Sonntag, 30. Dezember 2018

Wir Kinder der Vergänglichkeit



Ein Wort so schwer, so schmerzbeladen,
ist jenes, das "vermissen" heißt.
Verlorenheit auf dunklen Pfaden.
Ein Kummer, der im Herzen kreist.
Und Tränen, die nicht Ruhe geben.
Es war doch so ein schönes Leben.

Es war doch so ein schönes Leben,
bis dass der Tod das Band zerschnitt.
Es war ein "Hoch-die-Tassen-Heben",
Beschwingtheit war es, Schritt auf Schritt,
ein Tanzen und ein helles Lachen,
ein "lauter-süße-Dinge-Machen".

Ach, lauter süße Dinge machen,
ein süßer Kuss im Sonnenschein,
ein Ausbruch aus dem Überwachen,
ein Freiheitsduft und Glücklichsein.
Es war doch so ein schönes Leben,
und wird kein zweites derart geben.

Es wird kein zweites derart geben.
Das Taufhemd wird zum Trauerkleid.
Kein Lachen mehr, kein Gläserheben.
Der Weg bis hin zur Ewigkeit
darf einmal nur gegangen werden.
Es gibt ihn zweimal nicht auf Erden.

Es gibt uns zweimal nicht auf Erden,
nicht dich, nicht mich, nicht ihn noch sie.
Dem Frohsinn folgen Leidbeschwerden.
Vermissen heißt Melancholie.
Vermissen fordert auszuhalten,
wenn sich die Zeiten neu gestalten.

Wenn sich die Zeiten neu gestalten,
dann muss die Seele standhaft sein.
Wo Todes' Hände raffend walten,
verblasst der einst so schöne Schein.
Fürwahr, es war ein schönes Leben.
So lasst es uns ins Herze weben.

So lasset uns ins Herze weben
die einmalige Köstlichkeit.
Es wird kein zweites Leben geben.
Wir Kinder der Vergänglichkeit
sind nur ein einzig Mal auf Erden.
Vermissen heißt, draus klug zu werden ....


(c) Bettina Lichtner


Donnerstag, 1. November 2018

Ein starkes Herz



Christus ist unser Friede. In Ihm haben wir Frieden mit uns selbst. Sein Friede bewahrt das Herz vor aller kleinmütigen Verzagtheit in den Trübsalen und Prüfungen des Lebens; denn ein im Frieden Gottes stilles Herz ist auch ein starkes Herz in den Stürmen und Kämpfen, die uns umgeben. Dieser Friede tröstet uns von oben in aller Trauer, auch in der Trauer um all die Teuren, die uns für immer entrückt sind, denn wir gönnen denen, die von uns geschieden sind, den Eingang in die Hütten des Friedens. Ja, der Friede Gottes erhellt auch die Nacht unseres eigenen Todes, denn im Glauben an den Heiland, der uns erschienen ist, dürfen auch wir sprechen: "Herr, nun lässest du Deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen." 


(Hofprediger D. Bernhard Rogge, 1831-1919)

Samstag, 20. Oktober 2018

Geknickte Blüten


Wer stirbt leichter als ein Kind?
Was ist rührender als das Sterben eines Kindes?

Aus Gottes Hand ist die junge Seele gekommen. Kaum war sie eingewurzelt im Erdenlande, kaum fing sie an zu knospen und zu blühen zum Entzücken der Eltern, die jede neue Regung belauschten, da trat der Tod heran und knickte die liebliche Blüte, ehe sie ihre ganze Schönheit entfalten konnte. Vielleicht muss das junge Leben leiden im Tode; der größte Schmerz aber wird den Eltern zugeteilt. Sie sind stärker, sie können und sollen es tragen. Sie sind es, die den Tod nahen sehen, die mit klopfendem Herzen und verhaltenem Atem lauschen, ob der letzte Augenblick schon gekommen ist. Das junge Wesen hat noch kein Verständnis für den Ernst der Stunde; es lässt über sich ergehen, was da kommen will, und ehe es recht zum Bewusstsein erwacht ist, ward der letzte Schritt schon getan. Physisches Leiden ist ihm vielleicht nicht erspart geblieben, dem knospenhaftem Menschenwesen, aber von Seelenangst wurde es nicht berührt. Es wurde hinübergetragen in die Ewigkeit und erwachte aus seinen Fieberträumen im Lande des Lichtes in den jubelnden Reigen der seligen Engel, ehe es die Bitternis des Lebens gekostet und erfahren hatte, was Schuld ist. Wer stirbt leichter als ein Kind? Es gleitet hinüber, es schwebt hinüber, denn es ist unbeschwert und hat verborgene Engelflügel.

Und doch. Was ist rührender als ein sterbendes Kind? Da liegt das kleine Wesen und kann nicht leben und muss leiden - und hat doch nichts verbrochen und ist so blütenweiß und rein! Die Eltern ringen die Hände, und es möchte wie Groll aufsteigen in ihrem Herzen: warum soll die junge, unschuldige Seele leiden? Wer ist es, der sie quält, sie, die noch nichts Böses tun konnte? - O, ihr Lieben, leiden und unschuldig sein, das ist das Schlimmste nicht. Wisst ihr auch, wovon das kleine leidende Wesen Zeugnis gibt? Von einem großen, unbegreiflichen Geheimnisse, von der Erbsünde, in die das ganze Geschlecht Adams verstrickt ist. Die Erbsünde ist getilgt in der Taufe, die Erbstrafe ist nicht völlig hinweggenommen, und auch das kleine Wesen soll seinen Teil tragen. Gönnt es ihm, denn es ist eine Gnade. Das Leiden adelt. Seitdem der Sohn Gottes das Kreuz auf sich genommen hat, adelt es doppelt. Gönnt dem kleinen Wesen ein Stücklein des Kreuzes! Beten und arbeiten kann es noch nicht; alles, was es kann, ist leiden. Das ist das erste, was die Seele tun kann, wenn sie ins Leben getreten ist; das ist das Opfer der Morgenfrühe und das Opfer des Abends - leiden! Und nochmals sei es gesagt: Da Jesus Christus gelitten hat, ist dem Kreuze eine königliche Würde gegeben worden. Und nichts ist zwecklos, was der Herr fügt und anordnet; auch das Leide des sterbenden Kindes wird seine Frucht tragen.

Doch trotz allem! Es schneidet ins Herz, ein kleines, zartes, unschuldiges Kind leiden zu sehen. So laß dir auch dies noch zum Troste sagen, dass das unreife, noch nicht völlig gekräftigte und geklärte Bewusstsein die ganze Schwere des Leidens nicht empfinden kann; nicht in den Krämpfen und Zuckungen des Körpers ist das Maß des Leidens zu suchen, es liegt in der Seele, im klaren Bewusstsein des Geistes. Der schwachen Kraft wird nicht mehr aufgebürdet, als sie tragen kann. Gerade in die Schwäche hat der Herr einen Schutz gelegt; auch die Ohnmacht ist ein Panzer.

