's wohlgefällig fort,
bis sie darin zur Ruh' sie legen.
Und ich, an meinem Abend, wollte,
ich hätte, diesem Weibe gleich,
erfüllt, was ich erfüllen sollte
in meinen Grenzen und Bereich;
ich wollt', ich hätte so gewusst
am Kelch des Lebens mich zu laben
und könnt' am Ende gleiche Lust
an meinem Sterbehemde haben.
(c) Adelbert von Chamisso (1781-1838)
So wie ein letzter Hauch, ein letzter Strahl des Gottes
den Tag verklärt an seinem Schluss,
rühr' ich die Leier noch am Fuße des Schafottes;
wer weiß, wann ich 's besteigen muss!
Wer weiß! Vielleicht bevor der Zeiger dort im Kreise
auf dem geblümten Zifferblatt
den sechzigfachen Schritt der vorgeschriebnen Reise
helltönigen Gangs vollendet hat,
liegt schon der Schlaf der Gruft auf diesen bleichen Zügen;
vielleicht bevor es mir gelang,
im angefangnen Vers den Reim zum Reim zu fügen,
wird zu entsetzensheiserm Klang
der Todverkündiger, der zum Gerüst der Schrecken
uns schleppt mit seiner Söldnerbrust,
das Echo dieses Saals mit meinem Namen wecken ---
(c) Emanuel Geibel (1815-1884)
Ruhig ist des Todes Schlummer,
und der Schoß der Erde kühl.
Dort stört unsre Ruh kein Kummer,
nicht der Leidenschaften Spiel.
Unsre Sorgen groß und klein
schlummern alle mit uns ein.
Über unserm Hügel schwinget
die Vergessenheit den Stab,
und der Schmähsucht Stimme dringet
nicht ins stille, dunkle Grab.
Fehler, die uns hier besiegt,
werden dann nicht mehr gerügt.
Unsre Seufzer, unsre Tränen
werden ewig dann gestillt.
Unsre Wünsche, unser Sehnen,
alles, alles wird erfüllt.
Herzen, die sonst heiß gewallt,
liegen fühllos dann und kalt.
Läg' auch meines, von den Sorgen
dieses Lebens unempört,
in der Erde Schoß verborgen,
wo nichts seinen Frieden stört !
Kühles Grab, o wann nimmst du
mich in deine stille Ruh'?
(c) Dorothea Spangenberg, geb. Wehrs (1755-1808)
Wie einer ist, so schaut er.
Wie einer denkt, so traut er.
Wie einer ringt, erwirbt er.
Wie einer lebt, so stirbt er.
(alter Reim)
Hier, wo das schwarze Kreuzlein steht,
da ruht ein junges Vögelein;
heut' hat 's der Wind vom Baum geweht,
weil es noch war so schwach und klein.
Nun schweiget still das Kehlchen,
ruh' sanft, du liebes Seelchen!
Wir gruben ihm dies stille Grab,
damit es sanfte Ruhe hab',
die Blättlein decken 's allzuhauf,
wir stecken Blümlein auch darauf.
Nun schweiget still das Kehlchen,
ruh' sanft, du liebes Seelchen!
(c) Graf Franz Ludwig Evarist Alexander von Pocci (1807-1876)
Vom Grab meiner Mutter komm ich gegangen.
Fragt mich nicht. Ich kann nichts wissen und sagen.
Aus ewigen Schweigens nächtigen Landen
komm ich gegangen, vom Grab meiner Mutter.
Mein Sinnen ist dort,
mein Sehnen,
mein verzweifeltes Wähnen,
jenseits von allem.
Mit blutigem Herzen,
zerrissen, mit schweren Füßen,
vom Grab meiner Mutter komm ich gegangen:
Des Herzens heiligste Zuflucht
liegt unter der Erden.
Vielleicht ---
wenn des Winters Stürme vorüber,
pflanz ich Rosen darauf, rote und weiße,
und der Lenz lässt sie blühen,
glühen und duften,
und des Sommers Sonne umlächelt sie,
und der Tau der schwülen Nächte
behängt sie mit Tränen,
und von den Feldern grüßt
die reife Saat herüber
und manche wilde Blume.
