Dienstag, 27. Oktober 2015

Geistlicher Liedtext von Fr. Hiller



Ruhet wohl, Ihr Totenbeine,
in der stillen Einsamkeit.
Ruhet, bis das End' erscheine,
da der Herr euch zu der Freud'
rufen wird aus euren Grüften
zu den freien Himmelslüften.

Nur getrost! Ihr werdet leben,
weil das Leben, euer Hort,
die Verheißung hat gegeben
durch sein teuer wertes Wort:
Die in seinem Namen sterben,
sollen nicht im Tod verderben.

Und wie sollt' im Grabe bleiben,
der ein Tempel Gottes war,
den der Herr ließ einverleiben
seiner auserwählten Schar,
die er selbst durch Blut und Sterben
hat gemacht zu Himmelserben?

Jesus wird, wie er erstanden,
auch die Seinen einst mit Macht
führen aus des Todes Banden,
führen aus des Grabes Nacht
zu dem ew'gen Himmelsfrieden,
den er seinem Volk beschieden.

Ruhet wohl, ihr Totenbeine,
in der stillen Einsamkeit.
Ruhet, bis der Herr erscheine
an dem Ende dieser Zeit,
da ihr sollt mit neuem Leben
euch vor Gottes Thron erheben.



(Friedrich Konrad Hiller, 1662-1726)

Montag, 26. Oktober 2015

Grabrede (1864)



Am Grabe einer Greisin

"Suchet den Herrn und lebet." (Amos 5, 6)

Ein Sterbender ist jederzeit ein Prediger der Lebenden, weswegen die Hausgenossen, die Nachbarn und Freunde nie ohne einigen Nutzen für ihre Seele am Sterbelager eines Scheidenden sich versammeln. Hier haben sie die beste Gelegenheit, augenscheinlich wahrzunehmen, wie bald es mit dem sterblichen Menschen zu Ende gehe und was er sei. Auch wie übel man daran tue, die Gnadenfrist verstreichen zu lassen, und die Buße auf jene Zeit aufzusparen, wo der Tod, wie man zu sagen pflegt, auf der Zunge sitzt.

Ein Sterbender ist ein Prediger der Lebenden, deswegen trägt man die Leichen öffentlich über die Straße, damit ein Jeder, der sie vorüber tragen sieht, des Todes sich erinnere; deswegen läutet man die Schiedungsglocke, deswegen stellt man ein Leichenbegängnis an, deshalb das Gepränge; Weihrauch und Weihwasser gemahnen uns, gleich eindringlichen Predigern, an ernste Wahrheiten; desgleichen das dumpfe Rollen der Erdschollen, die der Priester auf den Sarg wirft unter den Worten: Von Erde hast du mich gemacht, mit Fleisch mich bekleidet, o mein Erlöser, erwecke mich am jüngsten Tage!

Das ist auch der Grund, weshalb man in Gegenwart des toten Körpers Leichenpredigten hält, denn diese helfen dem Verstorbenen sehr wenig, mit Ausnahme des Gebetes, das am Ende verrichtet wird. Was soll es auch dem Toten nützen, gelobt zu werden, wenn er dessen nicht wert ist? Ist er schon gerichtet von Gott, ehe wir seine irdische Hülle zu Grabe begleiten?

Darauf aber ist es bei derlei Grabreden abgesehen, dass die Lebenden ermahnt und gebessert werden. Suchet den Herrn, da er noch gefunden werden kann, da ihr noch lebet! "Suchet den Herrn und lebet!" Das predigt uns das Grab mit Donnerworten. Suchet ihn jetzt, da ihr noch lebet, jetzt, wo ihr ihn noch finden könnt; denn es ist zu spät, ihn suchen und finden zu wollen, wenn beim Sterben Verstand, Gedächtnis, Wille und Kraft geschwunden sind.

Dies predigt uns besonders die Vollendete, die wir soeben zur Ruhe eingesegnet haben; denn sie suchte den Herrn zeitlebens, also da er noch zu finden war. Ich sage zu unserer Belehrung und Erbauung:

Wer den Herrn zeitlebens nicht sucht, ist in Sachen seines Seelenheiles blind.

Es bleibt ein Zeichen und auch eine Wirkung der Vorsicht, die rechte Zeit zu gebrauchen wissen; darum sagt man: Die Ameise ist klüger als die Grille, denn diese singt im Sommer und verhungert im Winter, während jene zur Sommerzeit Proviant einsammelt, davon sie im Winter sich nähret. Ja, ich gehe noch weiter und sage: Die Ameise ist auch klüger als viele Menschen; denn anstatt viele gute Werke zu sammeln für jene Stunde, wo die Kälte und die Öde des Todes eintritt, faulenzen sie mit der Grille, lassen es auf die letzte Stunde ankommen und gehen zu Grunde.

Auf derlei Leute wendet der hl. Bernard die Stelle an, wo es im 5. Mose 32, 28 heißt: "Das ist ein Volk ohne Verstand und Einsicht." und (l. c. 29 v.): "O dass sie doch Einsicht und Erkenntnis hätten und ihres Endes gedächten!" Sie gedenken nicht weiter als an das Gegenwärtige, dagegen lassen sie dahingestellt sein den Tod und das Ewige. Wenn sei verstünden, was Gott angeht, sie würden erschrecken vor der Hölle, die Welt verachten und dem höchsten Gut allein anhängen. Wenn sie verstünden, was Gott angehöret, sie würden die Hindernisse eines guten Todes aus dem Wege räumen, die Sünde meiden und verständigerweise und ernsthaft lernen, wohl zu sterben.