Geknickte Blüten, wer trauert nicht um sie? Wenn der kleine weiße Sarg in der dunklen Grube verschwindet, dann versinken mit ihm so viele süße Hoffnungen. Sonst begräbt man mit dem Toten liebe Erinnerungen, hier wird die Hoffnung mitbegraben; die Erinnerung ist ja dem Tode geweiht, die Hoffnung aber möchte leben.

Nein, die Hoffnung wird nicht mitbegraben, nicht die ganze, nicht die schönste, nur eine irdische Hoffnung. Das junge Wesen ist nicht umsonst ins Leben getreten; was hier nicht zur Vollendung kam, kann droben zu schönerer Blüte sich entfalten. Es ist ja durch den Tod eingegangen in das Leben, und das Leben ist Fortschritt, Entwicklung, Aufstieg zur Höhe. Was uns hier sobald genommen wurde, dass wir es kaum besessen haben, das ist uns nicht ewig verloren. Dort oben ist das Land des Wiedersehens, das keine Trennung mehr kennt.

Hast du ein Kindergrab auf dem Kirchenhofe, so pflanze Immergrün darauf; grün ist die Hoffnung, und immergrün soll deine Hoffnung sein. Am Grabe eines Erwachsenen kann Furcht und Sorge sich einstellen; hier darf nur die Hoffnung blühen.



(c) August Wibbelt (1862-1947)

Sonntag, 14. Oktober 2018

Unser Vater im Himmel



Unser Vater im Himmel.
(Matthäus 6, 9)


In dieser Anrede ist eigentlich das ganze Vaterunser beschlossen; sie gibt den Grundton an, der das ganze Gebet durchklingt.

Welch ein Meer von Trost liegt schon in dem einen Wort: VATER ! Den aller Himmel Himmel nicht fassen können, und der die Welt trägt auf seinem gewaltigen Arm, der ist in Christus mein Vater geworden. Er meint es mit mir wie ein Vater; er lenkt meine Wege als mein Vater; er sorgt für mich recht väterlich. Was mir Liebes begegnet, ist ein Gruß von ihm. Wenn die Stürme mich umbrausen, seine Hand hält das Steuer. Wenn alle Lichter mir erlöschen und es ganz dunkel wird um mich her, dieser eine Stern durchleuchtet auch die dunkelste Nacht: Gott ist mein Vater !!

Und dieser Vater ist im Himmel; er kann schaffen, was er will. Er ist beides zugleich: Allmacht und Liebe. Seine Allmacht steht im Dienst seiner Liebe, und seine Liebe ist niemals Ohnmacht. Er kann geben, was wir beten, und er gibt über Bitten und Verstehen.

So kann ich still und getrost meine Straße ziehen: Ich bin nicht allein; der Vater ist bei mir. So kann ich alles, was mich drückt und quält, in sein Herz ausschütten; denn er hört auf sein Kind. So brauche ich auch um die Meinen nicht zu sorgen; denn er ist nicht nur  m e i n  Vater, sondern   u n s e r  Vater. Die Meinen sind auch die Seinen. Und wenn sie auch fern von mir sind, --- so oft ich das Vaterunser bete, finde ich mich mit ihnen zusammen an des Vaters Herzen.

Ich will mich nicht mehr selber führen,
der Vater soll das Kind regieren. Amen.


(c) Dr. Paul Conrad (1865-1927)

Samstag, 6. Oktober 2018

Ich wachse


Braust, ihr Stürme, braust und tobet.
Nimmer brecht ihr meinen Mut.
Weil mein Herz die Allmacht lobet,
wird am Ende alles gut,

wird das Schwache mir zur Stärke,
und das Weinen Lachen sein.
Gott und seine Gnadenwerke
sind des Tunnels Lichterschein.

Ist die Seele auch betrübet
und beladen bis zum Rand -
Gott, der Seine Kinder liebet,
reicht doch tröstend Seine Hand.

Und ich wachse an dem Schweren,
und ich breche nicht entzwei.
Alles meinem Gott zu Ehren,
im Verderb' und im Gedeih'.

Ihm, dem Fels, auf dem ich stehe,
Ihm, der Burg, die Schutz mir ist.
Ihm, dem Stab, an dem ich gehe,
Ihm, der mich ja nie vergisst,

den ich lobe, den ich preise,
auch in meiner höchsten Not;
der im Lauten mir ganz leise
seine starken Arme bot,

um mich sicher drin zu halten,
dass ich neue Hoffnung spür',
Ihm, dem sich die Hände falten,
diesem öffne ich die Tür ....



(c) Bettina Lichtner

Freitag, 5. Oktober 2018

Muss sterben


O mein Jesu, ich muss sterben,
eile stündlich zu dem Tod.
Lass mich ewig nicht verderben,
wenn ich komm in letzte Not.
Durch dein' Tod und bittre Schmerzen,
o mein Jesu, steh mir bei.
Ach, ich bitte dich von Herzen,
mir im Tode Gnad' verleih' !

Wenn die Pein den Leib umringet,
wenn der kalte Schweiß ausbricht,
wenn der Schmerz die Seel' durchdringet,
wenn die Angst das Herz durchsticht:
O mein Jesu, durch dein Leiden,
tröst' mich in des Todes Schmerz.
Stehe du zu  meiner Seiten !
Stärke du mein armes Herz !

Wenn die Hölle auf mich dringet
rings wohl um mein Totenbett,
wenn die letzte Glocke klinget
und nicht ist, der mich errett':
dann, o Jesu, Gnad' verleihe,
weil bei dir ja Gnade ist.
O mein Jesu, zu mir eile,
weil der Sünder Zuflucht bist.

Wenn mir wird vor Augen schweben
das gar strenge jüngst' Gericht,
und mein bös' vollbrachtes Leben
mir wird kommen vors Gesicht:
Bitt', mein Jesu, wollst mir geben
meiner Sünden Reu und Leid;
dir, mein Jesu, sei mein Leben,
anbefohlen allezeit.

O mein Jesu, durch die Schmerzen,
die du littest, mir zugut',
ach, ich bitte dich von Herzen,
durch dein Blut und Wunden rot:
Lass mein sterbend' Haupt sich senken
auf das Kreuz und Herze dein!
Lass mein letztes Wort und  Denken
JESUS, JESUS sein allein.


(c) Thomas Kelly,  1769-1855

Donnerstag, 4. Oktober 2018

Im Reich der Sterne



Es spannt die Liebe ihre Schwingen
und lädt mich ein zum Sternenflug.
Sie weiß wohl um das heiße Ringen,
um manchen schweren Atemzug,
wenn traurig mir wird Herz und Sinn,
und ich dem Gram ergeben bin.

Ich schleppe mich mit Kraft und Mühen
auf die gespreizte Federpracht.
Wer hat mir nur den Mut verliehen?
Wer wirkt nur hinter dieser Macht,
die rettend sich zur Trübsal beugt
und hoffnungsvolle Wege zeigt?

