Sonntag, 12. Oktober 2025

Ich hab von ferne ...

 


Ich hab von ferne,

Herr, deinen Thron erblickt

und hätte gerne

mein Herz vorausgeschickt,

und hätte gern mein müdes Leben

Schöpfer der Geister, dir hingegeben.


Das war so prächtig,

was ich im Geist gesehn;

du bist allmächtig,

drum ist dein Licht so schön.

Könnt' ich an diesen hellen Thronen

doch schon von heute an ewig wohnen!


Nur ich bin sündig,

der Erde noch geneigt;

das hat mir bündig

dein heilger Geist gezeigt.

Ich bin noch nicht genug gereinigt,

noch nicht ganz innig mit dir vereinigt.


Doch bin ich fröhlich,

dass mich kein Bann erschreckt;

ich bin schon selig,

seitdem ich das entdeckt.

Ich will mich noch im Leiden üben

und dich zeitlebens inbrünstig lieben.


Ich bin zufrieden,

dass ich die Stadt gesehn,

und ohn' Ermüden

will ich ihr näher gehn,

und ihre hellen goldnen Gassen

lebenslang nicht aus den Augen lassen.



(c) Johann Timotheus Hermes (1738-1821)


Freitag, 10. Oktober 2025

Wenn das Licht erlischt


 

Wenn das Licht erlischt so plötzlich, unerwartet,

das eben noch im Raume freundlich um uns schien,

stehn wir erblindet da, erschüttert, tief umnachtet,

und fühlen keine Hand, die führet uns dorthin,

wo noch ein lichter Strahl die Dunkelheit durchdringt

und den erstarrten Sinnen neues Leben bringt.


Ich meine jenes Licht, das Licht der lieben Augen,

das unsres Lebens Glück, das unsre Sonne war;

wir stehn gebeugt am Grab, kein Trostwort will uns taugen,

und wissen unsre Welt nun aller Hoffnung bar.

Der Glaube ist 's allein, der Gottes Liebe sieht,

auch dann, wenn er der Allmacht Walten nicht versteht.


Wenn das Licht erlischt, das selbst wir sind auf Erden,

ob noch so klein, ja dennoch Licht und Geist von Gott,

dann wird vom Bann befreit das dunkle Auge werden,

der Seele Seligkeit besiegt des Leibes Tod;

das Licht, das nie erlischt, erweckt die toten Lider;

verklärt in ew'gem Glanz, sehn wir die Toten wieder.



(c) August von Nordheim (1813-1884)

Donnerstag, 9. Oktober 2025

Die Sonne ist gesunken


 

Ihr Trauernden, lernt zu sagen: "Ich will den Kelch des Herrn trinken." 

Auch euch ist die Sonne gesunken, nicht die Sonne des irdischen Lebens wie dem Entschlafenen, aber die Sonne alles Glückes an diesem Sarge, und dunkle Nacht des Schmerzes hüllt eure Zukunft ein. Aber schauet: neue Sterne werden euch aufgehen, Sterne der Verheißung, des Glaubens und seliger Hoffnung. Einer unserer größten Dichter, Johann Gottfried Herder, sagt: 

"Es ist ein wohltätiger Schleier, der diese und jene Welt absondert, und nicht ohne Ursache ist 's so still und so stumm um das Grab der Toten. Wahrscheinlich würden wir uns selbst verachten, wenn wir die edleren Wesen kennten. Der Mensch soll in seinen künftigen Zustand nicht hineinschauen, sondern sich hineinglauben." 

Der aber, welcher größer ist als alle, die von der Erde sind, und der allein dem Tode die Macht genommen und unvergängliches Leben ans Licht gebracht hat; der da spricht: "Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe.", der spricht zu euch, ihr Trauernden:

"Kommt her, ihr Mühseligen und Beladenen, ich will euch erquicken ... Bei mir sollt ihr Ruhe finden für eure Seelen."

Amen.



(c) Eugen Borgius (1883-1908)


Mittwoch, 8. Oktober 2025

Bleib mir treu

 


Schau hinauf, schau hinauf, vielleicht kannst du mich ja sehn,

vielleicht kannst du mich erkennen in den ewiglichen Höhn,

ob ich aus der Sonne strahle

oder Sternenbilder male ---

schau hinauf, schauf hinauf in die Höhn.


