Das Unglück ist der Prüfstein der Gemüter.
© William Shakespeare (1564-1616)
Es ist ein alter Spruch: Das beste Leichentuch
ist Redlichkeit, sie würzt den Tod mit Wohlgeruch.
Es ist ein alter Spruch: Wenn sie mit dir nun schreiten
zu Grabe, werden sie verschieden dich begleiten.
Dein einer Freund, dein Gut, bleibt hinter dir im Haus;
dein andrer Freund, dein Ruhm, fliegt in die Welt hinaus.
Dein dritter Freund, dein Freund, begleitet dich ans Grab
und kehret um, sobald er warf die Scholl' hinab.
Die Liebe schickt vielleicht dir ein paar Tränen nach,
doch auf der großen Reis' ist dies Geleite schwach.
Ein gut Gewissen nur wird bei der Hand dich fassen,
nur d e r Geleitsmann wird dich nimmermehr verlassen.
Und was du Gutes hast vorausgesandt mit Beten,
tritt dir entgegen dort und wird dich dort vertreten.
© Friedrich Rückert (1788-1866)
Sie reden dir vom Witwenschleier -----
Mich aber dünkts ein Strahlenkranz;
sie sagen: das sind Tränenspuren -----
Mich aber dünkt es Perlenglanz.
Sie sagen, Trauerkleidung trägst du -----
Mich dünkt, du trägst ein Lichtgewand,
gewebt aus lauter Segensfäden
von deines guten Engels Hand.
Sie sprechen: Ach, er liegt im Grabe -----
Ich aber weiß: Es ist nicht wahr!
Dein Liebster lebt, befreit von Schlacken,
von irdschen Fesseln immerdar!
Er lebt! Und mit ihm lebt die Liebe,
die dich und ihn so fest vereint.
Er lebt! Euch beiden Gottes Sonne,
ja, Gottes Gnadensonne scheint.
Sie sagen: Witwenstand ist Elend,
ist Gram und Angst und Dunkelheit -----
Mich aber dünkt: ein heilger Stand ists
geheimnisvoller Herrlichkeit.
Denn eine rechte Witwe sendet
des Herzens Herze schon voraus,
und schon zur Hälfte lebt sie droben
im großen, güldnen Vaterhaus.
© Bertha Josephson-Mercator (1861-1906)
Ich fühle ein leises Klingen und Singen
in meiner Seele als dächtest du mein,
als wolltest du tausend Grüße mir bringen
und trotz der Entfernung vereint mit mir sein.
Ich fühle ein leises Erschauern und Beben,
ein wonniges Fluten in seliger Lust,
ein inniges, zartes Gedankenverweben
und bin mir der treuesten Liebe bewußt.
Und wenn auch das Schicksal mit starken Gewalten
uns zwingt in ein schmerzliches, bitteres Joch,
so wird unsre Liebe doch niemals erkalten,
was heiß uns durchglühet, das bleibet uns doch.
© Elsbeth Ebertin (1880-1944)
Wenn etwas gewaltiger ist als das Schicksal,
so ist es der Mut, der es unerschüttert trägt ...
© Emanuel Geibel (1815-1884)
Mit schwachen Armen, bleichen Wangen,
ein Kindlein steht vorm Bergmannshaus.
Da tritt, das Herz voll heißem Bangen,
sein Mütterlein zu ihm hinaus.
Die Locken streichelt sie dem Kinde,
das fröhlich spielt im Abendschein.
"Ach, Mütterl horch, die Glocken läuten,
jetzt kehrt der Vater wieder heim."
Jedoch des Schicksals schnelles Walten
manch Lebensglück im Nu zerbricht.
Es klingt die Glock' vom Turm, dem alten,
jedoch den Bergmann bringt sie nicht.
Nun fragt das Kind mit bangem Herzen:
"Was ist denn los, lieb Mütterlein,
die Glocken sind schon längst verklungen.
Kommt denn der Vater noch nicht heim?"
Es ist vorbei! Ein Bergmannsleben
kehrt nun nach kurzer Fahrt zur Ruh'.
Der Freunde Trauerklagen geben
dem Sterbenden Geleit dazu.