Hinauf, hinauf ins Himmelweite
trägt mich die Liebe. Hoch hinauf.
Das Lebensbuch schlägt eine Seite
mir unbekannter Welten auf.
Und dann, und dann ... da bist du ja:
der Erde fern und hier so nah.

Auf Erden stand ich vor dem Grabe
und weinte bitterlich um dich,
weil ich doch glaubte: "Ach, ich habe
dein Lachen nimmermehr um mich."
Und nun? Oh, Liebe! Liebe, du ....
Wie süßlich doch die Himmelsruh' ....

Vergnügter Tanz im Reich der Sterne
und unbeschwerte Seligkeit.
Du hast das Paradies so gerne,
und blühst in deiner Ewigkeit
wie einer jungen Rose zarter Trieb,
und rufst mir zu: "Ich hab dich lieb."


(c) Bettina Lichtner

Ich wünsch dir einen Engel



Ich wünsch dir einen Engel
am Tag und in der Nacht,
der dich mit seiner Güte
und Liebe stets bewacht.

Ich wünsch dir einen Engel
in Schmerz und Traurigkeit,
der deine Seele streichelt
jetzt und in Ewigkeit.

Ich wünsch dir einen Engel,
wenn du im Dunkeln bist,
der dir ein Licht anzündet
und immer bei dir ist.


(c) Annemarie Wagner, Schweizer Autorin

Zitat


Mittwoch, 29. August 2018

Woran?



Woran stirbt ein Mensch?

An einer Kugel im Herzen? - Nein.
An Krebs? - Nein.
An einem giftigen Pilz? - Nein.

Man stirbt, wenn man vergessen wird.


(c) Doc Bader (One Piece)

Dienstag, 28. August 2018

Zurück in die blühende Zeit



Als deine Augen
sich für immer schlossen,
ist mein Herz verbrannt,
mein Atem stand still,
die Seele verwelkte
inmitten blühender Zeiten.

Ich begab mich auf eine lange Suche
nach dir, nach dem Leben, nach dem Morgen danach.

Und klopfte eines Tages an die Pforte
der Erinnerungen,
die sich sachte, sachte öffnete.
Mut gefasst und hindurch ...

Und siehe,
da sah ich dich lachen.
Und mein Herz fing an zu schlagen,
der Atem nahm tiefe Züge,
und meine Seele .....,
meine Seele trank von alledem
und kämpfte sich zurück
in die blühende Zeit.

Denn wer klopfet,
dem wir wird aufgetan.
Und wer suchet,
der wird finden ....



(c) Bettina Lichtner

Meine Kraft ist hin



Die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden. (2. Tim. 4, 6)


Die Vorstellung unsres Abschieds ist nötig und für einen Gläubigen angenehm, wenn er weiß, wie er mit Jesu Christo, dem einigen Seligmacher, steht, der ihn abfordert.

Meine Abschiedszeit
ist nun nicht mehr weit;
doch ich weiß wohin,
weil ich kraft der Taufe
meines Ziels vom Laufe
schon versichert bin.

Jesum glaube ich;
Jesus kennet mich,
denn ich bin ja sein;
und wiewohl ich sterbe,
bleibet doch ein Erbe
in dem Himmel mein.

Hier ist nichts verdient,
ich steh als versöhnt
in dem Testament.
Der für mich gestorben,
hat das Erb erworben,
das man ewig nennt.

Auf des Heilands Tod
stirbt sich 's ohne Not;
Jesus lebet ja,
und er will ein Leben
in dem Himmel geben.
Er ist selber da.

Jesu, führe du
mich zu jener Ruh
durch dein Blut einst ein.
Wenn ich nun verschieden,
lass mich dort in Frieden
ewig bei dir sein.

Mach den Glauben fest,
dass er dich nicht lässt
bis zur Ewigkeit,
als des Glaubens Ende.
Deine blut'gen Hände
haben sie bereit't.

Herr, ich bitte dich,
denk im Tod an mich,
ich sei seit der Tauf
schon in deinem Bunde.
Schlägt dann meine Stunde,
lös mich selig auf.


(c) M. Philipp Friedrich Hiller (1699-1769)

Montag, 27. August 2018

Wenn meine letzte Stunde schlägt



Wenn meine letzte Stunde schlägt,
mein Herz hört auf zu schlagen,
wenn man ins stille Grab mich legt
nach all den lauten Tagen:
was wär' ich dann, was hätt' ich dann,
wär' mir die Tür nicht aufgetan
zum sel'gen Himmelreiche?

Wie flieht der eiteln Freuden Schwarm,
wenn sich der Tod lässt schauen!
Sie überlassen, schwach und arm, 
den Menschen seinem Grauen.
Das Blendwerk ird'scher Eitelkeit
verschwindet vor der Wirklichkeit
im Angesicht des Todes.

In unverhüllter Schreckgestalt
tritt vor uns unsre Sünde,
und von den Augen fällt alsbald
der Selbstverleugnung Binde;
wir sind dann ganz auf uns beschränkt,
und alles in und an uns lenkt
den Blick auf unser Elend.

Wenn   d u   dann nicht mein eigen bist
in meiner letzten Stunde,
wenn   d u   dann nicht, Herr Jesus Christ,
mich labst mit froher Kunde,
dass   d u   für den, der an dich glaubt,
dem Tode seine Macht geraubt,
so muss ich ja verzagen.

Nun aber, weil du mein, ich dein,
kann ich getrost entschlafen.
Dein heiliges Verdienst ist mein,
schützt mich vor allen Strafen;
du hast ja meinen Tod gebüßt
und dadurch meinen Tod versüßt
zu einem sel'gen Heimgang.

Drum bei dem letzten Gockenklang
sei du mir, Herr, zur Seite,
und gib mir bei dem Todesgang
dein freundliches Geleite;
damit die letzte Erdennot
nicht eine Krankheit sei zum Tod,
vielmehr zum ew'gen Leben.


(c) Karl Johann Philipp Spitta (1801-1859)

Samstag, 25. August 2018

Wir sind Sieger



Wir dürfen uns selbst niemals erlauben, aufgewühlt und in Unruhe versetzt zu werden, wie auch die Umstände aussehen mögen. Andernfalls bedeutet es einen Mangel an Glauben und Vertrauen zu unserem gütigen Herrn. Gott schenkt uns den Glauben - und dann wird der Glaube angefochten.

1. Petr. 1, 6+7

Danke, Herr, dass du den Glauben schenkst und auch wieder erneuerst, wann immer es nötig ist. Mit dir zusammen, Herr Jesus, sind wir Sieger.