Meine Mutter liebte das Feld
und die Saat und die wilden Blumen ---
Dann kommt der Herbst,
nimmt alles hinweg,
und dann der Winter ---- ----
O wie mich friert !
Vom Grab meiner Mutter komm ich gegangen,
zum Grab meiner Mutter geh ich zurück,
des Herzens heiligste Zuflucht
liegt unter der Erden.
Fragt mich nicht !
Was soll ich wissen und sagen !
Unerbittliches Schweigen
umfängt die nächtigen Lande der Toten,
jenseits von allem.
"Wenn der Jüngste Tag will werden ---
da fallen die Sternlein auf die Erden ---
da neigen sich die Bäumelein ---
da singt ein schön Waldvögelein --- ---"
Mutter! Mutter!
"Da kommt der liebe Gott gezogen
auf einem güldnen Regenbogen ---
Ihr Toten all' sollt auferstehn! --- ---"
Mutter! Kennst du das Lied?
Weißt du, wie du mir's gesungen?
Deine Stimme, tönt sie nicht mehr?
Fortweinen möcht ich dies Leben,
so weh ist mir
ohne dich.
Mutter, nur einmal noch
sing mir dein Wiegenlied,
Mutter, sing mich zur Ruh --- --- ---
(c) Michael Georg Conrad (1846-1927)
Das Grab ist tief und stille,
und schauderhaft sein Rand;
es deckt mit schwarzer Hülle
ein unbekanntes Land.
Das Lied der Nachtigallen
tönt nicht in seinen Schoß;
des Frühlings Blüten fallen
nur auf des Hügels Moos.
Verlassne Liebe ringet
umsonst die Hände wund;
ihr lautes Rufen dringet
nicht in der Tiefe Grund.
Doch sonst an keinem Orte
wohnt die ersehnte Ruh,
und nur durch seine Pforte
geht man der Heimat zu.
Das arme Herz hienieden,
von manchem Sturm bewegt,
find't nirgends wahren Frieden,
als wo es nicht mehr schlägt.
(c) Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834)
Wenn ich einst das Ziel errungen habe
in den Lichtgefilden jener Welt,
Heil der Träne dann an meinem Grabe,
die auf hingestreute Rosen fällt.
Heil der Blume, die in stiller Trauer
hier ein unschuldsvolles Mädchen pflückt,
mein gedenkt und mit Erinnrungsschauer
seufzend an ihr Herz die Blume drückt.
Sehnsuchtsvoll, mit hoher Ahndungswonne,
ruhig wie der mondbeglänzte Hain,
lächelnd, wie beim Niedergang die Sonne,
harr' ich, göttliche Vollendung, dein.
Eil', o eile, mich emporzuflügeln,
wo sich unter mir die Welten drehn,
wo im Lebensquell sich Palmen spiegeln,
wo die Liebenden sich wiedersehn.
Sklavenketten sind der Erde Leiden,
oft, ach öfters bricht sie nur der Tod.
Blumenkränzen gleichen ihre Freuden,
die ein Westhauch zu entblättern droht.
(c) Friedrich von Matthisson (1761-1831)
Auch das Schöne muss sterben! Das Menschen und Götter bezwinget,
nicht die eherne Brust rührt es den stygischen Zeus.
Einmal nur erweichte die Liebe den Schattenbeherrscher,
und an der Schwelle noch, streng, rief er zurück sein Geschenk.
Nicht stillt Aphrodite dem schönen Knaben die Wunde,
die in den zierlichen Leib grausam der Eber geritzt.
Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter,
wenn er, am skäischen Tor fallend, sein Schicksal erfüllt.
Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus,
und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn.
Siehe, da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
dass das Schöne vergeht, dass das Vollkommene stirbt.
Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten ist herrlich,
denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab.
(c) Friedrich Schiller (1759-1805)
Wäre der Tod nicht,
es würde keiner das Leben schätzen.
Man hätte vielleicht nicht einmal
einen Namen dafür ....
(c) Jakob Bosshart (1862-1924)
Gott, zu dir rufe ich am frühen Morgen.
Hilf mir beten und meine Gedanken sammeln;
ich kann es nicht allein.
In mir ist es finster, aber bei dir ist Licht.
Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht.
Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe.