Ich bin da, wenn du willst, es liegt ganz in deiner Hand,

lass mich leben in Gedanken, lad' mich ins geträumte Land,

schmück' im Herzen mir ein Zimmer,

dann verlasse ich dich nimmer,

ich bin da, lad' mich ins Seelenland.


Ach, so sei nicht betrübt, deine Tränen tun mir weh.

Ich käm' gern zu dir geflogen, wenn ich dich so weinen seh'.

Bist du traurig, sollst du lachen

und was Irrwitziges machen,

dass ich nicht so betrübt dich mehr seh'.


Geh zum Grab hin und pflanz' dort den Rosenstrauch für mich,

den im Leben ich so liebte, und dann tröste er auch dich,

lass ihn seinen Duft versprühen,

lass ihn wachsen, lass ihn blühen,

geh zum Grab und pflanz' Rosen für mich.


Und gehst du dann nach Haus, und das Haus erscheint dir leer,

ei, so koch dir einen Tee und hol die Fotoalben her,

sieh, dort lach' ich dir entgegen

von den alten Lebenswegen,

und schon scheint dieses Haus nicht mehr leer.


Bleib mir treu, du mein Lieb', und vergiss mich nie und nicht,

und verliebst du dich einst wieder in ein andres Angesicht,

so bewahr' auch mich im Herzen

zwischen all den hellen Kerzen,

bleib mir treu und vergiss mich nur nicht ....



(c) Bettina Lichtner

Wie das Abendrot


 

Ich möchte hingehn wie das Abendrot

und wie der Tag in seinen letzten Gluten ---

o leichter, sanfter, ungefühlter Tod ! ---

mich in den Schoß des Ewigen verbluten.


Ich möchte hingehn wie der heitre Stern,

im vollsten Glanz, in ungeschwächtem Blinken;

so stille und so schmerzlos möchte gern

ich in des Himmels blaue Tiefen sinken.


Ich möchte hingehn wie der Blume Duft,

der freudig sich dem schönen Kelch entringet

und auf dem Fittich blütenschwangrer Luft

als Weihrauch auf des Herren Altar schwinget.


Ich möchte hingehn wie der Tau im Tal,

wenn durstig ihm des Morgens Feuer winken;

o wollte Gott, wie ihn der Sonnenstrahl,

auch meine lebensmüde Seele trinken.


Ich möchte hingehn wie der bange Ton,

der aus den Saiten einer Harfe dringet,

und, kaum dem irdischen Metall entflohn,

ein Wohllaut in des Schöpfers Brust erklinget.


Du wirst nicht hingehn wie das Abendrot,

du wirst nicht stille wie der Stern versinken,

du stirbst nicht einer Blume leichten Tod,

kein Morgenstrahl wird deine Seele trinken.


Wohl wirst du hingehn, hingehn ohne Spur,

doch wird das Elend deine Kraft erst schwächen,

sanft stirbt es einzig sich in der Natur,

das arme Menschenherz muss stückweis brechen.



(c) Georg Herwegh (1817-1875)

Dienstag, 7. Oktober 2025

Nur zu schade ...

 



Auf dem Grabe steht ein Maulwurfsvertreiber,

und er surrt den ganzen Tag, und er surrt die ganze Nacht,

doch der Maulwurf indes besucht die Leiber,

die der Tod ihm in die Unterwelt gebracht.


Und er nennt sie allesamten seine Freunde,

ist mit einigen per Sie, und mit anderen per Du.

Und in dieser unterirdischen Gemeinde

pfeift ein jeder auf die süße Friedhofsruh.


Und man trifft sich gern zum Tanze der Skelette,

und der Maulwurf macht Musik, dass die ganze Erde bebt.

Alle kommen sie dann aus dem Eichholz-Bette,

manche haben es schon hundertmal erlebt.


Ihre knöcherigen Hände eng umschlungen,

eins, zwei, drei im Walzertakt, und ein Tango obendrauf.

Und wie haben sie aus leichter Brust gesungen,

ihre Fröhlichkeit, die hörte nimmer auf.


"Tod, ach Tod, du hast uns lebenslang verschwiegen,

dass dein Reich so lustig ist, und die Freude ewig währt.

Auferstanden! Wer 's nicht mag, der bleibe liegen!

Nur zu schade, dass man 's oben nie erfährt."



(c) Bettina Lichtner


Montag, 6. Oktober 2025

Wenn du die letzten Gedanken denkst ...