Derlei Reden aber sind heutigen Tags vielfach in den Wind gesprochen. Es wird, ich möchte sagen, täglich den Lebenden der Tod, das letzte Gericht, die Zeit der Buße vor Augen gestellt, und dessen ungeachtet achtet man darauf soviel wie nicht. Wie ein blinder tappt man fort, den Schmeichelworten der Welt, Satans oder des Fleisches gibt man Gehör, trauet ihnen, folget ihnen, und aber die Lehre der Frommen, die Predigt der Sterbenden und Toten schlägt man sich aus dem Sinne. Deshalb nenne ich derlei Leute mit Fug und Recht blind, und zwar nicht etwa in einer geringen und unwichtigen Sache, sondern in einer Angelegenheit, von der Seele und Seligkeit der Seele abhangen. Was wäre billiger, als dass man bei Ansehung einer Leiche auf seine Brust schlüge und reumütig betete: Herr, sei mir armen Sünder gnädig! O Gott, gib mir eine glückliche Sterbestunde! Das sind aber jenen Leuten die letzten und geringsten Gedanken und Sorgen. Man zecht und prasset, man putzt sich, scherzt und lacht, während man den Toten begräbt.

O die Blindheit! Wenn anderen Leuten die Augen zugehen, dann sollten sie euch aufgehen. Alles Lob verdient deshalb der hl. Franziskus Borgias, ehemals Herzog von Gandia, der, als er die Leiche der Königin Isabella so ganz entstellt sah, in sich ging und Gott suchte alle Zeit und wie er nur konnte. Ist der Mensch sonst weiter nichts, als solch ein Nest von Würmern, so will ich nimmer den Fürsten, die ebenfalls nur Menschen sind, sondern Gott allein dienen, so will ich sterben lernen, da ich noch Zeit habe, mich auf die Todesstunde wohl vorzubereiten.

Eine christliche Rede! Dagegen nichts Unchristlicheres und Wahnsinnigeres, als dem Rufe des Todes: "Auch du musst sterben, bereite dich auch vor!" den Rücken kehren und sich die Ohren verstopfen! O wie blind handelt, wer nur den Stimmen der Welt folgt, und seinen Lebenslauf in Essen, Trinken, Buhlen, Müssiggehen und irdische Lüste setzt!

Auch betrüget die Welt den Menschen niemals mehr, als wenn sie ihm noch eine lange Zeit verspricht, da er Buße tun kann. Wie diejenigen, welche an der Lunge leiden, sich in der letzten Zeit ihres Lebens am wohlsten fühlen, so ergeht es auch den Weltligen, die, je näher ihnen der Tod steht, desto ferner ihn wähnen. Gott finden ist nicht Sache der Jugend, der Gesundheit, der Kraft, des langen Lebens, sondern Sache der Gnade. Wer nun diese nicht sucht, der hat keine Ursache, sich dieselbe im hohen Alter oder auf dem Sterbebette zu versprechen.

Andächtige! Nehmet euch, was die Vorbereitung auf den Tod und das Gott-Suchen anbelangt, die Verlebte zum Muster. Viele Jahre hatte die Verlebte Gelegenheit, Gott zu suchen und zu finden; diese Gelegenheit ließ sie denn auch nicht unbenutzt vorbeistreichen. Jedes Jahr ihres langen Lebens ist davon ein Zeuge. Durchgehen wir noch kurz der Verewigten Lebenslauf (Darstellung ihres Lebens bis zu ihrem Tode und Hervorhebung der hierher geeigneten Momente, sowie des ganz Individuellen aus dem Charakter oder den Rden der Verlebten etc.). So suchte sie mit jedem Tage reicher zu werden an guten Werken und wie an Jahren so auch an Gnade bei Gott zuzunehmen, bis der Tod dieses Leben mit dem ewigen zu vertauschen gebot.

Lassen wir es von der Vollendeten hier gepredigt sein! Suchet den Herrn, da ihr ihn noch findet! Suchet ihn, da ihr noch lebet, damit ihr fortlebet! Nach dem Tode ist keine Zeit mehr zum Suchen. Ein Toter befindet sich nicht mehr auf dem Wege, sondern in der Heimat, wenn er selig ist. Ist er aber verdammt, so ist er ebenfalls aus dem Wege, und sieht sich außer Stand, etwas Gutes mehr zu wirken,  wie wir an dem reichen Prasser sehen. Die Gnadensonne leuchtet uns nur so lange, als unsere Augen offen stehen. Durch einen unglückseligen Tod geschlossen, ist es für uns mit dem belebenden Lichte der Gnade aus. Ich habe einstmals eine Sonnenuhr betrachtet, an der mir besonders der Spruch gefiel: Ich vergehe im Schatten und leuchte mit der Sonne. Diese Sonne ist das Gnadenlicht, das von Gott kommt und auf den Sünder strahlt. Leuchtet das nicht, so kann der Sünder Gott auch nicht finden. Im Tode aber, da sitzen wir im Schatten und das Wirken hat aufgehört.

Lasset uns deshalb, wie der Apostel anrät, Gutes tun, so lange wir Zeit haben! Schließlich aber wollen wir beten zum Troste und für die Seelenruhe der Verlebten, auf dass Gott ihr ihre Fehler vergeben möge, die zu begehen nicht ausbleiben konnten, da selbst der Gerechteste siebenmal des Tages fällt, und die Hingeschiedene ein so hohes Alter erreicht hat. Vater unser .... Ave Maria ... Amen.


(Priester Matthias Heimbach, 1864)

Samstag, 24. Oktober 2015

Nur einmal (von Augustin Wibbelt)



Nur einmal

Alle Kunst fordert Übung. Das Genie ist eine Gabe, aber auch eine Aufgabe, und eine Aufgabe wird nicht gelöst ohne Arbeit und Fleiß. Der Meister fällt nicht vom Himmel, sondern steigt durch Versuche und Probestücke zu Meisterwerken empor.