Ich bin unruhig, aber bei dir ist Geduld.
Ich verstehe deine Wege nicht,
aber du weißt den rechten Weg für mich.
Vater im Himmel,
Lob und Dank sei dir für die Ruhe der Nacht.
Lob und Dank sei dir für den neuen Tag.
Lob und Dank sei dir für alle deine Güte und Treue
in meinem vergangenen Leben.
Du hast mir viel Gutes erwiesen.
Lass mich nun auch das Schwere aus deiner Hand hinnehmen.
Du wirst mir nicht mehr auferlegen, als ich tragen kann.
Du lässt deinen Kindern alle Dinge zum Besten dienen.
(c) Dietrich Bonhoeffer (1906-1945)
Mütterlein, du hast dich ganz
in die Erde nun verloren.
Wenn dich meine Liebe ruft,
wo sind deine feinen Ohren?
Ach, was ist dir nun dein Kind,
seine Freuden, seine Klagen!
Oder lockerst du den Grund,
weicher seinen Fuß zu tragen?
Oder schweifst mit Zärtlichkeit
durch die Wurzelgärtlein unten:
Keimt, ihr Kräutlein, die ihr liebt,
grüßt ihn, Blümlein all, ihr bunten?
Oder atmest, süßer Hauch,
vor mir in der Rose Brennen,
schenkst mir wieder deinen Kuss,
und ich kann dich nicht erkennen?
(c) Gustav Falke (1853-1916)
Geliebte, wenn mein Geist geschieden,
so weint mir keine Träne nach;
denn, wo ich weile, dort ist Frieden,
dort leuchtet mir ein ew'ger Tag!
Wo aller Erdengram verschwunden,
soll euer Bild mir nicht vergehn,
und Linderung für eure Wunden,
für euern Schmerz will ich erflehn.
Weht nächtlich seine Seraphsflügel
der Friede übers Weltenreich,
so denkt nicht mehr an meinen Hügel,
denn von den Sternen grüß' ich euch!
(c) Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)
Schließe mir die Augen beide
mit den lieben Händen zu!
Geht doch alles, was ich leide
unter deiner Hand zur Ruh'.
Und wie leise sich der Schmerz
Well' um Welle schlafen leget,
wie der letzte Schlag sich reget,
füllest du mein ganzes Herz.
(c) Theodor Storm (1817-1888)
"Dem Auge fern, dem Herzen nah!"
Als ich die alte Grabschrift sah
im eingesunknen Marmorstein,
da fiel mein totes Lieb mir ein ...
O Gott, ich schrieb schon tausendmal
das gleiche Lied aus gleicher Qual,
und war doch keins wie dieses da:
"Dem Auge fern, dem Herzen nah!"
(c) Ludwig Jacobowski (1868-1900)
Ihr müsst den Schmerz durchkosten, der mit dem Abschied für Lebenszeit stets verbunden ist. Ihr müsst die Wahrheit des Liedes erfahren:
"Alle Menschen müssen sterben, alles Fleisch vergeht wie Heu."
Ihr müsst erkennen, wie nichtig alles hier auf dieser Erde ist, wie selbst die festesten und schönsten Bande der Liebe durch den Tod zerrissen werden. Der Tod eines Entschlafenen erinnert auch euch kräftig daran, dass ihr Staub seid, vom Staube geboren und dass der Weg durch das dunkle Tal des Todes auch keinem von euch erspart bleibt.
(c) Friedrich Ludolf Georg Schultzen (1867-1938)
Der Tod eines Mannes ist eine Tragödie,
aber der Tod von Millionen nur eine Statistik.
(c) Josef Stalin (1878-1953)
Altmütterlein schleicht so bucklig und krumm
an der Krücke den Kirchhof entlang.
"Altmütterlein, hör doch, und sage warum
ist so sacht und so leise dein Gang?"
"Du junger Fant hast noch jugendlich' Blut
und stürmst auf der Erde einher,
als ob deinem kräftigen Übermut
nicht Einhalt und Grenze je wär'.
Ich aber bin alt und gehe so leis'
und tu hier der Erde nicht weh,
weil ich darunter viel' Tote weiß,
zu denen ich selbst bald geh'.