 

Wenn du die letzten Gedanken denkst,

sollst du darein mich schließen,

wenn du die Seele von hinnen lenkst,

will ich dich sterbend grüßen.


Und schliefst du ein Jahrtausend lang

wohl unter Staub und Steine,

mein süßes Lieb', sei mir nicht bang,

du schlummerst nicht alleine.


Und flögst du durch die Himmel weit

mit leichtbeschwingten Füßen,

ich komme, um in seliger Zeit

dich immer wieder zu grüßen.


Ich vergesse dich nicht,

ich lasse dich nicht,

mein bist du in Engen und Weiten!

Dein Auge grüßt mich noch im Licht

der fernsten Ewigkeiten.



(c) Max Haushofer jr. (1840-1907)

Der alte Landmann an seinen Sohn


 

Üb' immer Treu und Redlichkeit

bis an dein kühles Grab,

und weiche keinen Finger breit

von Gottes Wegen ab!

Dann wirst du wie auf grünen Au'n

durchs Pilgerleben geh'n,

dann kannst du sonder Furcht und Grau'n

dem Tod ins Auge seh'n.


Dann wird die Sichel und der Pflug

in deiner Hand so leicht;

dann singest du beim Wasserkrug,

als wär' dir Wein gereicht.

Dem Bösewicht wird alles schwer,

er tue, was er tu;

der Teufel treibt ihn hin und her

und lässt ihm keine Ruh'.


Der schöne Frühling lacht ihm nicht,

ihm lacht kein Ährenfeld;

er ist auf Lug und Trug erpicht

und wünscht sich nichts als Geld.

Der Wind im Hain, das Laub am Baum

saust ihm Entsetzen zu;

er findet nach des Lebens Traum

im Grabe keine Ruh'.


Dann muss er in der Geisterstund'

aus seinem Grabe geh'n

und oft als schwarzer Kettenhund

vor seiner Haustür steh'n.

Die Spinnerinnen, die, das Rad

im Arm, nach Hause geh'n,

erzittern wie ein Espenblatt,

wenn sie ihn liegen seh'n.


Und jede Spinnestube spricht

von diesem Abenteu'r.

Und wünscht den toten Bösewicht

ins tiefste Höllenfeu'r.

Der alte Kunz war bis ans Grab

ein rechter Höllenbrand;

er pflügte seinem Nachbar ab

und stahl ihm vieles Land.


Nun pflügt er als ein Feuermann

auf seines Nachbars Flur

und misst das Feld hinab hinan

mit einer glüh'nden Schnur.

Er brennet wie ein Schober Stroh

dem güldnen Pfluge nach

und pflügt und brennet lichterloh

bis an den hellen Tag.


Der Amtmann, der im Weine floss,

der Bauern schlug halb krumm,

trabt nun auf einem glüh'nden Ross

in jenem Wald herum.

Der Pfarrer, der aufs Tanzen schalt

und Filz und Wuchrer war,

steht nun als schwarze Spukgestalt

am nächtlichen Altar.


Üb immer Treu und Redlichkeit

bis an dein kühles Grab,

und weiche keinen Finger breit

von Gottes Wegen ab!

Dann suchen Enkel deine Gruft

und weinen Tränen drauf,

und Sommerblumen, voll von Duft,

blüh'n aus den Tränen auf.



(c) Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748-1776)


Sonntag, 5. Oktober 2025

Wer du warst und wer du bist


 

Beim Graben einer Grube sah

ein Totenkopf den andern liegen

und rief: "Wer bist du, der so nah

sich darf zu meiner Gruft verfügen?"


"Ich war", sprach er, "ein Ruderknecht,

aß schwarzes Brot, trank aus den Flüssen,

schlief auf der Erde, lebte schlecht,

an Schuh und Kleidern abgerissen,

bis der gewünschte Tod mich fand,

den ich oft inniglich begehret,

der hat mich aus dem Joch gespannt

und mir die Freiheit nun gewähret."


"Gemeiner Kerl! Hinweg von mir!",

schrie ihm der andre Kopf entgegen,

"Nichtswürdiger! Was willst du hier?

Dein Zuspruch ist mir ungelegen.

Entweich' und lass mich stracks in Ruh',

ich bin ein andrer Mann als du.

Ich bin mit Königen verwandt

und nicht aus Pöbelblut entsprossen.

Ich trage Stern und Ordensband,

ich fahr' in prächtigen Karossen,

ich streue Tonnen Geldes aus,

im Keller hab' ich Fässer Wein

aus Ungarn, Welschland und vom Rhein,

auf meiner Tafel sechzehn Essen."


