Donnerstag, 23. August 2018

Trauerrede "Durch Tod zum Leben"



Augsburg, 5. April 1879

Joh. B. Primus, Privatier u. ehem. Eisenhändler

Durch  Tod zum Leben ! Durch die Tränentale
der Erde, durch das Distelfeld
des Lebens hoch hinauf zum großen Abendmahle,
zur Fröhlichkeit der bessern Welt.

                                                        (Hofegarten)


Das ist der Inhalt meiner Leichenrede an dem Grabe eines Mannes, dem ich nichts Schöneres nachrühmen kann, als dieses: Ihm folgt der Ruf einer unermüdlichen Tätigkeit, die allgemeine Achtung seiner Mitbürger, die treue Liebe seiner Gattin und Verwandten, die Dankbarkeit unzähliger Freunde und nie endendes Andenken im Gebete.

Wenige Worte sollen das Gesagte erläutern. Herr Privater Johann Bapt. Primus war geboren zu Babenhausen am 29. September 1819 als der Sohn des dortigen Fürstlich Fugger'schen Hofrates und kgl. Gerichtsarztes Andreas Primus. Nach Vollendung seiner Vorbereitung widmete er sich der kaufmännischen Laufbahn und gründete 1847 ein selbständiges Geschäft, die in der ganzen Stadt unter der Firma Primus bekannte Eisenwarenhandlung.

Der 6. März 1848, ein in den Annalen Augsburgs für alle, die die aufgeregten Tage des genannten Jahres miterlebt haben, unvergesslicher Tag, war auch für den Verstorbenen ein merkwürdiger, wichtiger Tag, der Anfang einer neuen schönen Zeit, einer 31jährigen glücklichen Ehe. Er vermählte sich mit Fräulein Louise Lacher; ein glücklicher Bund war geknüpft; zwei Seelen, die sich fanden und verstanden, teilten Freud und Leid und waren in allen wichtigen Lebensfragen eins.

Schnell flogen die Jahre dahin: Mühen und Anstrengungen und angegriffene Gesundheit bewogen ihn, 1874 das Geschäft aufzugeben und ins Privatleben zu treten und die übrigen Tage seines Lebens in verdienter Ruhe zuzubringen. Aber wo ist Ruhe auf Erden? Da unten, wo das Herz nicht mehr schlägt !

Im April 1875 hatte er einen Schlaganfall, der sich 1877 zur nämlichen Jahreszeit wiederholte. Am letzten Mittwoch, einem der ersten schönen warmen Frühlingstage, ging er in den Garten hinab, um die milde Frühlingsluft einzuatmen und sich in der frischen gesunden Frühlingsluft zu stärken. Aber auch ihm galten die Worte:

Der Frühling kommt, der Frühling kommt; 
und wenn der Frühling wieder kommt, 
dann bin ich nicht mehr hier;
und wenn die Blumen wieder blüh'n, 
dann blühen sie über mir; 
und wenn der Kuckuck wieder schreit, 
dann bin ich in der Ewigkeit.

Es befiel ihn ein neuer Schlaganfall und er starb schnell und unerwartet nach Empfang der hl. Ölung und gestärkt durch die Segnungen seiner Religion am letzten Mittwoch, den 2. April, abends nach 9 Uhr, sanft und ruhig.

Das ist nun alles, Tod und Verwesung ! Plato, des Sokrates Schüler, der ein besseres Leben nach dem Tode erwartete, sagt schon: "Sterben ist Leben !" Wer sollte den Tod fürchten, dem niemand entrinnen kann und der für den Guten der Anfang eines besseren Lebens ist !

Und der Weise des Alten Testaments sagt von den Gerechten, die sterben: sie scheinen in den Augen der Toren zu sterben, sie sind aber im großen Frieden; und einer der neuesten deutschen Dichter singt:

Durch Tod zum Leben! Durch die Tränentale
der Erde, durch das Distelfeld
des Lebens hoch hinauf zum großen Abendmahle,
zur Fröhlichkeit der bessern Welt !

Nach Arbeit und Anstrengung Ruhe !
Sie ruhen aus von ihren Mühen !
Liebe und Freundschaft folgen nach !
Sie sind unsterblich !
Und die Hoffnung des ewigen Lebens träumt am Grabe !

Und wenn er schnell weggestorben ist, unser Trost bleibt immer: Sein Herz kannte keine Bosheit und wir glauben: er starb als Gottes Kind, in seiner Gnade, und unser Gebet wird nicht leere Phrase sein: Herr, gib ihm die ewige Ruhe !



(aufgezeichnet von Domdekan Franz Permanne, 1902)