(c) Corrie ten Boom, 1892-1983

Freitag, 24. August 2018

Herr, erquicke uns



Herr Jesu Christe, der du bei deinem Abschied den Deinen die Angst hinterlassen hast, damit sie aus der Angst das Heimweh lernen und in der Angst zu deinem Frieden flüchten, verleihe all denen, die nach dir fragen, dass sie aus der Angst und Not des Lebens und aus der Sorge und Sünde ihrer Lage zu deinem einigen und ewigen Erbarmen eine sichere Zuflucht fassen und nehmen; tröste, wer auf dem Wege betrübt ist, mit deinem Wort, stärke die Unterliegenden, hilf den Geängstigten, heile die Verlassenen und erbarme dich unser in aller Not. Endlich, weil du verheißen hast, dass du mit deinem Sieg all die Deinen willst ewig erquicken, so erquicke uns dereinst mit der Kraft, in der alles dir gehört und alles zu dir will, und lass uns bei dir in sicherem Frieden wohnen.

Amen.


(c) Hermann Bezzel, 1861-1917

Farben, Klänge, Düfte



Unsere Träume verwahre ich
in meinem Herzen.
Wir hatten noch so viel vor. So viel.

Manchmal steigt ein Traum auf
in meine Gedanken
und schmückt sich aus.

Farben, Klänge, Düfte ....
So hätte es sein können,
wenn nicht ...

Der Traum, ein bunter Ballon.
Der Tod, ein spitzer Dorn.
Die Zeit, so schnell vorbei.

Ich will unsere Träume nicht vergessen.
Ich will sie alle mitnehmen,
wenn ich dir nachfolge.
Gott weiß, wann ...

Ich bringe sie mit in den Himmel,
wohin wir sie einst träumten.
Dann sind sie endlich wieder
zuhause.



(c) Bettina Lichtner

Donnerstag, 23. August 2018

Trauerrede "Durch Tod zum Leben"



Augsburg, 5. April 1879

Joh. B. Primus, Privatier u. ehem. Eisenhändler

Durch  Tod zum Leben ! Durch die Tränentale
der Erde, durch das Distelfeld
des Lebens hoch hinauf zum großen Abendmahle,
zur Fröhlichkeit der bessern Welt.

                                                        (Hofegarten)


Das ist der Inhalt meiner Leichenrede an dem Grabe eines Mannes, dem ich nichts Schöneres nachrühmen kann, als dieses: Ihm folgt der Ruf einer unermüdlichen Tätigkeit, die allgemeine Achtung seiner Mitbürger, die treue Liebe seiner Gattin und Verwandten, die Dankbarkeit unzähliger Freunde und nie endendes Andenken im Gebete.

Wenige Worte sollen das Gesagte erläutern. Herr Privater Johann Bapt. Primus war geboren zu Babenhausen am 29. September 1819 als der Sohn des dortigen Fürstlich Fugger'schen Hofrates und kgl. Gerichtsarztes Andreas Primus. Nach Vollendung seiner Vorbereitung widmete er sich der kaufmännischen Laufbahn und gründete 1847 ein selbständiges Geschäft, die in der ganzen Stadt unter der Firma Primus bekannte Eisenwarenhandlung.

Der 6. März 1848, ein in den Annalen Augsburgs für alle, die die aufgeregten Tage des genannten Jahres miterlebt haben, unvergesslicher Tag, war auch für den Verstorbenen ein merkwürdiger, wichtiger Tag, der Anfang einer neuen schönen Zeit, einer 31jährigen glücklichen Ehe. Er vermählte sich mit Fräulein Louise Lacher; ein glücklicher Bund war geknüpft; zwei Seelen, die sich fanden und verstanden, teilten Freud und Leid und waren in allen wichtigen Lebensfragen eins.

Schnell flogen die Jahre dahin: Mühen und Anstrengungen und angegriffene Gesundheit bewogen ihn, 1874 das Geschäft aufzugeben und ins Privatleben zu treten und die übrigen Tage seines Lebens in verdienter Ruhe zuzubringen. Aber wo ist Ruhe auf Erden? Da unten, wo das Herz nicht mehr schlägt !

Im April 1875 hatte er einen Schlaganfall, der sich 1877 zur nämlichen Jahreszeit wiederholte. Am letzten Mittwoch, einem der ersten schönen warmen Frühlingstage, ging er in den Garten hinab, um die milde Frühlingsluft einzuatmen und sich in der frischen gesunden Frühlingsluft zu stärken. Aber auch ihm galten die Worte:

Der Frühling kommt, der Frühling kommt; 
und wenn der Frühling wieder kommt, 
dann bin ich nicht mehr hier;
und wenn die Blumen wieder blüh'n, 
dann blühen sie über mir; 
und wenn der Kuckuck wieder schreit, 
dann bin ich in der Ewigkeit.

Es befiel ihn ein neuer Schlaganfall und er starb schnell und unerwartet nach Empfang der hl. Ölung und gestärkt durch die Segnungen seiner Religion am letzten Mittwoch, den 2. April, abends nach 9 Uhr, sanft und ruhig.

Das ist nun alles, Tod und Verwesung ! Plato, des Sokrates Schüler, der ein besseres Leben nach dem Tode erwartete, sagt schon: "Sterben ist Leben !" Wer sollte den Tod fürchten, dem niemand entrinnen kann und der für den Guten der Anfang eines besseren Lebens ist !

Und der Weise des Alten Testaments sagt von den Gerechten, die sterben: sie scheinen in den Augen der Toren zu sterben, sie sind aber im großen Frieden; und einer der neuesten deutschen Dichter singt:

Durch Tod zum Leben! Durch die Tränentale
der Erde, durch das Distelfeld
des Lebens hoch hinauf zum großen Abendmahle,
zur Fröhlichkeit der bessern Welt !

Nach Arbeit und Anstrengung Ruhe !
Sie ruhen aus von ihren Mühen !
Liebe und Freundschaft folgen nach !
Sie sind unsterblich !
Und die Hoffnung des ewigen Lebens träumt am Grabe !

Und wenn er schnell weggestorben ist, unser Trost bleibt immer: Sein Herz kannte keine Bosheit und wir glauben: er starb als Gottes Kind, in seiner Gnade, und unser Gebet wird nicht leere Phrase sein: Herr, gib ihm die ewige Ruhe !



(aufgezeichnet von Domdekan Franz Permanne, 1902)

Dienstag, 21. August 2018

Bloß ein Übergang



Der Tod ist kein Abschnitt des Daseins, sondern bloß ein Zwischenereignis, ein Übergang aus einer Form des unendlichen Wesens in eine andere.


(Wilhelm von Humboldt, 1767-1835)

Rasch reißt es uns fort




Rasch tritt der Tod den Menschen an,
es ist ihm keine Frist gegeben. 
Es stürzt ihn mitten in der Bahn,
es reißt ihn fort vom vollen Leben;
Bereitet oder nicht zu geh'n,
er muss vor seinem Richter steh'n.


(Schiller, 1759-1805)

Montag, 20. August 2018

Das Unsichtbare ist ewig



In allem werden wir bedrängt, aber nicht in die Enge getrieben,
in Zweifel versetzt, aber nicht in Verzweiflung,
verfolgt, aber nicht verlassen,
zu Boden geworfen, aber nicht vernichtet.