Da klingt 's auf einmal bitter weinend,
verklungen kaum des Priesters Reim:
"Ach, Mütterl horch, die Glocken läuten,
jetzt kehrt der Vater nimmer heim ..."
© Verfasser unbekannt, Fassung um 1850
Wenn im Purpurschein
blinkt der wilde Wein,
und am Bach die Weide steht bereift;
wenn die Zeitlos' blüht,
wenn die Drossel zieht
und ihr Scheidelied vom Schlehdorn pfeift;
wenn in Wald und Feld
laut der Bracke bellt,
und das schlanke Reh verbluten muss;
wenn die Haselmaus
in ihr Winterhaus
schleppt die allerletzte Buchennuss,
dann Adé, ihr Felder,
Berge, Föhrenwälder,
Pfarrer, Förster, Schultheiss, Müller, Bäck!
Hab das Wandern satt,
ziehe nach der Stadt,
wo der Roland steht am Rathauseck.
Blondes Gretelein,
lass das Trauern sein!
Mit den Schwalben komm' ich wieder her.
Sollt' ich sterben eh'r,
weine nicht so sehr,
weil es schad' um deine Äuglein wär' ....
© Ruldolf Baumbach (1840-1905)
Ich glaube an ewiges Leben,
wir sagen es tausend
unsterbliche Stunden,
wir sagen es tausend
Lichtgedanken,
die ungerufen
aus fernen Welten
ewiger Schönheit,
ewiger Wahrheit
herüber wehten
in meine ringende,
suchende, kämpfende Erdenseele.
Jede Welle
der wogenden Klänge
im Reiche der Töne,
jedes Gebilde
schaffender Hände,
jede Blume und jeder Windhauch,
vom leise flüsternden
Zephyrlüftchen
bis zu des Sturmes
Donnergebrause
schließt sich mit meiner
Seele zusammen
in einen jauchzenden,
Berge versetzenden,
Himmel stürmenden
Siegesruf:
"Ich glaube an ewiges Leben!"
© Therese Köstlin (1877-1964)
Mein Herz, was schlägst du gleich so bange,
wenn dir der Vater Trübsal schickt?
Sei still, mein Herz, es währt nicht lange,
bald endet alles, was dich drückt.
Noch will in dir die Welt sich regen,
die manches junge Herz betört:
die mußt du in ein Grabtuch legen,
gesegnen all, was ihr gehört.
Bald lockt sie dich mit ihren Freuden,
bald droht sie Leid und Kummer dir;
sie will von deinem Gott dich scheiden
und stellt dir ihren Götzen für.
Du darfst dich nicht mit ihr vereinen;
laß ihre volle Rose stehn
und siehe, wie die Lilien scheinen,
und höre, wie die Palmen wehn.
O sei, mein Herz, o sei zufrieden
mit allem, was der Herr dir gibt,
und denke, wie die Welt geschieden;
Gott prüfet dich, weil er dich liebt.
Ja, Vater, ich will still ergeben
mit meiner Bürde weitergehn,
die Hände fromm zu dir erheben
und nicht auf diese Erde sehn!
© Luise Hensel (1798-1876)
Der Vater mit dem Sohn ist übers Feld gegangen;
sie können, nachtverirrt, die Heimat nicht erlangen.
Nach jedem Felsen blickt der Sohn, nach jedem Baum,
Wegweiser ihm zu sein im weglos dunklen Raum.
Der Vater aber blickt indessen nach den Sternen,
als ob der Erde Weg er wollt' am Himmel lernen.
Die Felsen blieben stumm, die Bäume sagten nichts;
die Sterne deuteten mit einem Streifen Lichts,
zur Heimat deuten sie: wohldem, der traut den Sternen!
Den Weg der Erde kann man nur am Himmel lernen.
© Friedrich Rückert (1788-1866)
Christus im Herzen und das Kreuz auf dem Rücken heißt es bei allen wahren Christen.
