Dienstag, 3. April 2018

Rurrexit



Augsburg, den 30. März 1880

Trauerrede für Fräulein Pauline Rocker

"Gedenke Israel und vergiss es nicht: Du hast heute den Herrn erwählt, dass Er Dir Gott sei; und der Herr hat Dich erwählt,  dass Du Sein Volk seiest."  (5. Mos., 26)


Schon sind wir in den wenigen Wochen dieses Jahres zum vierten Male hier, um einem Mitglied des Englischen Instituts die letzte Ehre zu erweisen. Der Tod des Fräulein Pauline Rocker ist ein schwerer Verlust für das Haus und seine Schulen; wir aber sehen Leben und Tod nicht mit den eigennützigen Augen der Weltmenschen an, die alles nach Interesse beurteilen, sondern mit den Augen des Glaubens, der uns sagt, dass wir Gottes Kinder und berufen, dorthin zu kommen, wo der Vater ist. ---

Pauline Rocker war geboren zu Eppenhausen den 13. Juni 1830. Ausgestattet mit den besten Talenten, mit den reichsten Anlagen des Geistes und Gemütes, kam sie als junges Mädchen in das Institut und empfing dort 1843 die 1. Kommunion; sie erwarb sich durch Fleiß und Betragen und die Liebenswürdigkeit des Charakters die Liebe ihrer Vorgesetzten und ihrer Mitschülerinnen. Sie vollendete dort ihre Ausbildung und hatte sich besondere Kenntnisse und Fertigkeiten angeeignet in der französischen Sprache und in der Musik.

Voll Liebe zu den Kindern, denen sie ja durch die Lauterkeit der Seele angehörte, wollte sie die erworbenen Kenntnisse im Dienste Gottes verwerten und vollzog einen längst gefassten Vorsatz: sie bat um Aufnahme in das Institut der Englischen Fräulein in Augsburg. Was Torheit in den Augen der Welt erscheint, war ihr Ideal: Jugend, Reichtümer, Menschen, irdische Liebe zu lassen und Gott allein anzugehören. Sie war in ihrem Entschluss noch bestärkt durch einen herben Todesfall. Wie Herzog Franz Borgias am Sarge der Königin Isabella, so konnte sie am Grabe ihrer innig geliebten 19jährigen, durch seltene Schönheit ausgezeichneten Schwester die Eitelkeit aller irdischen Güter erfassen.

Sie erhielt das Ordenskleid am 24. Oktober 1848 und legte am 24. September 1850 Prozess ab mit dem ganzen Feuer jugendlicher Begeisterung, welches sie fortdauernd durch 31 Jahre zu bewahren die Gnade und das Glück hatte, um in aufopfernder Liebe bis zur Erschöpfung als Lehrerin zu wirken.

So war, wie Moses im 5. Buche von Israel sagt, Gott der Herr ihre Wahl: Ihm Jugend und Alter, Ihm die Freuden und Leiden, Ihm das ganze Leben geschenkt. Aber Moses fügt einen zweiten Satz bei: Gedenke und vergiss es nicht: Der Herr hat Dich erwählt.

Die Welt heißt ein solches Leben der Entsagung unendlich traurig. Ihr Maßstab gilt hier nicht; wohl, es ist nicht zu leugnen, auf vieles Angenehme Verzicht geleistet; aber dafür ist das Leben einer Gott geweihten Jungfrau nicht trost- und freudlos; denn eine mürrische, unzufriedene Dienerin des Herrn hat den rechten Geist nicht; mit der Entsagung kommen andere, höhere Güter, die die Welt nicht geben, aber auch nicht rauben kann. Mit der reichen Gottesgnade kommt das himmlische Geschenk des inneren Friedens, kommt die Seelenruhe einer reinen, gottvereinten Himmelsbraut

Dazu die schöne Eintracht und freudiges Entgegenkommen der Mitschwestern und deren herzliche Teilnahme in Krankheit und Leiden, die sie trägt mit unerschütterlichem Mute und Gottvertrauen.

Auch wohl ein süßes Gut auf Erden: Die dankbare Anhänglichkeit zahlreicher Zöglinge und ihr treues Andenken; sie werden die gute Lehrerin Pauline nicht vergessen, deren Sprache und Töne auch ihr Herz berührten.

Nach dem Empfang der hl. Wegzehrung am 18. März, voll Glaube und unerschütterlichen Vertrauens, hatte sie nur noch einen Wunsch, im Monat des hl. Joseph sterben zu können. Gott hat ihr noch mehr gewährt: Am herrlichen Ostermorgen, da das freudige Halleluja über die Erde ging, hauchte sie ihre reine Seele aus!

Rurrexit ! Der Herr ist auferstanden, er ist nicht hier ! Geht und sagt seinen Jüngern: in Gallilaca werdet Ihr Ihn wieder sehen.

Gehet, die Ihr am Grabe trauert:
Halleluja, Ihr werdet sie wieder sehen !