Daher werden wir nicht mutlos, sondern ob auch unser äußerer Mensch zerstört wird, so wird doch unser innerer von Tag zu Tag erneuert. Denn die schnell vorübergehende leichte Last unserer Trübsal schafft uns nach überreichem Maße zu überreichem Ertrag ein ewiges Gewicht an Herrlichkeit, da wir nicht schauen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. 

Denn das Sichtbare ist zeitlich, das Unsichtbare aber ewig.


(2. Korinther 4, 8+9+16-18)

Mütter, ihr tragt Kronen



Jeder Mutter Sehnsucht trägt
einer Glocke Klingen;
wenn der Klöppel festlich schlägt,
muss das Herze schwingen,
muss das Herze schwellend gehn,
jubeln und entsagen,
und bis einst zum Stillestehn
Lieb und Leides tragen.

Rastlos gleitet das Geschick
wie in Silberbächen,
und der nächste Augenblick
kann die Glocke brechen,
kann dem Leben, rau und hart,
schwarze Wolken türmen; -----
aber stolz steht Mutterart
über allen Stürmen.

Mütter, hebt das Dulderhaupt,
und seid stark in Schmerzen !
Was ihr fern gestorben glaubt,
lebt euch fort im Herzen.
Tragt den Blick in lichte Zeit:
Liebe wird euch lohnen,
die ihr stille Helden seid,
Mütter, ihr tragt Kronen !


(c) Gustav Schüler, 1868-1938

Sonntag, 19. August 2018

Nichts geht weiter



"Das Leben geht weiter", haben sie gesagt.
Ich weiß nicht, wessen Leben sie meinten.
Meins jedenfalls nicht.

Mein Leben geht nicht mehr weiter
seit deinem Tod.
Ich gehe auf der Stelle,
ich trete auf der Stelle,
bin wie gelähmt.
Nichts geht weiter,
außer der Uhrzeiger.

Tick. Tack. Tick. Tack.
Die Takte wollen mich mitnehmen,
aber ich kann nicht.
Ich kann ihre Hand nicht ergreifen.
Ich will deine Hand. Deine ...
Nichts geht weiter.

Alles in mir steht still.
Das Lachen hat sich angehalten.
Die Freude steht vor einem STOP-Schild.
Das Glück wartet vor einer roten Ampel.
Alles steht still. 
Ich stehe im Tränenstau.
Nichts geht weiter.

Ich weiß nicht,
ob mein Motor je wieder anspringt.
Ich weiß gar nicht, ob ich es will.
Du warst mein Kraftstoff,
warst mein Antrieb,
mein Gaspedal.
Der Tod hat uns ausgebremst.
Nichts geht weiter.
Nichts.



(c) Bettina Lichtner


Samstag, 18. August 2018

Ich wäre reich



Wenn die Menschen Tränen kaufen würden,
ich wäre reich. Reicher als der reichste Kaiser.
Denn meine Tränen
wollen nicht versiegen.

All die Tränen, die ich um dich vergieße,
sie wollen nicht versiegen.
Nicht gestern.
Nicht heute.
Nicht morgen.
Ich wäre reich.

Ich wollte mich ja zusammenreißen.
Ich hatte es dir geschworen.
Wieder zu lachen.
Aber sie wollen einfach nicht versiegen.
Kämest du doch, sie mir fortzuküssen.
Wie du es immer getan hast.

Es ist keiner mehr da,
der sie mir trocknet.
Die Zeit trocknet sie auch nicht.
Hätte ich sie gesammelt und verkauft,
ich wäre so reich.

Doch, was nützte es mir?
Kein Cent könnte dich mir wiederbringen.
Meine Tränen aber
bringen mich dir nah. Wie sonst nichts.
Ach, dass sie nie versiegen.


(c) Bettina Lichtner

Mittwoch, 15. August 2018

still sein



Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. 
(Psalm 62, 2)


In drei Stufen baut sich das Stillsein auf, eine immer köstlicher als die andere:

Stille    v o r     Gott
Stille    z u       Gott
Stille    i n        Gott

Über jeder dieser drei steht die Mahnung des Apostels: Ringet danach, dass Ihr alle still seid  !! Denn das Stillsein will erkämpft und erbeten sein.

Das wird das erste sein müssen, dass unsere Seele stille   v o r   Gott werde; dass wir unsere Hand auf unseren Mund legen und alles Hadern und Murren in uns zum Schweigen bringen. Denn Gott ist und bleibt der Allmächtige. Er hat die Zügel in seiner Hand. Auch die dunkelsten Nächte werden nicht eine Stunde länger bleiben, als er es haben will, und den Seinen muss auch das Schwerste zum Besten dienen. Darum stille   v o r   Gott !!

Und dann stille   z u   Gott  !! Alle Sehnsucht, alles Verlangen unserer Seele muss auf Ihn eingestellt, alles Denken und Hoffen auf Ihn gerichtet sein. Er lässt uns vielleicht lange warten. Aber noch länger wartet Er auf uns. Denn uns will Er haben, ganz, für immer.

Mit Ihm kommt uns dann unser Höchstes: dass wir stille werden   i n    Ihm. Mögen die Stürme brausen und die Wogen rollen, mag alles um uns her in Unruhe sein --- unsere Seele ist stille in Gott; in Ihm hat sie starken Schutz und sichere Bergung. Wie aus einem festen Unterstand heraus können wir auf den Aufruhr der Elemente schauen.


Was gewesen, werde stille,
stille, was dereinst wird sein.
All mein Wunsch und all mein Wille
gehn in Gottes Willen ein. Amen.


(c) Dr. Paul Conrad (1865-1927)

Montag, 30. Juli 2018

rien de rien



Nein, ich bedauere nichts. Nein, gar nichts.
Weder das Gute, das mir widerfahren ist,
noch das Schlechte, das mir widerfahren ist,
all das ist mir egal.
Nein, gar nichts. Nein, ich bedauere nichts.
Ich habe die Rechnung bezahlt und alles ist vergessen.


(Übersetzung des Liedes "Non, je ne regrette rien. Non, rien de rien ...."; Text: Michel Vaucaire)

was ich war


Liebe bleibt Liebe



Alles was schön ist,
bleibt auch schön,
auch wenn es welkt.
Und unsere Liebe bleibt Liebe,
auch wenn wir sterben.


(Maxim Gorki, 1868-1936)

Freitag, 8. Juni 2018

Aufwärts



Dass es licht im Herzen werde,
wenn du trüb und traurig bist.
Sende nicht den Blick zur Erde,
die ja selber dunkel ist.

Auf zu Gott den Blick erhoben !
Seine Gnade fehlt dir nicht;
doch sein Licht kommt nur von oben,
und sein Trost kommt nur im Licht.



(c) Julius Sturm, 1816-1896

Donnerstag, 7. Juni 2018

Das letzte Stündlein


In einer seltnen Kirche war ich heut',
da sah ich bebend Gottes Herrlichkeit.

Von einer Andachtsstunde komm' ich her.
Mein Leben lang vergeß' ich sie nicht mehr.

Die Kirche war kein hoher Säulendom,
durchwogt vom farbenreichen Menschenstrom.