"Ich bin --- ich hab' ---- ach, armer Mann,

ich war, ich hatte, musst du sagen!",

hub hier der Sklavenschädel an.

"Du hast ja nichts mit hergetragen.

Ich seh nicht Stern, nicht Ordensband

für deinen königlichen Stand,

ich seh nicht deine Fässer Wein

aus Ungarn, Welschland und vom Rhein,

ich seh nicht deine Tonnen Geld,

noch deine prächtigen Karossen;

was du besessen und genossen,

blieb alles auf der Oberwelt.

Dort oben war ein Unterschied;

hier sind wir gleicher Herrlichkeit,

hier gleicht dein Schädel jedem Schädel.

Schön sieht wie hässlich, arm wie reich,

dumm sieht wie klug aus, schlecht wie edel,

der Tod macht Hack' und Zepter gleich."



(deutsches Volkslied, Verfasser unbekannt)

3fach


 


Dreifach ist der Schritt der Zeit:

Zögernd kommt die Zukunft hergezogen.

Pfeilschnell ist das Jetzt verflogen.

Ewig still ist die Vergangenheit.



(c) Friedrich Schiller (1759-1805) (aus "Spruch des Konfuzius")  

Samstag, 4. Oktober 2025

Wehret der Traurigkeit


 

Friede sei mit den Vollendeten!

Ja, Herr, lass deinen Frieden walten über ihren Gräbern und lass sie Frieden finden bei dir und vor dir, der du ein Gott des Friedens bist. Nimm sie auf in dein Himmelreich und schenke ihnen nach mancher harten Arbeit, nach manchem schweren Kampf, nach manchem sauren Tritt, nach manchem drückenden Leiden die ewige Ruhe, himmlische Freude und Herrlichkeit, und vereinige sie mit den vorausgegangenen Lieben.


Friede sei auch mit Euch!

Der Herr bringt auch Euch, ihr Leidtragenden, diesen Gruß. Nehmt ihn an und auf! Es ist kein leeres Wort. Der Friedefürst hat und bringt den wahren Frieden. Wehret der Traurigkeit. Steigt heraus aus euren Kummerhöhlen. Fürchtet euch nicht. Es ist keine Strafe, keine Züchtigung für euch, dass das Liebste euch genommen ist. Ein Herz hat zwar ausgeschlagen, die Liebe aber folgt und umgibt euch auf Schritt und Tritt eures Lebens. 


Selig, selig sind die Toten,

die am Ende wohl bestehn,

und mit welchen Gottes Boten,

Engel selbst, zu Grabe gehn.



(c) Ludwig Ferdinand Barth (1873-1882)

Fort aus der Welt


 

Ich möchte heim. Mich zieht 's dem Vaterhause,

dem Vaterherzen zu.

Fort aus der Welt verworrenem Gebrause,

zur stillen, tiefen Ruh'.

Mit tausend Wünschen bin ich ausgegangen,

heim kehr' ich mit bescheidenem Verlangen,

noch hegt mein Herz nur einer Hoffnung Keim:

Ich möchte heim.



(c) Prof. Dr. Gotthard Rauch, seinerzeit Klosterpfarrer zu Roßleben, um 1913

Freitag, 3. Oktober 2025

Ewige Harmonie


 

Wenn ich einst tot bin,

wenn mein Gebein zu Staub ist eingesunken,

wenn du, mein Auge, nun bang über meines Lebens Schicksal

brechend im Tode ausgeweint hast,

dann wird der Tag sein, da werd' ich auferstehn.

Dann trennt kein Schicksal mehr die Seelen,

die du, Natur, einander bestimmt hast.

Dann wägt, die Wagschal' in der gehobenen Hand,

Gott Glück und Tugend gegeneinander gleich;

was in der Dinge Lauf jetzt misslang,

tönet in ewigen Harmonien. 



(c) Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803)

Donnerstag, 2. Oktober 2025

Halt' mich ...


 


Halt' mich, wenn die Kniee beben.

Wenn ich sinke, sei mein Stab.

Wenn ich sterbe, sei mein Leben.

Wenn ich liege, hüt' mein Grab.

Wenn ich wieder aufersteh',

ei, so hilf mir, dass ich geh'

hin, wo du in ew'gen Freuden

wirst die Auserwählten weiden.



