Montag, 27. August 2018

Wenn meine letzte Stunde schlägt



Wenn meine letzte Stunde schlägt,
mein Herz hört auf zu schlagen,
wenn man ins stille Grab mich legt
nach all den lauten Tagen:
was wär' ich dann, was hätt' ich dann,
wär' mir die Tür nicht aufgetan
zum sel'gen Himmelreiche?

Wie flieht der eiteln Freuden Schwarm,
wenn sich der Tod lässt schauen!
Sie überlassen, schwach und arm, 
den Menschen seinem Grauen.
Das Blendwerk ird'scher Eitelkeit
verschwindet vor der Wirklichkeit
im Angesicht des Todes.

In unverhüllter Schreckgestalt
tritt vor uns unsre Sünde,
und von den Augen fällt alsbald
der Selbstverleugnung Binde;
wir sind dann ganz auf uns beschränkt,
und alles in und an uns lenkt
den Blick auf unser Elend.

Wenn   d u   dann nicht mein eigen bist
in meiner letzten Stunde,
wenn   d u   dann nicht, Herr Jesus Christ,
mich labst mit froher Kunde,
dass   d u   für den, der an dich glaubt,
dem Tode seine Macht geraubt,
so muss ich ja verzagen.

Nun aber, weil du mein, ich dein,
kann ich getrost entschlafen.
Dein heiliges Verdienst ist mein,
schützt mich vor allen Strafen;
du hast ja meinen Tod gebüßt
und dadurch meinen Tod versüßt
zu einem sel'gen Heimgang.

Drum bei dem letzten Gockenklang
sei du mir, Herr, zur Seite,
und gib mir bei dem Todesgang
dein freundliches Geleite;
damit die letzte Erdennot
nicht eine Krankheit sei zum Tod,
vielmehr zum ew'gen Leben.


(c) Karl Johann Philipp Spitta (1801-1859)