Zur Andacht rief kein voller Glockenklang,
nicht Orgelton erscholl, noch Chorgesang.

Die Kirche war kein schmucklos Kämmerlein.
Durch trübe Scheiben fiel der Abendschein.

Als betende Gemeinde standen wir
geschart im Kreis zu dreien oder vier.

Ein schlechtgezimmert Bettgestelle war
im engen Kirchlein Kanzel und Altar.

Ein sterbend Mütterlein war Priesterin,
die feierte ihr letztes Stündlein drin.

Seit siebzig Jahren trug sie ihre Last.
Nun kam der Tag der längst ersehnten Rast.

Durch manches Weltgedränge schlug sie sich;
den letzten Kampf nun stritt sie ritterlich.

Sie sprach: "Mein Gott, im Frieden fahr' ich hin,
Christ ist mein Leben, Sterben mein Gewinn."

Dann lag sie da in seligmatter Ruh
und nickte leis noch unsrem Beten zu.

Wir lauschten still dem schweren Atemzug,
dem seltnen Pulse, der schon stockend schlug.

Jetzt kam des Todes ernste Majestät;
wir schauderten, von seinem Hauch umweht.

Sein Schatten traf entstellend ihr Gesicht.
Ihr Mund ward fremd und groß der Augen Licht.

Ein Seufzer noch, ein letzter Herzensstoß.
Nun war 's vollbracht, der bange Geist war los.

Durchs offne Fenster säuselte gelind
gleich Engelsfittichen ein Abendwind.

Ins Stüblein floß der Sonne letzter Glanz.
Da ward ihr Anblick wieder Friede ganz.

Wie Wachs die Stirn, das volle Haar ergraut,
doch lag sie schön wie eine Himmelsbraut.

Ihr Herz gebrochen, ihre Kraft dahin;
doch lag sie stolz wie eine Siegerin.

Wir standen da, vom Preise Gottes voll,
und sprachen leis: Wer so stirbt, der stirbt wohl.

Dann deckten wir ihr Haupt mit Linnen zu
und wünschten ihr die ew'ge Himmelsruh.

Ins Gäßlein stieg ich nieder, heimzugehen.
Da trieb 's die Welt, als wäre nichts geschehen.

Der Nachbar spaltete sein Restlein Holz.
Der Sperling lärmt' im Glanz des Abendgolds.

Die Kinder warfen lustig ihren Ball.
Von ferne rasselte der Räder Schall.

Hier unten ging der laute Strom der Zeit.
Und oben floß die stille Ewigkeit.


(c) Karl von Gerok, 1815-1890

Sonntag, 27. Mai 2018

Bedenkt das Ende



Bedenke, Mensch, die Schattenseiten,
auf die das Leben dich beizeiten
mitunter auch mit aller Härte,
mit Prügelstab und Peitschengerte
und ohne Warnung treibt und zwängt.
Wohl dem, der auch den Tod bedenkt.

Wo Oberflächlichkeiten walten,
kann keine Tiefe sich entfalten.
Das Leben lässt sich erst verstehen,
wenn wir auch auf sein Ende sehen.
Es macht der Blick zur Endlichkeit
das Leben uns zur Blütezeit.

Derweil wir unsre Wünsche küssen,
verharren wir im Ungewissen,
welch Spanne wir bekommen haben,
am Einmaligen uns zu laben
bis zu der uns gesetzten Frist,
die ohne Zweifel sicher ist.

"Mir ist Unsterblichkeit beschieden.",
hört man Verblendete hienieden
mit prahlerischem Stolz verkünden.
Doch, wenn sie sich in Schmerzen winden,
und schon der Tod vor Augen schwebt,
war keine Stunde tief gelebt.

Der Sterblichkeit die Hand zu reichen,
den Tatsachen nicht auszuweichen,
zu wissen, dass wir hier auf Erden
nur kurz und einmal wandern werden,
erst, wenn man sieht und auch versteht,
dass alles Leben auch vergeht,

dann werden wir einander lieben,
statt uns einander zu betrüben.
Wir werden den Moment genießen.
Den anderen die Zeit versüßen.
Viel Gutes tun und dann erfreut
beenden unsre reiche Zeit.



(c) Bettina Lichtner

Samstag, 26. Mai 2018

Der Tod ist kein Tod


Der Tod ist kein Tod, wenn er an uns nichts zerstört als das, was uns vom Leben der Vollkommenheit ausschließt.

Der Tod ist kein Tod, wenn er uns in einem Augenblick aus der Finsternis ins das Licht versetzt, aus der Schwachheit in die Kraft, aus der Sündhaftigkeit in die Heiligkeit.

Der Tod ist kein Tod, wenn er uns näher zu Christo bringt, der die Quelle alles Lebens ist, wenn er unseren Glauben in Schauen umwandelt, und wir  D E N  sehen dürfen, an den wir glauben.

Der Tod ist kein Tod, wenn er uns denen wiedergibt, die wir geliebt und verloren haben, für die wir gelebt, für die ferner zu leben unser Sehnen ist.

Der Tod ist kein Tod, wenn er das Kind mit der Mutter vereint, die ihm vorangegangen.

Der Tod ist kein Tod, wenn er von der Mutter für immer alle Mutterängste und -sorgen nimmt, und lässt sie in dem Gnadenantlitz ihres Heilands die Bürgschaft finden, dass, die sie zurücklassen musste, sicher geborgen sind, geborgen mit Christo vor allen Zufälligkeiten und Gefahren dieses vergänglichen Lebens.

Der Tod ist kein Tod, wenn er uns befreit von Zweifel und Furcht, Zufall und Wechsel, Raum und Zeit und allem, was Raum und Zeit hervorbringen und zerstören.

Ja, der Tod ist kein Tod; denn Christus hat dem Tode die Macht genommen für sich selbst und für die, welche Ihm vertrauen.


(c) Charles Kingsley, 1819-1875


Freitag, 25. Mai 2018

Saat und Ernte


Nur das, was ihr im Geist gesät,
wird gute Früchte tragen,
wenn eure Asche längst verweht,
noch tiefe Wurzeln schlagen.

Und könnt ihr selbst auch nimmermehr
die Lotusblüten pflücken,
wird sich in ew'ger Wiederkehr
die Nachwelt danach bücken.


(c) Elsbeth Ebertin, 1880-1944

Donnerstag, 24. Mai 2018

Es ist ein Beben




Der Friedhof lebt an allen Enden.
Ein Narr, der nicht das Leben sieht,
das da mit übervollen Händen
von Gräbern uns entgegen blüht.

Nicht sind 's nur einfache Gewächse.

Nicht ist 's die mannigfache Zier.
Es ist das Ganze, das Komplexe.
Ein Paradies mit offner Tür.

Dort schwirren tausendfach Insekten,

dort singen Vögel laut heraus.
Dort, wo die Tränen bitter schmeckten,
flicht süß das Leben seinen Strauß.