Nur eine Kunst gibt es, die ohne Übung gekonnt werden muss, und zwar von jedem: dazu ist es noch die wichtigste von allen. Es ist die Kunst zu sterben. Zu sterben, ist keine Kunst; es ist aber eine große Kunst, gut zu sterben, und mancher Tod mag Stümperwerk sein. Wir haben wohl das ganze Leben zur Verfügung, um diese Kunst zu lernen; aber wir können nicht probeweise bloß zur Übung sterben. Nur einmal sterben wir, gleich die erste Ausübung dieser Kunst muss ein Meisterstück sein. Einmal misslungen heißt für immer misslungen. Wohl mancher würde seinen zweiten Tod anders einrichten, wenn er zweimal sterben dürfte. Aber der Tod ist ein Schritt, den wir nicht zurücktun können, und die ganze Ewigkeit hängt an diesem Schritte. Das ist eine recht bedenkliche Sache. Wir müssen gleichsam alles auf einen Wurf setzen, nur dass hier keine Rede sein kann von Glücksspiel und Zufall. Wenn irgendwann im Leben, dann gilt vom Abschluss des Lebens das Wort: Der Mensch ist seines Glückes Schmied. Das ist ein guter Trost bei dieser bedenklichen Sache: nur einmal - aber das Ungefähr hat keine Hand im Spiele, nur Gottes Gnade und Menschenwille; für die erste steht der Herrgott selber ein, für den zweiten müssen wir stehen.

Trotz allem - das Wort "nur einmal" kann die letzte Stunde mit Schrecken füllen; es wird um so schrecklicher sein, je weniger wir damit vertraut geworden sind. Das Wort ist ein wildes Tier, das leicht zu zähmen ist, wenn man es allmählich an sich gewöhnt; man muss sich nur mit ihm abgeben, sich anpassen und einrichten, dann verliert es alle Wildheit. Zuletzt gewinnt das Wort "nur einmal" sogar einen freundlichen Klang. Dann seufzt die Seele erleichtert: Gott sei Dank, nur einmal brauchen wir zu sterben, dann ist es ein für allemal überstanden!

Weil der Mensch nur einmal stirbt, darum soll er es auch wissen, wenn der Tod kommt; er darf nicht überrumpelt werden, wenn es zu verhindern ist. Man lasse ihm die freundliche Hoffnung, damit sie die letzten dunklen Stunden noch ein wenig erhelle; so stark sind nicht viele, dass sie die Hoffnung missen können. Aber man täusche die scheidende Seele nicht über den Ernst ihrer Lage und stehle ihr nicht die kostbarsten Augenblicke. Wer vor dem letzten, einen, großen Schritte steht, von dem so viel abhängt, der hat Anspruch darauf, dass er sehend sei! Es frevelt die Hand, die ihm die Augen verbindet mit einer Lüge. Was glaubt man denn wunders zu tun, wenn man dem Sterbenden den nahenden Tod verbirgt? Man hat ihm höchstens einige ruhige Stunden verschafft, und wenn jemand sagt: das ist viel, so ist zu entgegnen: es ist ein erbärmliches Geschenk für eine unsterbliche Seele, die der Ewigkeit entgegengeht, um für immer selig oder unselig zu werden. Ein Christ erschrickt nicht so sehr vor einer Wahrheit, die er zu seinem Heile nützen kann. Und wenn er erschrickt, dann hat er die Wahrheit vielleicht um so nötiger und ist ohne sie um so schwerer betrogen. Es ist eine egoistische, lieblose und heidnische Schonung, die nur auf die wenigen flüchtigen letzten Momente des Erdenlebens schaut, als wäre der Tod das Ende, wo er doch ein Anfang und eine Entscheidung ist. In Wahrheit ist es nicht eine Schonung, sondern eine unbedachte Grausamkeit.

Es kann freilich sehr bitter sein, einem lieben Kranken mitzuteilen, dass er sich auf den Tod gefasst halten müsse, und vielleicht weiß er es einem zunächst gar nicht zu danken. Danach fragt die wahre Liebe nicht. Die Liebe bringt Opfer und nimmt auch das sehr schwere Opfer auf sich, wenn es sein muss: einer geliebten Seele wehe zu tun. Die Liebe weiß auch die Worte zu finden, die der Wahrheit die verwundende Schärfe nehmen; schon aus ihrer herzinnigen Teilnahme fließt linder Balsam. Die Liebe hilft der scheidenden Seele, nicht bloß, leicht zu sterben, sondern vor allem, gut zu sterben, denn der Mensch hat ja kein zweites Mal zu sterben.

Möge diese Liebe an unserm Sterbebett stehen!


(Augustin Wibbelt, 1862-1947)

Freitag, 23. Oktober 2015

Eins ist im andern




"Ich bin ja bei dir. Fühlst du denn nicht den goldnen Faden, der deine Seele mit der meinen verknüpft hält? Es ist kein weiter Weg vom Sichtbaren ins Unsichtbare, sie sind nahe beieinander und eigentlich nicht zu trennen. Eins ist im andern. Daran denke immer."


(Margarete Müller, 1920)

kurz gesagt




Man darf den Mut nicht sinken lassen!!

Es kommt auch wieder anders!!



Donnerstag, 22. Oktober 2015

Lied "Danke" ... an alle, die im Himmel sind


Die Ohnmacht der Menschen



Die Ohnmacht der Menschen gegenüber dem Tode

Von Alters her suchten die Menschen Trost und Hilfe wider den Tod. Aber in der ganzen Welt findet sich weder das Eine, noch das Andere. Der berühmte Kaiser Hadrian (gest. 138 n. Chr.), der sein Reich trefflich regierte, rief endlich, nachdem er überall Hilfe wider den Tod gesucht, verzweifelnd aus: "Meine liebe Seele, mein süßer Schatz, Gast und Gespielin dieses Leibes, du fährest nun dahin in der Irre an den finstern, kalten und schrecklichen Ort, du wirst mir keine Lust bereiten, wie du pflegtest, und wirst die lange Zeit mir nicht mehr verkürzen." Nicht besser ging 's dem Heiden Aristoteles (gest. 321 v. Chr.), der der Gelehrteste und Weiseste seiner Zeit gewesen. Der fand in seiner Wissenschaft so wenig Trost wider den Tod, dass er zuletzt ausrief: "Unter allen schrecklichen Dingen ist nichts schrecklicher als der Tod."