© Martin Boos (1762-1825)
Nun bedenke, ob wir nicht arme, elende Leute sind, daß wir uns so heftig das lassen bekümmern, wo irgendeinem sein Gemahl, sein Kind, Bruder, Schwester oder sonst ein guter, vertrauter Freund dahin fällt? Wenn es viel ist, so hätte er noch zehn oder zwanzig Jahre bei dir mögen leben. Solche kleine Zeit läßt du dich so bekümmern und willst dich dagegen das nicht trösten lassen noch freuen, daß du anstatt so einer kurzen Zeit in Ewigkeit bei ihm wohnen und bleiben sollst in aller Freud und Wonne, da dagegen hier auf Erden nichts kann sein denn Unmut und Leid, wie wir täglich, sonderlich im Haushalten unter den verwandtesten und liebsten Freunden erfahren, da jetzt das, jetzt jenes mangelt, jetzt das krank wird, ein anderes einen Schaden sonst empfängt. Solches sind die Verstorbenen alles überhoben und liegen in ihrem Gräblein als in einem sanften Bett und leisen Schlaf, warten, wenn unser Herr Christus kommen, an das Bett klopfen und sie hervorrufen werde, daß sie mit allen Gottseligen, mit Gott und seinen lieben Engeln in Ewigkeit leben sollen. Wer will doch um solche Leute trauern, darüber wir Freude haben und Gott von Herzen dafür danken sollten, daß sie so nahe zu ihrer Hoffnung gekommen sind, dazu wir, die noch auf Erden übrig bleiben, so weit haben und so viel Gefahr müssen ausstehen, ehe wir dazu kommen.
Du verlierst dein liebes Kind, deinen lieben Gemahl oder sonst einen guten Freund; weine nicht, bekümmere dich nicht und laß dich nicht dünken, du habest ihn verloren. Denn gewiß ist es, er soll dir, sofern du auch ein Christ bist und bleibst, wieder werden. Unser lieber Herr Christus selbst will ihn am jüngsten Tag mit sich führen und euch also wieder zusammen helfen, daß ihr fortan ungeschieden und in Ewigkeit beieinander bleiben sollt. Das ist eine rechte Hoffnung und ein gewisser Trost.
© Martin Luther (1483-1546)
© Johannes Goßner (1773-1858)
Niedergeworfen in den Staub, erschüttert bis in die innersten Tiefen unserer Seele, und zerrissen von dem unnennbaren Schmerze, zu wem könnten wir allein unsere Zuflucht nehmen --- bei wem Licht und Trost und Kraft und Stärkung allein suchen und finden, als bei Dir, Du Gott!?
Zwar ist es Dein Werk, was uns in den unabsehbaren Jammer stürzt. Du, o Du, Gott der Liebe, Du hast uns sie genommen, die das Glück unseres Lebens, die Freude und die Wonne unseres Hauses gewesen ist, und hast sie uns so schnell und zu der Zeit genommen, da sie sich in dem ersten Genusse der Mutterfreuden Deiner, und Deiner sie noch überschwenglicher segnenden Vatergüte mit dem innigsten Danke freute. Aber sie, die Du uns nahmst, hattest ja Du zuvor uns gegeben, und mit dem unschätzbaren Besitze, dessen Entbehrung und Entziehung wir jetzt mit heißen Tränen bejammern, uns zuvor gesegnet. Und welches Recht hätten denn wir, die wir Dir als Dein Eigentum zurückgeben sollen, uns dessen zu weigern? Wie vermöchten wir 's, uns dagegen zu sträuben, da Du, allmächtiger Gott, es nicht einmal auf unsere Wahl ankommen liessest, ob wir auf dies von dir zurückgenommene kostbare Unterpfand Deiner Liebe gern und mit einer betäubenden, in Schrecken und Entsetzen uns versetzenden Eile entzogst, ehe wir es uns nur recht klar bewußt werden konnten, daß uns sein bisheriger Besitz entrissen werden möchte? Aber eben diese unerwartete, kaum dunkel befürchtete, und dann plötzlich erfolgte Losreißung des Teuersten, was ein liebender Gatte haben und womit Deine Vatergüte zärtliche Eltern segnen konnte - eben diese kaum angekündigte, und sodann unerbittlich schnell vollzogene, gewaltsame Trennung des Liebsten von den liebenden Herzen - diese Schickung, o Vater im Himmel, ist es, was unserem Schmerz seine schneidende Schärfe gibt, was unseren Jammer so unsäglich niederdrückend macht, was uns in den Staub niederwirft. Wir sind zwar weit davon entfernt, Dich, den