Es tanzen Falter um die Wette,

es bricht die Sonne ihre Bahn.
Hier an des Menschen letzte Stätte
hat sich das Leben aufgetan.

Es kriecht und fleucht in steter Weise.

Wer wollt' sich fürchten vor dem Tod?
Im Wipfel singt die kleine Meise
das Lied vom schönen Abendrot.

Und wie ich wandre durch die Reihen,

da ist mir gar so wundersam,
gleich wie ein inneres Befreien
von einem festgezurrten Gram.

Der Friedhof lebt. Es ist ein Beben

gleich hinterm tristen Schleiersaum.
Dort küssen Abschied sich und Leben
und unterscheiden sich ja kaum.


(c) Bettina Lichtner

wachsam & achtsam



Hänge nicht der Vergangenheit nach.
Setze nicht auf die Zukunft.
Die Vergangenheit ist vorbei.
Die Zukunft steht noch aus.
Die Gelassenheit und Freiheit
gründet in der Gegenwart,
die man mehr und mehr begreift.

Wir müssen heute wachsam sein.
Morgen kann es schon zu spät sein.
Der Tod kommt unangemeldet
und lässt nicht mit sich handeln.
Tag und Nacht
achtsam zu sein, das heißt
für den Weisen
"allein und richtig zu leben".


(nach dem Bhaddekaratta Sutta)

Mittwoch, 23. Mai 2018

Die Bilanz




Nehmen wir uns einen aus dem Kreis der Älteren vor:

"Du bist, wie wir sehen, an die äußerste Grenze des Menschenlebens gekommen: Hundert Jahre oder gar noch mehr hast du auf dem Buckel. Auf, zieh jetzt die Bilanz deines Lebens. Rechne aus, wie viel von dieser Zeit dich dein Gläubiger gekostet hat, wie viel die Geliebte, dein Vorgesetzter, dein Klient dir entzogen hat, wie viel die Streitereien mit der Gattin, die Bestrafung der Sklaven und wie viel dein geschäftiges Herumrennen in der Stadt. Nimm noch die Krankheiten hinzu, die wir uns selbst eingebrockt haben, und was ungenutzt brach liegen blieb - du wirst sehen, die Rechnung ergibt: Du hattest weniger Jahre als dein Lebensalter ergibt. Ruf dir ins Gedächtnis zurück, wann du bei einem Entschluss fest geblieben bist, wie wenige Tage so verlaufen sind, wie du es dir vorgenommen hattest, wann du überhaupt zu dir selbst gekommen bist, wann du einen ungekünstelten Gesichtsausdruck hattest, wann du innerlich ohne Aufregung warst, was du in einer so langen Lebenszeit geleistet hast, wie viele andere Menschen dein Leben ausgeräubert haben, ohne dass du merktest, was du eingebüßt hast, wie teuer dich grundloser Kummer zu stehen kam, törichte Freude, gierige Leidenschaft, schmeichlerische Unterhaltung, wie wenig dir von deiner Zeit geblieben ist. Du wirst einsehen müssen, dass du unreif stirbst.

Was ist nun aber schuld daran? Ihr lebt so, als lebtet ihr ewig; niemals kommt euch eure Hinfälligkeit in den Sinn, nie achtet ihr darauf, wie viel Zeit schon vergangen ist. Als ob ihr sie in Fülle und im Übermaß hättet, verschwendet ihr sie. Dabei ist doch vielleicht gerade der Tag, den ihr für irgendeinen Menschen oder irgendeine Sache dahinschenkt, der letzte Tag. Alles fürchtet ihr wie Sterbliche, alles wollt ihr aber haben wie Unsterbliche. Von sehr vielen wirst du hören können: 'Von meinem fünfzigsten Lebensjahr an will ich mich ins Privatleben zurückziehen, das sechzigste wird mich von allen Verpflichtungen entbinden.'

Doch wer bürgt dir schließlich dafür, dass du so lange lebst? Wer wird es gestatten, dass alles so verläuft, wie du es dir einteilst? Schämst du dich nicht, nur die kümmerlichen Reste deines Lebens für dich zu behalten und für sinnvolle geistige Beschäftigung nur die Zeit zu bestimmen, die für kein anderes Geschäft mehr taugt? Es ist doch reichlich spät, erst dann mit dem Leben zu beginnen, wenn man es schon bald beenden muss. Und wie unvernünftig ist es, seine Sterblichkeit so weit zu vergessen, dass man gute Vorsätze auf das fünfzigste und sechzigste Lebensjahr verschiebt und erst in einem Alter zu leben beginnen will, das nur wenige erreichen!"


(c) Seneca, 4 v. Chr.  - 65 n. Chr. 

Dienstag, 22. Mai 2018

Ich möchte dich wieder lachen hören ...


(...) Ich erstarrte wieder vor Angst, ihn für immer zu verlieren. Und mir wurde bewusst, dass ich die Vorstellung nicht ertragen konnte, nie wieder dieses Lachen zu hören. Es war für mich wie eine Quelle in der Wüste. 

"Kleiner Mann, ich möchte dich weiter lachen hören ..."

Doch er sagte:

"... Du wirst nachts die Sterne betrachten. Mein Zuhause ist zu klein, als dass ich es dir zeigen könnte, wo mein Stern sich befindet. Umso besser. So kann jeder Stern für dich der meine sein. Also wirst du alle Sterne gern betrachten ... Sie werden alle deine Freunde sein. Wenn du nachts den Himmel betrachtest, wird es für dich sein, als würden alle Sterne lachen, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können. Und wenn du dich getröstet hast (man tröstet sich immer), wirst du froh sein, dass du meine Bekanntschaft gemacht hast. Du wirst immer mein Freund sein. Du wirst mit mir lachen wollen. Und manchmal wirst du dein Fenster öffnen, einfach so zum Spaß. Und deine Freunde werden sich sehr wundern, dich lachen zu sehen, während du den Himmel betrachtest. Dann sagst du zu ihnen: 'Ja, die Sterne bringen mich immer zum Lachen!' Und sie werden dich für verrückt erklären ..... Heute Nacht werde ich aussehen, als wäre ich tot, obwohl es nicht stimmt. Ich kann diesen Körper nicht mitnehmen. Er ist zu schwer. Er wird aussehen wie eine alte, abgelegte Hülle. Alte Hüllen sind nichts Trauriges ..."



(Auszüge aus "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry, 1900-1944)

Freitag, 18. Mai 2018

Der Tote


Mir starb ein Freund und überschritt die Brücken,
auf denen alle Spuren heimwärts gehen
und keiner stehen bleibt, sich umzusehen,
und uns noch einmal freundlich zuzunicken.

Und er ging nicht allein - wie alle Toten.
Mir starb sein Haus, die Stadt, darin er wohnte.
Ein Wort, das gern im Scherz er falsch betonte,
das sind nun alles stumm geword'ne Boten.

Ich mag an manchen Tisch mich nicht mehr setzen,
weil seine Augen drüberher mir fehlen.
Und oftmals stock' ich mitten m Erzählen
vor einem seiner Worte mit Entsetzen.