Man rühmt nun in unserer Zeit so sehr die Fortschritte in der Kunst und Wissenschaft. Wer wollte diese auch leugnen? Aber alle Fortschritte, die der natürliche Menschengeist macht, bringen keine wesentlichen Verbesserungen in der Lage der Menschen hervor, sie können den Tod und das große Elend, das in diesem einen kleinen Wörtchen liegt, nicht zur Welt hinausschaffen. Mit all ihrer irdischen Kunst und Wissenschaft kommen die Menschen nur bis ans Grab, nicht übers Grab hinaus. Hast du alles, was die Welt zu bieten vermag, Reichtum, Ehren, Würden, Fertigkeiten und Kenntnisse in aller Kunst und Wissenschaft, hast du das alles und sonst nichts - dann bist du doch eine arme Kreatur, denn der Tod schlägt dir einmal deinen ganzen glänzenden Glücksbau zusammen, wie im Traum Nebukadnezars der kleine Stein jenen ganzen prachtvollen Koloss, der nur auf schwachen, tönernen Füßen stand, zertrümmerte (Daniel 2).
Ein Simson konnte wohl die Tore Gazas ausheben und forttragen, aber unter allen Mächtigen der Erde findet sich keiner, der die Pforten des Todes forttragen könnte.


(Pfarrer Heinrich Guth, 1829-1889)

Mittwoch, 21. Oktober 2015

Geistlicher Liedtext von Nikolaus Hermann


Wenn mein Stündlein vorhanden ist,
und ich fahr' meine Straße,
so leit' du mich, Herr Jesu Christ,
mit Hülf' mich nicht verlasse!
Herr, meine Seel' an meinem End'
befehl' ich dir in deine Händ';
du wollst sie mir bewahren.

Die Sünde wird mich kränken sehr,
mein Herz wird mich verklagen.
Der Schuld ist viel, wie Sand am Meer,
doch will ich nicht verzagen.
Ich denk' in meiner letzten Not,
Herr Jesu Christ, an deinen Tod.
Der wird mich wohl erhalten.

Ich bin ein Glied an deinem Leib,
des tröst' ich mich von Herzen.
Von dir ich ungeschieden bleib'
in Todesnot und Schmerzen.
Und sterb' ich nun, so sterb' ich dir.
Ein ewig' Leben hast du mir
durch deinen Tod erworben.

Weil du vom Tod erstanden bist,
werd' ich im Grab nicht bleiben.
Mein höchster Trost dein' Auffahrt ist,
die kann die Furcht vertreiben.
Denn wo du bist, da komm ich hin,
dass ich bei dir stets leb' und bin.
Drum fahr' ich hin mit Freuden.

So fahr' ich hin zu Jesu Christ
und lasse nichts mich schrecken.
So schlaf ich ein und ruhe fein,
mein Jesus wird mich wecken.
Er lässet mich im Frieden ruhn,
wird mir die Himmelstür auftun,
und führen mich zum Leben.



(Nikolaus Herman, gestorben 1561)

Sonntag, 18. Oktober 2015

Gerade umgekehrt



"Gott schickt dir die Trübsal nicht, um dich niederzuschlagen, sondern dich aufzurichten; nicht, dass du den Kopf hängen lassen, sondern aufblicken sollst zu dem, von dem sie kommt. Fällt irgend etwas von oben, vom Dache, dir auf den Kopf, so siehst du schnell in die Höhe, woher es komme, wer es dir auf den Kopf werfe. Warum nicht auch, wenn dir der Herr ein Kreuz vom Himmel herab schickt? Wie verkehrt siehst du die Heimsuchung Gottes, das Leiden an, indem du glaubst, jetzt habe der Herr dein vergessen! Gerade umgekehrt: sie soll dir beweisen, dass Gott dein gedenket, dass er dich heimgesucht, bei dir eingekehrt hat, dass er dich lieb habe, und dich auserwählt machen wolle im Ofen des Elends, dass du zu ihm aufblicken sollst."


(Johannes Goßner, 1773-1858)

Freitag, 16. Oktober 2015

Gedicht von Hildegard Peresson


Nichts war umsonst

Wenn wir einmal gehen müssen .... was bleibt?
Ist es die Liebe, die wir in andere Herzen gelegt haben?
Ist es die Hoffnung, die wir anderen Menschen geschenkt haben?
Ist es der Glaube, der uns auf ein Wiedersehen hoffen lässt?
Ist es der Trost, den wir verbreitet haben?
Ist es der Gedanke an unsre Arme, die beschützt haben?
Sind es die schönen Worte, die wir gesprochen haben?
Das alles bleibt.
Nichts war umsonst ....


(Hildegard Peresson)

Geistlicher Liedtext von Viktor v. Strauß



O mein Herz, gib dich zufrieden!
O verzage nicht so bald!
Was dein Gott dir hat beschieden,
nimmt dir keiner Welt Gewalt.
Keiner hindert, was er will;
harre aus, vertraue still.
Geh des Wegs, den er dich sendet;
Er begann, und er vollendet!

Hüllt er dich in Dunkelheiten,
so lobsing ihm aus der Nacht.
Sieh, er wird dir Licht bereiten,
wo du 's nimmermehr gedacht.
Häuft sich Not und Sorg' umher,
wird die Last dir allzu schwer,
fasst er plötzlich deine Hände
und führt selber dich ans Ende.

Wär' auch alle Welt dir feindlich,
rottete sich wider dich -
dank ihm! O der Herr ist freundlich,
Seine Huld währt ewiglich.
Sind auch Trauer, Angst und Leid
seines Segens dunkles Kleid -
dank ihm! Er schickt seinen Segen
auf geheimnisvollen Wegen.