unumschränkten Herrn und Gebieter über alles, darüber zur Rede zu stellen, warum Du dies schwere Opfer von uns forderst. Mag es uns noch so wehe tun, daß damit ein junges Leben von 23 Jahren zerstört, das Glück eines erst seit dreiviertel Jahren geknüpften ehelichen Bandes vernichtet, und dem achttägigen Säugling das erste Lehens-Gut mit der nun entzogenen Muttertreue und Mutterpflege entrissen wird; mag es uns noch so viele blutige Tränen kosten, in unserer Mitte d i e zu vermissen, die mit ihrer frommen Heiterkeit und warmen Herzlichkeit unter allen, die mit ihr verbunden waren, Freude und Leben verbreitete, und durch ihre zarte Liebe und unermüdete Tätigkeit für die Zufriedenheit und das Glück ihres Gatten, durch die treueste mütterliche Fürsorge für das Wohl und das Leben ihres Säuglings, durch die dankbarste Bemühungen für die Freude und Ruhe ihrer kindlich geliebten Eltern, und durch ihren Eifer in Belehrung, Leitung und Ermunterung ihrer Geschwister, den schönen Familienkreis beglückte und erheiterte; mag endlich die Erinnerung, daß sie Dir, dem Gott ihres Lebens, noch mit sterbenden Lippen für das unaussprechliche Glück dankte, das Du sie in dem Besitze dieses ihres Gatten hast finden lassen, mag diese Erinnerung noch so schmerzlich ihn daran mahnen, was er an ihr hatte, und mit ihr verlor - hier kommen unsere Gefühle und unser Verlust in keine Betrachtung gegen das nähere Recht, das Du an sie vor uns hast; uns gebührt nur das, daß wir uns ehrfurhtsvoll unter Deinen heiligen, obgleich für uns unerforschlichen, Ratschluß beugen. Und Dank sei Deiner gnädigen Leitung, mit welcher Du uns diese Unterwerfung zu erleichtern suchtest! Denn Du hast selbst die Sterbende zu dem Werkzeug brauchen wollen, um im Augenblick der befürchteten nahen Trennung von ihr - unseren bebenden Herzen Ruhe und Ergebung in diesen Deinen, unserer Liebe so beschwerlichen Willen zuzusprechen. Denn warum anders hat sie, die es auch nicht verhehlte, wie schmerzlich ihr die Trennung von ihren Lieben, besonders zur Zeit der schönen Morgenröte ihres ehelichen Glücks und in den ersten Tagen ihrer Mutterfreuden, falle, warum hat sie doch die Stärkere unter uns sein, und ihren Tod als Deinen Willen uns verkündigen müssen; warum anders so ernsthaft uns zugerufen: Alle Menschen müsse sterben, als um uns an die zwar unabänderliche, aber im Grunde doch heisame Abhängigkeit ihres Lebens von Deiner allweisen Liebe desto kräftiger zu erinnern? Und hat sie nicht das unseren Herzen unverschmerzlich geschienene Wort: "Sterben" gleich darauf mit einem Ausdrucke gemildert, der uns über dieser Veränderung mit ihr, wie sie selbst, beruhigen sollte? Hat sie nicht ihren Tod uns als einen Hingang zu ihrem Heiland ansehen gelehrt? --- Diese Gesichtspunkte, woraus sie uns ihren Tod betrachten lehrte, sind in der Tat auch diejenigen, von welchen aus es uns allein möglich wird, ihn erträglich zu finden, und welche uns den Weg zeigen, auf welchem unsere tieferschütterten Gemüter zur Ruhe gelangen und des verlorenen Friedens wieder teilhaftig werden können. --- Dabei hat Deine Treue noch dafür gesorgt, daß diese Belehrungen sich desto tiefer in unsere Herzen einsenken müssen. Es waren ja Worte, die letzten Worte einer sterbenden Gattin, Tochter und Schwester, --- wie heilig und unvergeßlich müssen sie uns schon darum sein? Wie ermunternd und stärkend ihr Beispiel des unbeweglichen Glaubens an eine allweise und allgütige Leitung ihrer Schicksale, und der felsenfesten Hoffnung auf eine ewige und himmlische Seligkeit in der Gemeinschaft mit Jesu Christo, ihrem Herrn, für uns werden? Und wie wichtig das uns sein, daß, was sie uns zum Trost sagte, sich an ihr selbst augenscheinlich in seiner Kraft und so bewährt hat, daß wir, wenn wir ihrem Leitfaden und Beispiele folgen, zu derselben Erhebung und Ruhe uns emporzuarbeiten mit Gewißheit hoffen dürfen.