Und denke schaudernd: wie soll das nur enden,
wenn ich erst ganz vereinsamt bin auf Erden
und alle Dinge feierlich mir werden,
weil alle angerührt von Totenhänden ....


(c) Börries von Münchhausen, 1874-1945

Donnerstag, 17. Mai 2018

Ohne-Dich-Land


Ich tanz' mit den Schmerzen und bade im Leid.
Die Trauer ist allzeit mein inneres Kleid.
Und dennoch reicht 's Leben mir scheu seine Hand
und wagt eine Reise ins Ohne-Dich-Land.

Wie scheint mir am Anfang doch alles so trist.
Ich spüre, dass zärtlich die Freude mich küsst.
Sie führt mich behutsam hinaus aus der Nacht,
und weiß um die innere bittere Schlacht.

Ich will 's ja probieren. Ach, wenn ich 's doch könnt' ...
Welch einsames Leben vom Liebsten getrennt.
Oh, grausame Stunde, warum, ach warum ...
Ich will nicht mehr weiter, drum drehe ich um.

Die Welt will mich zwingen, vergesslich zu sein.
Was ahnt schon die Welt von dem inneren Stein,
des Schwere mich langsam und schleichend erdrückt,
und tiefer und tiefer ins Elend mich schickt?!?

Das Leben bleibt standhaft. Es gibt keine Ruh'.
Es nimmt meine Hand, und es schnürt meine Schuh',
und lernt mit mir laufen, als sei ich ein Kind,
des Füße noch wackelig, unsicher sind.

Es braucht wohl Geduld bis das Leben mir schmeckt.
Das Ohne-Dich-Land hab' ich mühsam entdeckt.
Dort muss ich nun leben, so ganz ohne dich.
Das Ohne-Dich-Land ist ein Kerker für mich.


(c) Bettina Lichtner

Gebete beim Tod der Eltern



Gebet beim Tod des Vaters

Ewiger, liebreicher Gott. Ein Licht ist bei uns erloschen. Was danken wir alles unserem geliebten Vater. Sein guter Rat, seine treuen Worte, seine Wärme, wie fehlen sie uns. Aber Du bist ja bei uns in unserer Einsamkeit. Du bist auch bei ihm, wie Du bei ihm warst, solange er noch hier mit Dir redete. Deine Liebe hört nicht auf. Sie geht über Tod und Grab hinaus. Lass unseren Entschlafenen uns im Geiste nahe sein. Bleibe Du selbst unser Vater, jetzt erst recht. So sind wir in aller Armut doch reich, denn wir haben ja Dich, der du das Leben bist und uns durch unseren Herrn Jesum Christum zum Leben führen willst. Amen.

Gebet beim Tod der Mutter

Du unser Vater. Nun hat auch dieses Herz zu schlagen aufgehört. Du weißt, was unsere liebe Mutter uns gewesen ist von Kindheit an, wie sie für uns gesorgt, uns vergeben, für uns gebetet hat. Aber wir geben sie nicht verloren, sondern wir geben sie Dir. Sie bleibt unser, wie sie Dein bleibt. Du wirst sie nun weiter wirken lassen in Deiner unendlichen Welt an neuem Platz, in neuer Weise und doch mit uns verbunden. Sie ist am Ziel; wir sind noch auf dem Wege. Sie hat überwunden; wir stehen noch im Kampf. Lass uns mit ihr teilhaben an Deinem Reich. Amen.


(c) Heinrich Riedel, Theologe (1903-1989)

Freitag, 4. Mai 2018

So nimm sie hin ...



"Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die Du mir gegeben hast." (Joh. 17, 24)


Tod, warum rührst du den Baum an, unter dessen weit schattenden Zweigen der Müde Ruhe findet? Warum raubst du die Trefflichen dieser Erde, an welchen wir unsre höchste Wonne haben? Wenn du deine Axt gebrauchen willst, so versuche sie an den Bäumen, die keine Frucht geben, so wirst du dir Dank verdienen. Warum aber schlägst du die herrlichen Zedern auf Libanon? Ach, halte inne mit deinen Schlägen und verschone die Gerechten. Aber nein, es darf nicht sein; der Tod trifft mit unwiderstehlicher Kraft die holdseligsten unter unsren Freunden; die Großmütigsten, die Gottesfürchtigsten, die Geheiligsten, die Gesalbtesten müssen sterben. Und warum? Weil der Herr Jesus in seinem hohepriesterlichen Gebet gefleht hat: "Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die Du mir gegeben hast." Das ist es, was sie auf Adlers Flügeln gen Himmel trägt. Immer und immer wieder steigt ein Kind des Glaubens von dieser Erde zum Paradies empor; es ist eine Erhörung des Gebets unsres Heilandes. Ein trefflicher alter Gottesmann sagt: "Manchmal arbeiten Jesus und die Seinen einander im Gebet entgegen. Ihr beugt eure Knie im Gebet und sprecht: 'Vater, ich will, dass, wo ich bin, Deine Heiligen bei mir seien.' Christus spricht: 'Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die Du mir gegeben hast.' So streitet die Absicht des Jüngers mit derjenigen seines Herrn. Die Seele kann nicht an beiden Orten zugleich sein; der Geliebte kann nicht zugleich bei Christo und auch bei euch sein. Nun, welche von beiden Bitten wird wohl den Sieg davon tragen? Wenn du wählen dürftest; wenn der König von seinem Throne herabstiege und sagte: "Hier sind zwei Bittsteller, deren Anliegen einander zuwiderlaufen, welchem soll ich seine Bitte gewähren?" O, ich bin gewiss, wenn es dich auch einen schweren Kampf kostete, so würdest du doch von deinen Knien aufstehen und sagen: "Herr Jesu, nicht mein Wille, sondern der Deine geschehe." Du würdest deine Bitte um das Leben deines Geliebten dahingehen, wenn du die Gewissheit hättest, dass Christi Gebet es anders will: "Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die Du mir gegeben hast." Herr, so nimm sie hin zu Dir.


(c) Charles Haddon Spurgeon, 1834-1892

Sonntag, 29. April 2018

Lebensfahrt




Über den Mond zog
ein silbernes Wölklein.
Tauchte auf,
tauchte nieder in Nacht,
und zieht einsam
mit lastender Fracht
über schweigende Himmel
wohin ---------- ?


(c) Walter Flex, 1887-1917

Kurze Stunden



So ist 's. Die Totenuhr wird niemals wandelbar.
Der Zeiger irret nicht, ihr Rad geht schnell und richtig.
Sie macht so Zeit als Mensch durch kurze Stunden flüchtig,
und stellt die Eitelkeit in ihrer Unruh dar.

Ihr tauber Glockenschlag ruft die Gewalt vom Throne,
den Degen aus der Schlacht, die Feder aus der Hand:
es geht fast in der Welt wie in Ägyptenland:
man findet nicht ein Haus, in dem kein Toter wohne.


(c) Johann Christian Günther, 1695-1723