Endlich wird dein Morgen grauen;
kennst du nicht sein Morgenrot?
Darfst du zagend rückwärts schauen,
wenn dich Glut und Sturm bedroht?
Denn auch Feuerflamm' und Wind
Boten seines Willens sind,
und kann 's nur ein Wunder wenden,
auch ein Wunder kann er senden.

O so lass denn alles Bangen!
Wirke frisch, halt' mutig aus!
Was mit ihm du angefangen,
führet er mit dir hinaus.
Und ob alles widersteht,
im Vertraun und im Gebet
bleib am Werke deiner Hände;
so führt er 's zum schönsten Ende.


(Viktor von Strauß, 1809-1899)

Sonntag, 11. Oktober 2015

In der Fremde


Geistlicher Liedtext von C. B. Garve



Hier bin ich fremd, wie meine Väter waren.
Wie sollt' ich nicht zur Heimat freudig fahren?
Mir ist mein Bürgerrecht beim Herrn dort oben
schon aufgehoben.

Dort, wo der Fuß des Pilgers nicht mehr gleitet,
dort ist auch mir die Wohnung schon bereitet;
dort ist die Ruh' in ewig süßem Frieden
auch mir beschieden.

Noch wall' ich hier, umhüllt mit Staub und Erde,
gedrückt von Mängeln, Siechtum und Beschwerde;
dort werd' ich unter Engellegionen
gar herrlich wohnen.

Dort wird das dunkle Wort sich hell verklären,
kein Fehl wird mehr den reinen Frieden stören;
dort wird, von Sünde frei, mit neuen Zungen
Gott Lob gesungen.

Zwar Gottes Kinder sind wir schon auf Erden;
doch wer kann 's fassen, was wir dort sein werden?
O Herrlichkeit, in seines Lichtes Reichen
dem Herrn zu gleichen!

Gottlob! Ich bin hier fremd, wie meine Väter;
sie gingen früher heim, ich etwas später;
Gottlob! Ich werde zu der Heimat Freuden
von hinnen scheiden.


(Carl Bernhard Garve, 1763-1841)

Freitag, 9. Oktober 2015

Valse triste


Leiden macht die Seele klein



Wenn Leiden, Versuchungen, Dunkelheiten, Unglück oder was immer für Prüfungen und Heimsuchungen Gottes da sind, um uns zu demütigen, ist es freilich schwer für das arme Menschenherz, es weiß sich nicht mehr zu helfen; doch wenn es aufblickt zu dem, der Alles ordnet, und ohne den uns nichts geschehen und begegnen kann; wenn es zurückdenket, wie oft er schon aus der Not geholfen, die bange Seele getröstet, Freuden auf Leiden gesendet und allezeit einen großen Segen auf große Leiden folgen ließ, so kann es nicht verzagen, und wird, wenn es aushält, am Ende danken für den großen Gewinn, den die Seele dadurch erhalten hat.

Leiden demütigen, machen die Seele klein, gebeugt, führen zur Erkenntnis und zum Bekenntnis der Sünde - und den Demütigen gibt Gott Gnade; den Hoffärtigen widersteht er. Darum muss er zuerst unsre Hoffart, unsern Übermut niederschlagen, damit er den Gedemütigten Gnade erzeigen und sie aufrichten kann. Er sucht und bahnet sich also durch Leiden und Kreuz einen Weg zu unsern Herzen, wenn er sie vor unsrer Hoffart nicht finden kann. Er hat also nur Gnade, Friede und Verherrlichung im Sinn, wenn er dich gleich niedergeworfen, geschlagen oder gedemütigt hat. Er will dich groß und herrlich machen, darum hat er dich klein und niedrig gemacht. Willst du ihm das nicht erlauben? Willst du im wehren? So kann er nichts aus dir machen und du bleibst ein stolzer Narr, indem du den Weg zu deiner wahren Erhöhung fliehst.


(Johannes Gossner, 1773-1858)

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Zitat von Joyce Meyer



Wenn wir immer fragen "Warum, Gott, warum?" und alles ergründen wollen, bringt uns das nur durcheinander, es raubt uns den Frieden und letztendlich auch unsere Freude. Willst du dein Leben genießen? Dann höre auf, alles ergründen zu wollen!


(Joyce Meyer)


... und reiße den Hochmut nieder, der sich der wahren Gotteserkenntnis entgegenstellt. Jeden Gedanken, der sich gegen Gott auflehnt, nehme ich gefangen und unterstelle ihn dem Befehl von Christus. (2. Korinther 10, 5 GN)




Dienstag, 6. Oktober 2015

Geistlicher Liedtext von Chr. Neander



Er eilt, der letzte von den Tagen,
die du hier lebst, o Mensch, herbei.
Erkauf' die Zeit und, statt zu klagen,
sie sei zu kurz, gebrauch' sie treu.
Nimm mit erkenntlichem Gemüt
der nahen Stunde wahr; sie flieht.

Getäuscht von eiteln Kleinigkeiten
verlierst du deines Lebens Zweck,
verschiebst dein Heil auf ferne Zeiten
und wirfst so sorglos Jahre weg.
Bist du, zu kühner Sterblicher,
des nächsten Augenblickes Herr?

Einst Ewigkeiten zu besitzen,
dazu lass' dir des Lebens Zeit
als deine kurze Saatzeit nützen
und tu, was dir der Herr gebeut;
er ruft dir menschenfreundlich zu:
Die Zeit fleucht hin! Was säumest du?

Drum eil', errette deine Seele
und denke nicht: ein andermal!
Sei wacker, bet' und überzähle
der Menschentage kleine Zahl.
Gesetzt, dein Ende wär' auch fern,
sei fromm und wandle vor dem Herrn.

Mit jedem neu geschenkten Morgen
erwecke dich zu dieser Pflicht.
Sprich: Dir, o Gott, ist nichts verborgen;
ich bin vor deinem Angesicht
und will, mich deiner Huld zu freun,
mein Leben gern der Tugend weihn.