Ein heftiger Gang, der stört ihre Ruh'
und die Erde sei jedem leicht;
wart' ab die Zeit, dann begreifst auch du,
warum das Alter so schleicht."
(c) Demetrius Schrutz (1856-1938)
Als dir die Seel' ausging
und Dunkel mich umfing,
hab' ich mit tausend Wunden
es göttlich tief empfunden,
dass echte Lieb' im Sterben
kann nimmermehr verderben.
(c) Adolf Hermann Christian Ohly (1855-1919)
Wo die Rose hier blüht, wo Reben um Lorbeer sich schlingen,
wo das Turtelchen lockt, wo sich das Grillchen ergötzt,
welch ein Grab ist hier, das alle Götter mit Leben
schön bepflanzt und geziert? Es ist Anakreons Ruh.
Frühling, Sommer und Herbst genoss der glückliche Dichter;
vor dem Winter hat ihn endlich der Hügel geschützt.
(c) Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
An die Schwelle möcht' ich euch geleiten,
gern auch noch das neue Land beschreiten,
eine Strecke still daneben gehn.
Nimmer kann es meine Liebe fassen,
dass ich eines Tages euch verlassen,
scheiden soll, um nimmer euch zu sehn.
Sorgend lausch' ich euren Atemzügen,
hütend helf' ich euch der Pflicht genügen,
Freude stift' ich, wo ein Wunsch sich regt.
Wieviel Schönheit ist euch noch zu zeigen,
wieviel Höhen sind noch zu ersteigen,
Hand in Hand und Herz an Herz gelegt.
Und es kann auf jenem Stege sein:
Fröhlich schaut ihr um und seid allein!
(c) Richard von Schaukal (1874-1942)
München, 18.9.1838
(c) Friedrich Hebbel (1813-1863)
Am Abend unseres Lebens wird es die Liebe sein, nach der wir beurteilt werden, die Liebe, die wir allmählich in uns wachsen und sich entfalten lassen, in Barmherzigkeit für jeden Menschen.
(c) Frère Roger (1915-2005)
Wenn unserm Nächsten Leid geschieht,
auch wenn wir 's selbst nicht spüren,
so soll es doch aus Liebespflicht
uns selber herzlich rühren.
(c) Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700-1760)
Der schnellste Reiter ist der Tod;
er überreitet das Morgenrot,
wie Wetters rasches Blitzen;
sein Ross ist fahl und ungeschirrt,
die Sehne schwirrt, der Pfeil erklirrt
und muss im Herze sitzen.
Durch Stadt und Dorf, über Berg und Tal,
im Morgenrot, im Abendstrahl
geht's fort in wildem Jagen;
und wo er floh mit Ungestüm,
da schallen die Glocken hinter ihm,
und Grabeslieder klagen.
Er tritt herein in den Prunkpalast,
da wird so blass der stolze Gast
und lässt von Wein und Buhle.
Er tritt zum lustigen Hochzeitsschmaus,
ein Windstoß löscht die Kerzen aus,
bleich lehnt die Braut im Stuhle.
Dem Schöffen blickt er ins Gesicht,
der just das weiße Stäblein bricht,
da sinkt's ihm aus den Händen;
ein Mägdlein windet Blüt' und Klee,
er tritt heran; ihr wird so weh ---
wer mag den Strauß vollenden!
Drum sei nicht stolz, o Menschenkind !
Du bist dem Tod wie Spreu und Wind,
und magst du Kronen tragen.
Der Sand verrinnt, die Stunde schlägt,
und eh ein Hauch dies Blatt bewegt,
kann auch die deine schlagen.
(c) Emanuel Geibel (1815-1884)
Wo habt ihr mir den Alten hingebettet?
Kommt, führt mich an den engbeschränkten Port,
darein der Weltumsegler sich gerettet !
Ihr zeigt auf jene dürre Scholle dort,
wo heut' das erste Herbstlaub niederregnet;
"Hier ruht er!", sagt mir euer Trauerwort.
O sei, du heilig Dichtergrab, gesegnet !
Du birgst ihn, den mein Geist viel tausendmal,
mein sterblich Auge nimmermehr begegnet.
Ich sah ihn nie; an seiner Blicke Strahl
hat meine Kraft sich nie entzünden sollen;
er stand zu hoch, ich ging zu tief im Tal.
