Nun bedenke, ob wir nicht arme, elende Leute sind, daß wir uns so heftig das lassen bekümmern, wo irgendeinem sein Gemahl, sein Kind, Bruder, Schwester oder sonst ein guter, vertrauter Freund dahin fällt? Wenn es viel ist, so hätte er noch zehn oder zwanzig Jahre bei dir mögen leben. Solche kleine Zeit läßt du dich so bekümmern und willst dich dagegen das nicht trösten lassen noch freuen, daß du anstatt so einer kurzen Zeit in Ewigkeit bei ihm wohnen und bleiben sollst in aller Freud und Wonne, da dagegen hier auf Erden nichts kann sein denn Unmut und Leid, wie wir täglich, sonderlich im Haushalten unter den verwandtesten und liebsten Freunden erfahren, da jetzt das, jetzt jenes mangelt, jetzt das krank wird, ein anderes einen Schaden sonst empfängt. Solches sind die Verstorbenen alles überhoben und liegen in ihrem Gräblein als in einem sanften Bett und leisen Schlaf, warten, wenn unser Herr Christus kommen, an das Bett klopfen und sie hervorrufen werde, daß sie mit allen Gottseligen, mit Gott und seinen lieben Engeln in Ewigkeit leben sollen. Wer will doch um solche Leute trauern, darüber wir Freude haben und Gott von Herzen dafür danken sollten, daß sie so nahe zu ihrer Hoffnung gekommen sind, dazu wir, die noch auf Erden übrig bleiben, so weit haben und so viel Gefahr müssen ausstehen, ehe wir dazu kommen.
Du verlierst dein liebes Kind, deinen lieben Gemahl oder sonst einen guten Freund; weine nicht, bekümmere dich nicht und laß dich nicht dünken, du habest ihn verloren. Denn gewiß ist es, er soll dir, sofern du auch ein Christ bist und bleibst, wieder werden. Unser lieber Herr Christus selbst will ihn am jüngsten Tag mit sich führen und euch also wieder zusammen helfen, daß ihr fortan ungeschieden und in Ewigkeit beieinander bleiben sollt. Das ist eine rechte Hoffnung und ein gewisser Trost.
© Martin Luther (1483-1546)