Allein, vergib, vergib, o Vater im Himmel, uns noch die Frage: Ob es Dir, dem ja alles möglich ist, ob es Dir, der ewigen Liebe, nicht möglich gewesen wäre, das teure Leben, das Du nun einmal von uns zurück fordertest, auf eine das Herz nicht so gewaltsam erschütternde Weise zurückzunehmen? Wir kennen ja Dein Vaterherz - wir erfahren täglich Deine Milde - und wir sind mit allen unseren Verhältnissen, mit dem Maße unserer Kräfe und mit der Gewalt unserer Gefühle Deinem allsehenden Auge so offenbar, daß wir nicht zweifeln können, Du werdest, wenn Deine Weisheit uns etwas Herbes aufzulegen für gut findet, Deinen heiligen Rat über uns mit der möglichstzarten Schonung vollziehen. Und doch, wie dürften wir Dir verbergen, was Dein Auge in der Tiefe unseres Herzens selbst sieht - wie es verhehlen, daß wir mit der Strenge, womit Du in diesem Falle uns behandeltest, verschont zu sein gewünscht, daß wir vor Dir, der Du so wohl weißt, was für schwache Geschöpfe wir sind, erwartet hätten, Du werdest den harten Schlag weniger betäubend und erschütternd für uns machen, als er es dadurch werden mußte, daß er auf einmal so plötzlich und so unerwartet, vollstreckt wurde. Denn wir meinen, das gewaltige Entsetzen und der heftige Schrecken hätte uns nicht so ergreifen können, wenn der Übergang vom Leben zum Tod nicht so überraschend gewesen wäre, sondern Deine erbarmende Liebe uns auf die Nähe und Gewißheit dieser schmerzlichen Trennung mehr und länger vorbereitet hätte. Freilich erkennen und glauben wir es selbst, daß nicht nur Dein Rat, der über das Leben unserer Teuren und Geliebten in der schönsten Blüte ihrer Jahre gebot, sondern auch die Art, wie Du ihn ausführtest, heilig, weise und gut sei - und wir sind weit davon entfernt, jetzt schon im hellen Lichte aufgedeckt zu wünchen, was Du unseren Augen aber nicht unserem Glauben verborgen hast. Und so wirst Du die nicht aus einem unmutsvollen Herzen über Deine Wege geflossene Frage: Ob das Erschütternde und Betäubende bei dieser Trennung nicht hätte verhütet werden können - dem Deiner unvergleichlich vertrauenden Weisheit und überschwenglichen Güte kindlich vertrauenden Gemüte um so nachsichsvoller verzeihen, weil wir in dieser Dunkelheit Deiner Schickung nicht mehr Licht verlangen, als Du uns selbst zu geben für gut findest - und im Grunde nichts weiter zu wissen wünschen, als von welchen Seiten wir diese Deine Strenge anzusehen haben, um sie, was sie auf den ersten Anblick nicht scheint, was wir aber doch glauben, ohne zu sehen, doch wohltätig für uns und wohltätig für unsere unvergeßliche Tote zu finden? Und, o welchen beruhigenden Aufschluß über die Eile, womit Du sie aus unserer Mitte versetzt hast, finden wir nicht, wenn wir uns nur im Geist recht lebhaft an ihr Sterbebett zurückversetzen? Denn da waren wir ja die jammernden Zeugen davon, welch ein schwerer Kampf der Liebe in ihr aufgeregt wurde, als mit den - in jedem Augenblicke sich verstärkenden krampfhaftigen Beängstigungen sie, sie selbst die Predigerin ihres nahen Todes - für uns wurde. Wollte nicht dem herzzerreißenden Anblick ihres von der Gewalt des Schmerzes niedergedrückten Gatten, ihres zarten, ach! nun bald mutterlos werdenden Säuglings, ihrer jammernden Eltern, und ihrer in Tränen zerfließenden Geschwister und Freunde - ihre Kraft selbst