Nun schläfst du in der fremden Erde schon,
und die den Wandernden nicht konnte wiegen,
beut ihm ein Grab mit Lorbeer und mit Mohn ...
(c) Franz von Dingelstedt (1814-1881) (Gedicht gekürzt)
Wenn ich euch hier öffentlich aufforderte, ihr solltet mir den Tag und die Stunde sagen, zu der ihr sterben werdet! Ihr solltet mir die Briefe aufweisen, in denen der Tag und die Stunde und die Art und Weise eures einstmaligen Hinscheidens aufgeschrieben sind; was würdet und könntet ihr mir antworten? Würdet ihr nicht alle schweigen, und durch eben dieses euer Schweigen ein öffentliches Bekenntnis von dem Ausspruch des Evangeliums ablegen: "Ihr wisset weder den Tag noch die Stunde!"?
Das wissen wir wohl: unsere Eltern, Freunde und Nachbarn sind gestorben, und sind an diesem Tage, zu dieser Stunde, und auf diese Weise gestorben. Auch das wissen wir, dass auch für uns einst ein Tag aufgehen werde, der der letzte unseres Lebens sein wird, und eine Stunde kommen werde, nach der uns keine mehr schlagen wird, und dass auch uns eine von den mancherlei Todesarten bestimmt sei. Allein welcher aus den kommenden Tagen der letzte unseres Lebens, und welche von den künftigen Stunden diejenige sein werde, da es auch von uns heißen wird: "Nun hat er 's überstanden!" --- dies weiß ich nicht und wisst ihr nicht, dies weiß niemand.
So gewiss uns der Tod ist, so ungewiss ist uns die Stunde des Todes!
(c) unbekannt, 1824
Mutter, die ich kaum gekannt,
tote Mutter, suchst du dein Kind?
Mir klingt eine Stimme aus dunklem Land
wie eine Harfe im Wind.
Mutter, eine so weiche Hand
streicht mir die Stirne lind.
Gibst du ein Zeichen aus totem Land,
wie gut deine Hände sind?
Schützende Liebe, weit ausgespannt,
Urquell, der niemals verrinnt:
Mutter, in jeder tröstenden Hand
bist du bei deinem Kind.
(c) Josef Weinheber (1892-1945)
Ich möchte eine alte Kirche sein
voll Weihrauch, Dunkelheit und Kerzenschein.
Wenn du dann diese trüben Stunden hast,
gehst du herein zu mir mit deiner Last.
Du neigst dich tief, die große Tür fällt zu,
nun sind wir ganz alleine, ich und du.
Ich streichle dich mit meiner Dämmerung,
ich segne dich mit leisem Ampelschwung.
Und wagst du nicht, allein zu Gott zu dringen,
will ich als Orgel ferne mit dir singen.
Dann summt die Wölbung, und die Kerzenflammen
fließen so golden über dir zusammen.
Die kleinen Engel wehn herzu
und flöten still und lullen dich zur Ruh.
Ich möchte eine alte Kirche sein
voll Weihrauch, Dunkelheit und Kerzenschein.
Wenn du dann diese trüben Stunden hast,
gehst du herein zu mir mit deiner Last.
(c) Manfred Hausmann (1898-1986)
Seele, vergiss sie nicht,
Seele, vergiss nicht die Toten!
Sieh, sie umschweben dich,
schauernd, verlassen,
und in den heiligen Gluten,
die den Armen die Liebe schürt,
atmen sie auf und erwarmen
und genießen zum letzen Mal
ihr verglimmendes Leben.
Seele, vergiss sie nicht,
Seele, vergiss nicht die Toten!
Sieh, sie umschweben dich,
schauernd, verlassen,
und wenn du dich erkaltend
ihnen verschließest, erstarren sie
bis hinein in das Tiefste.
Dann ergreift sie der Sturm der Nacht,
dem sie, zusammengekrampft in sich,
trotzten im Schoße der Liebe,
und er jagt sie mit Ungestüm
durch die unendliche Wüste hin,
wo nicht Leben mehr ist, nur Kampf
losgelassener Kräfte
um erneuertes Sein!