(c) Arthur Lehmann, einstmals Pfarrer in Goßmar

Fremde sind wir ...


 

Tötet euch mit Dämpfen und mit Messern,

schleudert Schrecken, hohe Heimatworte,

werft dahin um Erde euer Leben!

Die Geliebte ist euch nicht gegeben.

Alle Lande werden zu Gewässern,

unterm Fuß zerrinnen euch die Orte.


Mögen Städte aufwärts sich gestalten,

Niniveh, ein Gottestrotz von Steinen!

Ach, es ist ein Fluch in unserm Wallen . . .

Flüchtig muss vor uns das Feste fallen,

was wir halten, ist nicht mehr zu halten,

und am Ende bleibt uns nichts als Weinen.


Berge sind, und Flächen sind geduldig . . .

Staunen, wie wir auf und nieder weichen.

Fluß wird alles, wo wir eingezogen.

Wer zum Sein noch Mein sagt, ist betrogen.

Schuldvoll sind wir, und uns selber schuldig,

unser Teil ist: Schuld, sie zu begleichen!


Mütter leben, dass sie uns entschwinden.

Und das Haus ist, dass es uns zerfalle,

selige Blicke, dass sie uns entfliehen,

selbst der Schlag des Herzens ist geliehen!

Fremde sind wir auf der Erde alle,

und es stirbt, womit wir uns verbinden.



(c) Franz Wefel (1890-1945)

Mittwoch, 1. Oktober 2025

Wähle sorgfältig


 

Für den Verlust von Personen, die uns lieb waren,

gibt es keine Linderung als die Zeit und sorgfältig

und mit Vernunft gewählte Zerstreuung.



(c) Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)

Dienstag, 30. September 2025

... und du schläfst


 


Aber fürchte den Tod nicht,

in der Regel ist er einfach.

Du möchtest nur ein wenig ruhn,

weil du so müde bist.

Du schläfst ein und du schläfst,

dann ist es vorbei.



(c) Arnulf Øverland (1889-1968)

Die alte Waschfrau


 


Du siehst geschäftig bei dem Linnen

die Alte dort in weißem Haar,

die rüstigste der Wäscherinnen,

im sechsundsiebenzigsten Jahr.

So hat sie stets mit saurem Schweiß

ihr Brot in Ehr' und Zucht gegessen

und ausgefüllt mit treuem Fleiß

den Kreis, den Gott ihr zugemessen.


Sie hat in ihren jungen Tagen

geliebt, gehofft und sich vermählt.;

sie hat des Weibes Los getragen,

die Sorgen haben nicht gefehlt;

sie hat den kranken Mann gepflegt;

sie hat drei Kinder ihm geboren;

sie hat ihn in das Grab gelegt

und Glaub' und Hoffnung nicht verloren.


Da galt 's, die Kinder zu ernähren;

sie griff es an mit heiterm Mut,

sie zog sie auf in Zucht und Ehren,

der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut.

Zu suchen ihren Unterhalt,

entließ sie segnend ihre Lieben;

so stand sie nun allein und alt,

ihr war ihr heitrer Mut geblieben.


Sie hat gespart und hat gesonnen

und Flachs gekauft und nachts gewacht,

den Flachs zu feinem Garn gesponnen,

das Garn dem Weber hingebracht;

der hat 's gewebt zu Leinewand;

die Schere brauchte sie, die Nadel,

und nähte sich mit eigner Hand

ihr Sterbehemde sonder Tadel.


Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es,

verwahrt 's im Schrein am Ehrenplatz;

es ist ihr Erstes und ihr Letztes,

ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz.

Sie legt es an, des Herren Wort

am Sonntag früh sich einzuprägen,

dann legt sie 's wohlgefällig fort,

bis sie darin zur Ruh' sie legen.


Und ich, an meinem Abend, wollte,

ich hätte, diesem Weibe gleich,

erfüllt, was ich erfüllen sollte

in meinen Grenzen und Bereich;

ich wollt', ich hätte so gewusst

am Kelch des Lebens mich zu laben

und könnt' am Ende gleiche Lust

an meinem Sterbehemde haben.



(c) Adelbert von Chamisso (1781-1838)

Montag, 29. September 2025

Letzte Zeilen

 


So wie ein letzter Hauch, ein letzter Strahl des Gottes

den Tag verklärt an seinem Schluss,

rühr' ich die Leier noch am Fuße des Schafottes;

wer weiß, wann ich 's besteigen muss!