erliegen - und der Trennngsschmerz ihren Glaubensmut überwältigen? Wußte sie sich nicht unter dem hilflosen Beben der Ihrigen mit neuer Glaubenskraft zu ermahnen, und für sich und für sie Trost und Stärke in dem Zurufe sammeln: Ich gehe zu meinem Heiland? Und wie könnten wir denn bei diesem ihrem Zartgefühl uns einbilden, daß, wenn sie nicht bloß einige Stunden, sondern mehrere Tage der schmerzlichsten Trennung von ihren Lieben mit bestimmter Gewißheit hätte entgegensehen müssen, ihr dieselbe leichter geworden wäre? Ist es nicht vielmehr klar, daß dann ihre Liebe nur desto länger hätte kämpfen, desto bitterer hätte leiden, und eine desto schmerzlichere Prüfung hätte überstehen müssen? O die schnelle und gewaltsame Auflösung der Bande, die sie an uns knüpfte, war Wohltat für sie - damit hast Du, o Vater im Himmel, die ihr so bittere Trennung möglichst verkürzt und damit in Wahrheit erleichtert. Aber sie, diese plötzliche Auflösung des sichtbaren Bandes zwischen ihr und uns sollte auch Wohltat für uns sein. Erinnern wir uns nur des peinlichsten Gefühls, als unsere ohnmächtige Liebe, die nach Hilfe und Rettung so schmerzlich verlangte, nirgends keine finden konnte. Und Du, o Du ewige Liebe, der Du uns diese wartenden Empfindungen unseres unkräftigen und vergeblichen Mitleidens, welche der längere Anblick immer höher steigenden Leidens und eines später erfolgten aber härteren Todeskampfs in uns erregt hätte erbarmungsvoll erspartest, Du hättest uns nicht gerade durch die scheinbare Strenge wohlgetan? Oder war denn diese letzte, das junge Leben unserer unvergeßlichen Toten so gewaltsam zerstörende, Krankheit nicht von der Art, daß sie, wenn sie noch so lang gedauert hätte, doch die langsam Hinsterbende in einen ungleich bemitleidenswürdigen Zustand versetzt, und ihr längeres Leben ungenießbar für unser Herz gemacht haben würde? Gewiß auch hier sind Deine Wege, o Gott, wenn wir mit ruhiger Fassung über sie nachdenken, sträflich - auch wenn Du noch so wehe tust, Deine mit uns wohlmeinende und alles wohl machende Güte kannst Du nicht verleugnen!
Und ist denn die Teure und Geliebte, weil sie aus unserem sichtbaren Kreise getreten ist, deswegen zu beklagen? Für Dich, o Vater im Himmel, der Du frühe ihr Herz gesucht, und sie in Deiner Furcht erhalten hast, für Dich ist mit ihrem Tod gerade die Veränderung vorgegangen, wodurch sie der beseligenden Einflüsse Deiner Gnade am empfänglichsten und fähigsten geworden ist. Mit ihr ist es nun dahin gekommen, daß sie d e n jetzt sehen kann, auf den sie lebend und sterbend vertraut hat, und im Hinblick auf ihr unvergleichlich besseres Los können wir ihre frühere Vollendung für die preiswürdigste Wohltat ansehen, die Du, o Gott, Ihr je erzeigen konntest. Nimm daher an ihrem Grabe das Opfer des Dankes von uns gnädig auf, daß Du die Bildung ihres Geistes und Herzens zur Erkenntnis der Wahrheit von Jesu Christo und zur Liebe gegen Dich und ihn gesegnet, und das gute Werk hier in ihr angefangen hast. Der frühe schon in ihr Herz durch die häusliche und öffentliche Erziehung gepflanzte, und in der entscheidenden Stunde des Todes zu so schönen Früchten herangereifte gute Same - wird sich, in Deinen himmlischen Garten verpflanzt, noch kräftiger entwickeln, und noch herrlicher entfalten; wir sind der guten Zuversicht, daß