Seele, vergiss sie nicht,
Seele, vergiss nicht die Toten!
(c) Friedrich Hebbel (1813-1863)
Heut' kommen stille Boten
zu dir vom Morgenrot:
"Gedenk an deine Toten,
gedenk an deinen Tod !"
Sie flüstern 's deinem Herzen;
sie sind dir nah gestellt;
du fühlst mit süßen Schmerzen
ein Weh'n aus jener Welt.
Gedenke, wie sie waren,
wie jeder trug und litt,
wie Bitt'res sie erfahren,
vielleicht durch dich auch mit;
wie ihrer Liebe Walten
das Schwerst' auch überstand,
wie Treue sie gehalten,
ob du sie oft verkannt !
Dir blüht aus ihren Mühen,
was hoffend du geträumt, ---
o lass in dir erglühen
den Dank, den du versäumt !
Durch tätig reines Streben
bewähr' im Sonnenlicht
an denen, die noch leben,
die heil'ge Lebenspflicht.
Bald ist der Tag erblichen,
bald hat mit ihrem Bann
die Nacht dich überschlichen,
da niemand wirken kann.
Dass sie dir sanft und leise
die Augen schließen mag,
sei rüstig auf der Reise,
sei wach am hellen Tag !
Hör' auf die stillen Boten,
fühl' ihres Odems Weh'n,
lass deine lieben Toten
im Herzen aufersteh'n;
sie sind dir nicht geschieden,
gehst du auf Gottes Pfad,
sie segnen dich hienieden
für jede gute Tat.
(c) Ernst Denker (Samstag, 19. November 1892)
Wir Toten, wir Toten sind größere Heere
als ihr auf der Erde, als ihr auf dem Meere!
Wir pflügen das Feld mit geduldigen Taten,
ihr schwinget die Sichel und schneidet die Saaten,
und was wir vollendet und was wir begonnen,
das füllt noch dort oben die rauschenden Bronnen,
und all unser Lieben und Hassen und Hadern,
das klopft noch dort oben in sterblichen Adern,
und was wir an gültigen Sätzen gefunden,
dran bleibt aller irdische Wandel gebunden,
und unsere Töne, Gebilde, Gedichte
erkämpfen den Lorbeer im strahlenden Lichte,
wir suchen noch immer die menschlichen Ziele ---
drum ehret und opfert! Denn unser sind viele!
(c) Conrad Ferdinand Meyer (1823-1898)
Wir wissen nicht, ob wir ans Ziel gelangen.
Doch gehn wir los. Doch reiht sich Schritt an Schritt.
Und wir verstehn zuletzt: Das Ziel ist mitgegangen;
denn der den Weg beschließt und der ihn angefangen,
der Herr der Zeit, geht alle Tage mit.
(c) Klaus-Peter Hertzsch (1932-2015)
Wer weiß, wie nah mir mein Ende!
Hin geht die Zeit, her kommt der Tod;
ach, wie geschwinde und behände
kann kommen meine Todesnot.
Mein Gott, mein Gott, ich bitt' dich durch Christi Blut:
mach 's nur mit meinem Ende gut.
(c) Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt (1637-1706)
Die Liebe höret nimmer auf, sie ist ewig. Sing 's zum Trost und zur Stärkung in dein Herz, wenn Sorgen es beschweren und bedrängen, wenn Tränen die Augen und Klagen den Mund füllen. Die Liebe höret nimmer auf. Das Menschenherz gibt Liebe und empfängt Liebe. Es ist reich und glücklich in ihr, aber öde, arm und traurig ohne sie. Ein Mensch ohne jegliche Liebe wäre das beklagenswerteste und elendste Geschöpf auf Erden. Lieben und geliebt zu werden ist ein Paradies auf Erden. Ein Fluss, je länger sein Lauf, desto voller und breiter sein Bett, weil andere Gewässer sich in ihn ergießen, und die Liebe, je länger sie genossen und geübt wird, nimmt auch zu an Tiefe, an Innigkeit, an Umfang. Ein Mensch kann, wenn er sonst zu jedem anderen Werke untauglich und unfähig wäre, doch noch das Eine: lieben und er tut es auch. Die Liebe höret nimmer auf. Die Heimgegangenen lieben herab und die Zurückbleibenden lieben hinauf. So höret die Liebe nimmer auf. Die Liebe macht ja auch glücklich im Himmel.