Erleucht' und stärke meine Seele,
weil ohne dich sie nichts vermag.
Du schenkst, dass ich mein Heil erwähle,
aus Gnaden mir noch diesen Tag.
Was ist nicht jede Stunde wert,
die deine Langmut mir gewährt?

Wohl mir, wenn ich aus allen Kräften
nach wahrer Weisheit hier gestrebt,
in gottgefälligen Geschäften
die Pilgertage durchgelebt
und einst im Glauben sagen kann:
du nimmst mich, Herr, zu Ehren an!


(Christoph Friedrich Neander, 1724-1802)

Montag, 5. Oktober 2015

Das Märchen vom Tränenkrüglein



Es war einmal eine Mutter und ein Kind, und die Mutter hatte das Kind, ihr einziges, lieb von ganzem Herzen, und konnte ohne das Kind nicht leben und nicht sein. Aber da sandte der Herr eine große Krankheit, die wütete unter den Kindern, und erfasste auch jenes Kind, dass es auf sein Lager sank und zum Tod erkrankte. Drei Tage und drei Nächte wachte, weinte und betete die Mutter bei ihrem geliebten Kinde, aber es starb. Da erfasste die Mutter, die nun allein war auf der ganzen Gotteserde, ein gewaltiger und namenloser Schmerz, und sie aß nicht und trank nicht, und weinte, weinte, weinte wieder drei Tage lang und drei Nächte lang ohne Aufhören, und rief nach ihrem Kinde. Wie sie nun so voll tiefen Leides in der dritten Nacht saß, an der Stelle, wo ihr Kind gestorben war, tränenmüde und schmerzensmatt bis zur Ohnmacht, da ging leise die Türe auf, und die Mutter schrak zusammen, denn vor ihr stand ihr gestorbenes Kind. Das war ein seliges Englein geworden und lächelte süß wie die Unschuld und schön wie Verklärung. Es trug aber in seinen Händchen ein Krüglein, das war schier übervoll. Und das Kind sprach: "O lieb Mütterlein, weine nicht mehr um mich. Siehe, in diesem Krüglein sind deine Tränen, die du um mich vergossen hast; der Engel der Trauer hat sie in dieses Gefäß gesammelt. Wenn du nur noch eine Träne um mich weinest, so wird das Krüglein überfließen, und ich werde dann keine Ruhe haben im Grabe und keine Seligkeit im Himmel. Darum, o lieb Mütterlein, weine nicht mehr um dein Kind, denn dein Kind ist wohl aufgehoben, ist glücklich, und Engel sind seine Gespielen." Damit verschwand das tote Kind, und die Mutter weinte hinfort keine Träne mehr. Um des Kindes Grabesruhe und Himmelsfrieden nicht zu stören, um des Kindes Seligkeit willen weinte sie keine Träne mehr, bezwang sie ihren ungeheuern tiefen Seelenschmerz. So stark und mächtig ist Mutterliebe!


(Ludwig Bechstein, 1801-1860)

Sonntag, 4. Oktober 2015

Um den Abend wird es licht sein. (Sach. 14,7)



Manchmal schauen wir erwartungsvoll in die Zukunft, in die Zeit der Tage grauen Alters, und vergessen, dass es um den Abend licht sein wird. Vielen Heiligen ist das Greisenalter die liebste Zeit ihres Lebens. Ein balsamischer Hauch fächelt des Seemanns Wange, wenn er dem Ufer der Unsterblichkeit naht, ruhigere Wellen umtanzen sein Schiff, ihm lächeln liebliche Gegenden zu, Ruhe herrscht um ihn, tiefe, stille, feierliche Ruhe. Verschwunden sind vom Altar des Alters die ungestüm lodernden Flammen des jugendlichen Feuers, aber die wahrere Flamme ernster Gefühle bleibt zurück. Die Pilger haben das Land "Meine-Lust-an-ihr" erreicht, das selige Gefilde, dessen Tage sind wie Tage des Himmels auf Erden. Engel besuchen es, himmlische Lüfte wehen darüber hin, Blüten des Paradieses wachsen darin, und den Luftkreis erfüllt Seraphs-Gesang. Etliche weilen hienieden jahrelang darin, und andre kommen erst wenige Stunden vor ihrem Abscheiden hinein, aber es ist ein Eden auf Erden. Wir dürfen uns wohl nach dem Augenblick sehnen, wo wir uns erquicken dürfen im Schatten ferner lieblichen Gebüsche, und uns sättigen mit der Hoffnung, bis die Zeit des Genusses herbeikommt. Die Sonne erscheint größer, wenn sie untergeht, als wenn sie hoch am Himmel steht, und ein herrlicher Glanz vergoldet alle Wolken, die sie beim Niedersinken begleiten. Mühsale vermögen die Ruhe der lieblichen Dämmerstunde des Alters nicht zu stören. Das Herz sammelt reife Früchte köstlicher Erfahrung zur Erquickung am Abendmahl des Lebens, und die Seele macht sich zur Ruhe bereit.

Des Herrn Volk erfreut sich des Lichts auch in der Stunde des Todes. Der Unglaube bebt und zagt; die Schatten sinken, die Nacht kommt, das Leben neigt sich zum Ende. O nein, ruft der Glaube, jetzt gerade hat die Nacht ein Ende und der wahre Tag bricht an. Das Licht ist gekommen, das Licht der Unsterblichkeit, das Licht von deines Vaters Angesicht. Lege deine Füße auf deinem Bett zusammen, siehe die wartende Schar der seligen Geister! Engel tragen dich hinweg. Lebewohl, Geliebter, du bist weggezogen, du winkst mit deiner Hand. O, nun wird 's Licht. Die Perlentore stehen offen, die goldenen Gassen strahlen im Schimmer des edlen Jaspis. Wir bedecken unsre Augen, aber du siehest das Unsichtbare; Lebewohl, Bruder, bei dir ist 's nun licht um den Abend, bei uns noch nicht.