Wer weiß! Vielleicht bevor der Zeiger dort im Kreise

auf dem geblümten Zifferblatt

den sechzigfachen Schritt der vorgeschriebnen Reise

helltönigen Gangs vollendet hat,


liegt schon der Schlaf der Gruft auf diesen bleichen Zügen;

vielleicht bevor es mir gelang,

im angefangnen Vers den Reim zum Reim zu fügen,

wird zu entsetzensheiserm Klang


der Todverkündiger, der zum Gerüst der Schrecken

uns schleppt mit seiner Söldnerbrust,

das Echo dieses Saals mit meinem Namen wecken ---



(c) Emanuel Geibel (1815-1884)

Kühles Grab


 

Ruhig ist des Todes Schlummer,

und der Schoß der Erde kühl.

Dort stört unsre Ruh kein Kummer,

nicht der Leidenschaften Spiel.

Unsre Sorgen groß und klein

schlummern alle mit uns ein.


Über unserm Hügel schwinget

die Vergessenheit den Stab,

und der Schmähsucht Stimme dringet

nicht ins stille, dunkle Grab.

Fehler, die uns hier besiegt,

werden dann nicht mehr gerügt.


Unsre Seufzer, unsre Tränen

werden ewig dann gestillt.

Unsre Wünsche, unser Sehnen,

alles, alles wird erfüllt.

Herzen, die sonst heiß gewallt,

liegen fühllos dann und kalt.


Läg' auch meines, von den Sorgen

dieses Lebens unempört,

in der Erde Schoß verborgen,

wo nichts seinen Frieden stört !

Kühles Grab, o wann nimmst du

mich in deine stille Ruh'?



(c) Dorothea Spangenberg, geb. Wehrs (1755-1808)

Sonntag, 28. September 2025

Wie einer ...


 


Wie einer ist, so schaut er.

Wie einer denkt, so traut er.

Wie einer ringt, erwirbt er.

Wie einer lebt, so stirbt er.



(alter Reim)

Das begrabene Vöglein


 

Hier, wo das schwarze Kreuzlein steht,

da ruht ein junges Vögelein;

heut' hat 's der Wind vom Baum geweht,

weil es noch war so schwach und klein.

Nun schweiget still das Kehlchen,

ruh' sanft, du liebes Seelchen!


Wir gruben ihm dies stille Grab,

damit es sanfte Ruhe hab',

die Blättlein decken 's allzuhauf,

wir stecken Blümlein auch darauf.

Nun schweiget still das Kehlchen,

ruh' sanft, du liebes Seelchen!



(c) Graf Franz Ludwig Evarist Alexander von Pocci (1807-1876)

Samstag, 27. September 2025

Vom Grab meiner Mutter


 

Vom Grab meiner Mutter komm ich gegangen.

Fragt mich nicht. Ich kann nichts wissen und sagen.

Aus ewigen Schweigens nächtigen Landen

komm ich gegangen, vom Grab meiner Mutter.


Mein Sinnen ist dort,

mein Sehnen,

mein verzweifeltes Wähnen,

jenseits von allem.


Mit blutigem Herzen,

zerrissen, mit schweren Füßen,

vom Grab meiner Mutter komm ich gegangen:

Des Herzens heiligste Zuflucht

liegt unter der Erden.


Vielleicht ---

wenn des Winters Stürme vorüber,

pflanz ich Rosen darauf, rote und weiße,

und der Lenz lässt sie blühen,

glühen und duften,

und des Sommers Sonne umlächelt sie,

und der Tau der schwülen Nächte

behängt sie mit Tränen,

und von den Feldern grüßt

die reife Saat herüber

und manche wilde Blume.


Meine Mutter liebte das Feld

und die Saat und die wilden Blumen ---

Dann kommt der Herbst,

nimmt alles hinweg,

und dann der Winter ----  ----

O wie mich friert !

Vom Grab meiner Mutter komm ich gegangen,

zum Grab meiner Mutter geh ich zurück,

des Herzens heiligste Zuflucht

liegt unter der Erden.

Fragt mich nicht !

Was soll ich wissen und sagen !

Unerbittliches Schweigen

umfängt die nächtigen Lande der Toten,

jenseits von allem.


"Wenn der Jüngste Tag will werden ---

da fallen die Sternlein auf die Erden ---

da neigen sich die Bäumelein ---

da singt ein schön Waldvögelein --- ---"


Mutter! Mutter!