(c) L. F. Barth, Oberpfarrer in Gera 1873-1882
Ach, dass du lebtest!
Tausend schwarze Krähen,
die mich umflatterten auf allen Wegen,
entflohen, wenn sich deine Tauben zeigten,
die weißen Tauben deiner Fröhlichkeit.
Dass du noch lebtest!
Schwer und kalt bedrängt
die Erde deinen Sarg und hält dich fest.
Ich geh' nicht hin, ich finde dich nicht mehr.
Und Wiedersehn?
Was soll ein Wiedersehn,
wenn wir zusammen Hosianna singen,
und ich dein Lachen nicht mehr hören kann?
Dein Lachen, deine Sprache, deinen Trost :
"Der Tag ist heut' so schön. Wo ist Chasseur?
Hol' aus dem Schranke deinen Lefaucheux
und geh ins Feld, die Hühner halten noch.
Doch bieg' nicht in das Buchenwäldchen ab
und leg' dich nicht ins Moos und träume nicht.
Pass auf die Hühner und sei nicht zerstreut,
blamier' dich nicht vor deinem Hund, ich bitte.
Und alle Orgeldreher heut' verwünsch' ich,
die luftgetragnen Ton von fernen Dörfern
dir zusenden, ich seh' dann keine Hühner.
Und doch, die braune Henne liegt so still,
dich rührt ihr Zauber, lass dich nur bestricken.
Wir essen heute abend Erbsensuppe,
und der Margaux hat schon die Zimmerwärme;
bring' also Hunger mit und gute Laune.
Dann liest du mir aus deinen Lieblingsdichtern.
Und willst du mehr, wir gehen an den Flügel
und singen Schumann, Robert Franz und Brahms.
Die Geldgeschichten lassen wir heut' ruhn.
Du lieber Himmel, deine Gläubiger
sind keine Teufel, die dich braten können,
und alles wird sich machen.
Hier noch eins:
Ich tat dir guten Kognak in die Flasche.
Grüß' Heide mir und Wald und all die Felder,
die abseits liegen, und vergiss die Schulden.
Ich seh' indessen in der Küche nach,
dass uns die Erbsensuppe nicht verbrennt."
Dass du noch lebtest!
Tausend schwarze Krähen,
die mich umflatterten auf allen Wegen,
entflohen, wenn sich deine Tauben zeigten,
die weißen Tauben deiner Fröhlichkeit.
Ach, dass du noch lebtest.
(c) Detlev von Liliencron (1844-1909)
Wenn am Abend seines Lebens
ernst der Pilger stille steht,
sieht die Früchte, die voll Lebens
einst auf Hoffnung er gesät,
da gereut ihn keine Mühe,
er gedenkt der Tränen nicht,
freudig dankt er Gott, und siehe:
"Um den Abend wird es licht."
Abends durch die Nebelhülle
dringt der Sonne goldne Glut,
in des Pilgers Brust wird's stille,
Friede in dem Herzen ruht,
wenn durchs Dunkel ferner Tage
endlich nun ein Lichtstrahl bricht,
nach dem unwegsamen Pfade:
"Um den Abend wird es licht."
Wie nach manchem Kampf und Hoffen
Mose dort auf Nebos Höhn
darf das Kanaan nun offen
und voll Wonne vor sich sehn:
so auch wird dem tapfern Streiter
oft ein himmliches Gesicht,
dass er wieder froh und heiter:
"Um den Abend wird es licht."
Glück und Unglück sendet beide
deines Gottes weise Hand,
und in Freude wie im Leide
schaue seiner Liebe Pfand;
Wenn in wechselnden Geschicken
Wolken drohen schwer und dicht,
darfst du nur nach Zion blicken:
"Um den Abend wird es licht."
Bist du lebenssatt und müde,
und umgibt dich Todesnacht, ---
wird dein Auge dunkel, trübe,
sei getrost! --- dein Jesus wacht!
Im Triumphe wirst du blicken,
wenn der Lebensfaden bricht,
und mit heiligem Entzücken,
wie es wird am Abend licht.
(unbekannt, 1914)