Dienstag, 6. Oktober 2015
Geistlicher Liedtext von Chr. Neander
Er eilt, der letzte von den Tagen,
die du hier lebst, o Mensch, herbei.
Erkauf' die Zeit und, statt zu klagen,
sie sei zu kurz, gebrauch' sie treu.
Nimm mit erkenntlichem Gemüt
der nahen Stunde wahr; sie flieht.
Getäuscht von eiteln Kleinigkeiten
verlierst du deines Lebens Zweck,
verschiebst dein Heil auf ferne Zeiten
und wirfst so sorglos Jahre weg.
Bist du, zu kühner Sterblicher,
des nächsten Augenblickes Herr?
Einst Ewigkeiten zu besitzen,
dazu lass' dir des Lebens Zeit
als deine kurze Saatzeit nützen
und tu, was dir der Herr gebeut;
er ruft dir menschenfreundlich zu:
Die Zeit fleucht hin! Was säumest du?
Drum eil', errette deine Seele
und denke nicht: ein andermal!
Sei wacker, bet' und überzähle
der Menschentage kleine Zahl.
Gesetzt, dein Ende wär' auch fern,
sei fromm und wandle vor dem Herrn.
Mit jedem neu geschenkten Morgen
erwecke dich zu dieser Pflicht.
Sprich: Dir, o Gott, ist nichts verborgen;
ich bin vor deinem Angesicht
und will, mich deiner Huld zu freun,
mein Leben gern der Tugend weihn.
Erleucht' und stärke meine Seele,
weil ohne dich sie nichts vermag.
Du schenkst, dass ich mein Heil erwähle,
aus Gnaden mir noch diesen Tag.
Was ist nicht jede Stunde wert,
die deine Langmut mir gewährt?
Wohl mir, wenn ich aus allen Kräften
nach wahrer Weisheit hier gestrebt,
in gottgefälligen Geschäften
die Pilgertage durchgelebt
und einst im Glauben sagen kann:
du nimmst mich, Herr, zu Ehren an!
(Christoph Friedrich Neander, 1724-1802)