"Da kommt der liebe Gott gezogen

auf einem güldnen Regenbogen ---

Ihr Toten all' sollt auferstehn! --- ---"


Mutter! Kennst du das Lied?

Weißt du, wie du mir's gesungen?

Deine Stimme, tönt sie nicht mehr?


Fortweinen möcht ich dies Leben,

so weh ist mir

ohne dich.


Mutter, nur einmal noch

sing mir dein Wiegenlied,

Mutter, sing mich zur Ruh --- --- ---



(c) Michael Georg Conrad (1846-1927)

Donnerstag, 25. September 2025

Das Grab


 


Das Grab ist tief und stille,

und schauderhaft sein Rand;

es deckt mit schwarzer Hülle

ein unbekanntes Land.


Das Lied der Nachtigallen

tönt nicht in seinen Schoß;

des Frühlings Blüten fallen

nur auf des Hügels Moos.


Verlassne Liebe ringet

umsonst die Hände wund;

ihr lautes Rufen dringet

nicht in der Tiefe Grund.


Doch sonst an keinem Orte

wohnt die ersehnte Ruh,

und nur durch seine Pforte

geht man der Heimat zu.


Das arme Herz hienieden,

von manchem Sturm bewegt,

find't nirgends wahren Frieden,

als wo es nicht mehr schlägt.



(c) Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834)

Mittwoch, 24. September 2025

Die Vollendung

 



Wenn ich einst das Ziel errungen habe

in den Lichtgefilden jener Welt,

Heil der Träne dann an meinem Grabe,

die auf hingestreute Rosen fällt.


Heil der Blume, die in stiller Trauer

hier ein unschuldsvolles Mädchen pflückt,

mein gedenkt und mit Erinnrungsschauer 

seufzend an ihr Herz die Blume drückt.


Sehnsuchtsvoll, mit hoher Ahndungswonne,

ruhig wie der mondbeglänzte Hain,

lächelnd, wie beim Niedergang die Sonne,

harr' ich, göttliche Vollendung, dein.


Eil', o eile, mich emporzuflügeln, 

wo sich unter mir die Welten drehn, 

wo im Lebensquell sich Palmen spiegeln,

wo die Liebenden sich wiedersehn.


Sklavenketten sind der Erde Leiden,

oft, ach öfters bricht sie nur der Tod.

Blumenkränzen gleichen ihre Freuden,

die ein Westhauch zu entblättern droht.



(c) Friedrich von Matthisson (1761-1831)

Dienstag, 23. September 2025

Nänie

 



Auch das Schöne muss sterben! Das Menschen und Götter bezwinget,

nicht die eherne Brust rührt es den stygischen Zeus.

Einmal nur erweichte die Liebe den Schattenbeherrscher,

und an der Schwelle noch, streng, rief er zurück sein Geschenk.

Nicht stillt Aphrodite dem schönen Knaben die Wunde,

die in den zierlichen Leib grausam der Eber geritzt.

Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter,

wenn er, am skäischen Tor fallend, sein Schicksal erfüllt.

Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus,

und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn.

Siehe, da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,

dass das Schöne vergeht, dass das Vollkommene stirbt.

Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten ist herrlich,

denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab.



(c) Friedrich Schiller (1759-1805)

Wäre der Tod nicht ...

 




Wäre der Tod nicht, 

es würde keiner das Leben schätzen.


Man hätte vielleicht nicht einmal

einen Namen dafür ....



(c) Jakob Bosshart (1862-1924)

Montag, 22. September 2025

Lob und Dank


 


Gott, zu dir rufe ich am frühen Morgen.

Hilf mir beten und meine Gedanken sammeln;

ich kann es nicht allein.

In mir ist es finster, aber bei dir ist Licht.

Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht.

Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe.

Ich bin unruhig, aber bei dir ist Geduld.

Ich verstehe deine Wege nicht,

aber du weißt den rechten Weg für mich.

Vater im Himmel,

Lob und Dank sei dir für die Ruhe der Nacht.

Lob und Dank sei dir für den neuen Tag.

Lob und Dank sei dir für alle deine Güte und Treue

in meinem vergangenen Leben.

Du hast mir viel Gutes erwiesen.

Lass mich nun auch das Schwere aus deiner Hand hinnehmen.

Du wirst mir nicht mehr auferlegen, als ich tragen kann.

Du lässt deinen Kindern alle Dinge zum Besten dienen.