(Charles Haddon Spurgeon, 1834-1892)

Samstag, 3. Oktober 2015

Geistlicher Liedtext (unbek. Verfasser)



In unsern Nöten fallen wir
voll' Reu' und demutsvoll vor dir
in unserm Jammer nieder,
denn Seuch' und Tod
umgibt uns, Gott,
und würget unsre Brüder.

So viele sanken schon ins Grab
wie unerwartet schnell hinab!
Wie ist um Hülf' uns bange!
O schone noch,
befrei' uns doch
von unserm Untergange!

Arzt, Kunst und Vorsicht retten nicht.
Wir haben keine Zuversicht
als nur zu deiner Güte.
Dem Tod, oh Herr,
gebeut, dass er
nicht weiter schrecklich wüte!

Wir glauben an den Sohn und dich.
Und darum schaue väterlich
auf tief gebeugte Sünder;
Denn du allein
kannst uns befrein;
errett' uns, deine Kinder!

Wir übergeben Volk und Land
in deine treue Vaterhand;
entferne jede Plage.
Erquick uns, Herr,
Allmächtiger.
Gib wieder heitre Tage!

Doch willst du uns noch nicht befrein,
so lass' uns, Gott, geduldig sein
und dir uns ganz ergeben!
Lass, sterben wir,
uns dort vor dir
in deiner Wonne leben.


(unbekannter Verfasser)

Freitag, 2. Oktober 2015

Grabrede (1864)



Am Grabe eines Apothekers

"O Tod, wie bitter ist dein Gedächtnis." (Sir. 41, 1)

Hochansehnliche!

Es unterliegt keinem Zweifel, Ihre Gemüter, verehrte Trauergenossen, sind mit Schmerz und Bitterkeit erfüllt, und wir sehen den wohledlen Herrn N. N. nur mit ganz betrübtem Herzen und mit Tränen befeuchtetem Auge zur Grabesruhe niederlegen.

Gewiss, Hochgeehrteste, ein trauriger Fall! Und wir dürfen überzeugt sein, hätte der Verblichene in seiner Offizin eine Arznei wider den Tod gehabt, ein Mittel, welches ihm die Bitterkeit des Sterbens, und die des Trauerns hätte erspart, gerne würde er es mitgeteilt, gerne würde er es angewendet haben. Das aber geht, wie wir alle wissen, nicht an. Gleichwie in den Gärten kein Kräutlein gegen den Tod gewachsen ist, also ist auch in den Apotheken kein Tränklein gegen denselben anzutreffen. Der bittere Tod hört nicht auf, bitter zu sein. Hat er ja doch selbst Christus den Herrn angegriffen, erst im Ölgarten, wo der Heiland blutigen Schweiß vergoss, sodann am Kreuze selbst.
Gegen die Gewalt des Todes, wenn des Menschen Stunde geschlagen und der Allmächtige gerufen hat, vermag weder Arzt noch Arznei etwas. Alsdann hilft kein Mittel mehr, und wir können, wie auch heute, nur aufseufzen: "O Tod, wie bitter ist das Gedenken an dich einem Menschen, der Friede hat in seinem Wohlstande!" Wie bitter ist das Gedächtnis und die Erinnerung an den Tod! Wie bitter für die hinterlassene Witwe? Wie bitter für die Kinder, wie herb für die Verwandten, für die Freunde? Wie empfindlich für die ganze Gemeinde? Ist es nicht so, geliebte Trauergenossen?
Was soll ich da noch weiter sagen? Womit werde ich euch trösten können? Da ich es für meine Pflicht ansehe, die Betrübten aufzurichten, so habe ich denn beschlossen:

1) die gewiss nicht zu verachtenden Mittel zu nennen, wodurch wir die Bitterkeit des Todes zu lindern im Stande sind; sodann

2) zum Gebrauche dieser schmerzlindernden Mittel aufzumuntern.

                                                                                    I.

Die Heiden haben, wie bekannt, allerlei Dinge ausgedacht, um den Gemütern die Bitterkeit zu benehmen, welche in Folge des Hintrittes unserer teuren Angehörigen einem jeden Menschen erwächst. Einige trösteten sich und andere mit dem Elysium, einer fabelhaften Insel im fernsten Westen, wo die besonders begünstigten Toten in dem erhöhten Genusse der menschlichen Freuden fortleben würden. Andere suchten Trost in einem berühmten, unsterblichen Namen. Welchen Trost jedoch können derlei Märchen und Gedichte bieten im Vergleiche mit der christlichen Glaubenswahrheit, welche uns lehrt, der sterbliche Leib werde wiederum zur Unsterblichkeit auferstehen? O welcher Trost! Und wäre ein Arzneiladen auch noch so reichhaltig, nichts, Geliebte, NICHTS ist in der ganzen Offizin so süß, als das Wort, welches Jesus zu Martha sprach: "Dein Bruder wird wieder auferstehen." (Joh. 11, 23)
O welch ein Trost für die Lebenden, zu wissen, ihre Verwandten werden wiederum auferstehen! Welch ein Trost für die Sterbenden: Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches! Welch eine Ermunterung aber auch, so zu leben, dass man einst glorreich auferstehe! Dieses ist es, was bei Vielen macht, dass die Hände gefaltet werden zum Gebete, die Augen angehalten werden zum Beweinen der Sünden, die Füße zum Kirchengange, die Ohren zum Anhören der Predigt, der Leib zu Bußwerken, der ganze Mensch zum göttlichen Dienste. O süßes Wort! O wohlschmeckende Arznei! Wie wird durch diesen Gedanken das bittere Gedächtnis an den Tod und die Toten gelindert und versüßt!
Darum, Geliebte, nehmet, wenn euch derlei bittere Gedanken quälen, nehmet dieses Linderungsmittel an die Hand: Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches!