(c) Dietrich Bonhoeffer (1906-1945)

Sonntag, 21. September 2025

Die tote Mutter


 


Mütterlein, du hast dich ganz

in die Erde nun verloren.

Wenn dich meine Liebe ruft,

wo sind deine feinen Ohren?


Ach, was ist dir nun dein Kind,

seine Freuden, seine Klagen!

Oder lockerst du den Grund,

weicher seinen Fuß zu tragen?


Oder schweifst mit Zärtlichkeit

durch die Wurzelgärtlein unten:

Keimt, ihr Kräutlein, die ihr liebt,

grüßt ihn, Blümlein all, ihr bunten?


Oder atmest, süßer Hauch,

vor mir in der Rose Brennen,

schenkst mir wieder deinen Kuss,

und ich kann dich nicht erkennen?



(c) Gustav Falke (1853-1916)

Samstag, 20. September 2025

Der ewige Tag


 


Geliebte, wenn mein Geist geschieden,

so weint mir keine Träne nach;

denn, wo ich weile, dort ist Frieden,

dort leuchtet mir ein ew'ger Tag!


Wo aller Erdengram verschwunden,

soll euer Bild mir nicht vergehn,

und Linderung für eure Wunden,

für euern Schmerz will ich erflehn.


Weht nächtlich seine Seraphsflügel

der Friede übers Weltenreich,

so denkt nicht mehr an meinen Hügel,

denn von den Sternen grüß' ich euch!



(c) Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)

Schließe mir die Augen beide


 

Schließe mir die Augen beide

mit den lieben Händen zu!

Geht doch alles, was ich leide

unter deiner Hand zur Ruh'.

Und wie leise sich der Schmerz

Well' um Welle schlafen leget,

wie der letzte Schlag sich reget,

füllest du mein ganzes Herz.



(c) Theodor Storm (1817-1888)

Freitag, 19. September 2025

Grabschrift


 


"Dem Auge fern, dem Herzen nah!"

Als ich die alte Grabschrift sah

im eingesunknen Marmorstein,

da fiel mein totes Lieb mir ein ...


O Gott, ich schrieb schon tausendmal

das gleiche Lied aus gleicher Qual,

und war doch keins wie dieses da:

"Dem Auge fern, dem Herzen nah!"



(c) Ludwig Jacobowski (1868-1900)

Ihr müsst erkennen


 

Ihr müsst den Schmerz durchkosten, der mit dem Abschied für Lebenszeit stets verbunden ist. Ihr müsst die Wahrheit des Liedes erfahren:


"Alle Menschen müssen sterben, alles Fleisch vergeht wie Heu."


Ihr müsst erkennen, wie nichtig alles hier auf dieser Erde ist, wie selbst die festesten und schönsten Bande der Liebe durch den Tod zerrissen werden. Der Tod eines Entschlafenen erinnert auch euch kräftig daran, dass ihr Staub seid, vom Staube geboren und dass der Weg durch das dunkle Tal des Todes auch keinem von euch erspart bleibt.



(c) Friedrich Ludolf Georg Schultzen (1867-1938)


Mittwoch, 17. September 2025

Einer von Millionen


 


Der Tod eines Mannes ist eine Tragödie,

aber der Tod von Millionen nur eine Statistik.



(c) Josef Stalin (1878-1953)

Altmütterlein


 

Altmütterlein schleicht so bucklig und krumm

an der Krücke den Kirchhof entlang.

"Altmütterlein, hör doch, und sage warum

ist so sacht und so leise dein Gang?"


"Du junger Fant hast noch jugendlich' Blut

und stürmst auf der Erde einher,

als ob deinem kräftigen Übermut

nicht Einhalt und Grenze je wär'.


Ich aber bin alt und gehe so leis'

und tu hier der Erde nicht weh,

weil ich darunter viel' Tote weiß,

zu denen ich selbst bald geh'.


Ein heftiger Gang, der stört ihre Ruh'

und die Erde sei jedem leicht;

wart' ab die Zeit, dann begreifst auch du,

warum das Alter so schleicht."



(c) Demetrius Schrutz (1856-1938)

Nimmermehr


 


Als dir die Seel' ausging

und Dunkel mich umfing,

hab' ich mit tausend Wunden

es göttlich tief empfunden,

dass echte Lieb' im Sterben

kann nimmermehr verderben.



(c) Adolf Hermann Christian Ohly (1855-1919)