Das andere Mittel ist: die Ergebung in den anbetungswürdigen Willen Gottes. Sagen wir mit Hiob: "Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; wie es dem Herrn gefiel, also ist es geschehen; gepriesen sei der Name des Herrn!" (1, 21) Dieses Mittel hat unser Herr und Heiland aus seinem Trauergarten besonders empfohlen. Denn wir wissen, was er uns lehrte, und wie man sich zu verhalten habe, wenn der Tod bevorsteht: "Nicht mein, sondern dein Wille geschehe!" betete er. (Luk. 22, 42) Dies, Geliebteste, ist ein Universalmittel gegen alle Bitterkeit des Lebens und des Todes.
Der selige, in Gott ruhende Herr N. N. wusste dieses Mittel gar recht zu gebrauchen. Hatte er zu klagen über etwas, was im Leben des Menschen Keinem ausbleibt, sofort dachte oder sprach er: Der Wille des Herrn geschehe! In diesen Willen schickte er sich im Leben wie im Tode. In diesem Willen ertrug er die Leiden seines Krankseins. In diesem Geiste starb er am -------, ergeben und zufrieden mit Gottes Ratschlusse.
Dieses nun: Gottes Wille ist vollbracht worden, und: Er wird wiederum auferstehen, dieses, meine Teueren, muss Sie trösten, es ist das Einzige, was das bittere Gedächtnis des Todes uns versüßen kann.

                                                                           II.

Wir wissen, wie bitter den Jüngern des Propheten Eliseus der Inhalt jenes Topfes vorkam, von dem sie sagten: "Mann Gottes, der Tod ist im Topfe!" (4. Kön. 4, 40) Bekanntlich hatte einer der Genossen aus Unwissenheit auch einige giftige Kräuter eingesammelt und in dem Topfe mitgekocht. Das Gemüse erhielt aber dadurch sofort einen derartig bitteren Geschmack, dass die Schüler des Propheten augenblicklich beim Verkosten in die obigen Worte ausbrachen. Die Bitterkeit und schädliche Wirkung nun vertrieb Eliseus dadurch, dass er ein wenig Gerstenmehl unter das Geköchte tat. Das gleiche müssen auch wir tun, Geliebte, um die Bitterkeit des Todes und die Schädlichkeit desselben zu beseitigen! Überall ruft man: Der Tod, der Tod, da ist der Tod! In größeren Städten kehrt er täglich, oft zu wiederholten Malen ein. Bald ist es ein geliebtes Kind, das wir begraben, bald ein Vater, bald ein Gatte, eine Mutter, eine Gattin, ein Freund, eine Braut, ein Bruder, eine Schwester, ein Lehrer usw. Überall Anlass zu Leid und Weh, zu Klage und Jammer. Was rat 's da? Was hilfe hier? Was tun? Wie soll man diesen Schmerz lindern, wie solche Bitterkeit versüßen? Wo Rettung, dass man sich nicht selbst zu Tode härmt? Gibt es doch nicht wenige, die sich gar nicht wollen trösten lassen!
Der beste Rat ist wohl dieser, dass man gedenke, um wie vieles es die Seele besser hat im Himmel, als auf Erden. Hier war sie voller Qual, ausgesetzt einem sterblichen, allerlei Krankheiten und Mühsalen unterworfenen Kerkerleben; denn das ist das Leben der Seele im Leibe. Sie hatte zu ringen mit Schmerzen. Nun ist sie frei, aus ist der Krieg, Friede und Ruhe umgibt sie nun, genießt sie nun. Nimmer begehrt die Seele eines selig Verstorbenen zurückzukehren in den Leib, den sie verlassen hat. Zudem wird einst auch der Leib, aber in glorreichem Zustande, sich mit der dahingeschiedenen Seele wieder vereinigen und auferstehen zur ewigen Herrlichkeit. Gewiss, derlei Gedanken sind völlig dazu angetan, alle Bitterkeit des Todes für immer zu verscheuchen.

Die Auferstehung unseres Leibes und seine Vereinigung mit der Seele in glorreichem Zustande, die Ergebung in den hl. Willen Gottes, sowie der Gedanke, dass die Seele nunmehr durch ihre Trennung vom Leibe frei geworden ist von den tausendfachen Qualen ihres irdischen Kerkerlebens und der Herrlichkeit der Verklärten genießt, dieses ist uns, was uns trösten muss, wenn wir den hl. Staub eines teueren Angehörigen mit Staub bedecken.

Fort denn mit der Bitterkeit des Todes! Den Gläubigen wird er süß, denn sie halten fest daran, der selig Vollendete ist am erwünschten Ziele und glücklich, wie ein Wandersmann im grünen Schatten, wie ein Pilger in der Herberge, angekommen am Orte seiner Reise, wie ein Schiffer, der im Hafen eingelaufen ist.

Nun aber lasset uns des Verstorbenen noch im Gebete gedenken und seiner hingeschiedenen Seele zum Troste aufblicken zum Vater aller und sprechen: Vater unser .... Ave Maria .... Amen.


(Priester Matthias Heimbach, 1864)

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Gedicht von E. Josephson (1865-1902)


Die Liebe hört nicht auf

Die Liebe hört nicht auf. So viel hört auf:
Manch trautes Glück, das tief ein Herz empfunden,
so viele klangumrauschte Freudenstunden,
doch trägt 's mein Herz im Jubelsturm hinauf:
Die Liebe hört nicht auf.

Die Liebe hört nicht auf, es bleibt der Kern,
mag auch die liebste Hülle kraftlos sinken,
die liebste treuste Hand zum Scheiden winken,
die Seelen leuchten ewig Stern an Stern
vorm Angesicht des Herrn.

Die Liebe hört nicht auf, sie hebt erst an,
sie blüht erst auf bei himmlischen Akkorden,
sie strahlt und duftet an der Heimat Borden,
wie nie sie in dem dunklen, fremden Bann
auf Erden je getan.

O süßer Trost, die Liebe hört nicht auf.
Noch fester will ich Herz an Herz mich schließen.
In lauter Liebestropfen soll zerfließen
mir freudenhell des dunklen Lebens Lauf,
denn Liebe hört nicht auf !


(Elisabeth Josephson, 1865-1902)