Du, der Du in ihr angefangen hast das gute Werk, es auch vollführen werdest bis an den Tag Jesu Christi. Aber die Kraft der himmlsichen Tröstungen, die sie über den Trennungsschmerz so mächtig emporhoben, ergieße, ergieße auch, o Vater der Liebe, Du Gott alles Trostes, über die Tieftrauernden. Du hast ein schönes, und durch seltene Eintracht der Gemüter engverknüpftes eheliches Band bald, ach! so bald wieder gelöst! Aber dafür hast du ein Band der Liebe dadurch geschlungen, das kein Tod und kein Grab mehr zerreißen kann. Denn Liebe kann nicht untergehen - sie bleibet, sie reicht in die ewige Welt, und ist unvergänglich. Ja noch in der sichtbaren Welt hast Du dem trauernden Witwer, den Eltern und Geschwistern ein kostbares Unterpfand ihrer Liebe zurückgelassen - ihr Säugling, der in ihr seine Mutter verloren hat, ist an ihre Stelle getreten, auf ihm ruht ihrer aller Liebe zu ihr - er erhält ihr Dasein im unsterblichen Andenken. Erhalte deswegen, Du Gott des Lebens, den Liebenden diesen köstlichen Nachlaß; stärke seine Kräfte, und nimm ihn in Deine besondere väterliche Erziehung und Leitung, daß er, dem das Glück entzogen worden ist, seine Mutter hier kennen zu lernen, ihres Anblickes vor deinem Thron fähig werden und sie, was sie nicht ohne Kampf hier zurückließ, einst ewig bei sich haben möchte. Sei überhaupt dem ganzen Trauerhause, sei besoners den schwer Geprüften, dem Witwer und den Eltern, mit Deinem Troste, mit Deiner Kraft und mit Deiner Gnade nahe. Heile Du die tiefen Wunden, die Du in ihren Herzen geschlagen hast, mit dem Balsam Deines Wortes - und hilf uns allen, so zu leben, daß wir, zu welcher Zeit und unter welchen Umständen Du uns abrufen magst, im Tode das Leben finden.
Ich sterb' im Tode nicht!
Mich überzeugen Gründe,
die ich, je mehr ich forsch'
in meinem Wesen finde.
Ich sterb' im Tode nicht!
Weil selbst mein Heiland spricht:
Wer an mich glaubt, der stirbt
gewiß im Tode nicht. Amen.
© Trauerrede gesprochen von Hrn. Stadtpfarrer Hofacker (1798-1828)
Trachtet nach dem, das droben ist, nicht nach dem, das auf Erden ist. (Kolosser 3, 2)
Wer solche Sterbekunst gelernt hat, zu arbeiten und zu wachen, als ob er seine Seligkeit erwerben müßte, zu glauben aber, daß sie ihm aus Gnaden geschenkt wird, der reinigt sich und hält seine Fenster offen gen Jerusalem, daß Ewigkeitslust durch sie ins Herz einziehe und der Strahl des ewigen Lichtes seinen Pfad erleuchte. Er wird in der Heiligung immer ernster, in dem Selbstgericht immer enger, immer mehr abgewandt dem Vergänglichen, immer mehr zugewandt dem, was ewig bleibt. ---- Schwer bleibt auch für den Christen der Gedanke an den Tod, schwerer noch die Bereitung auf den Tod, am schwierigsten die Todesstunde selbst. Aber in der Gewißheit, daß die Lösung aller Ängste des Lebens in der Erlösung ruht, traut er seinem Herrn, daß sein Hingang ein Heimgang wird, und ist gleich dem Wanderer, der die "Herberge nicht ungern verläßt".
© Hermann Bezzel (1861-1917)
Wenn einer starb, den du geliebt hienieden,
so trag' hinaus zur Einsamkeit dein Wehe,
daß ernst und still es sich mit dir ergehe
im Wald, am Meer, auf Steigen, längst gemieden.
Da fühlst du bald, daß jeder, der geschieden,
lebendig dir im Herzen auferstehe,
in Luft und Schatten spürst du seine Nähe,
und aus den Tränen blüht ein tiefer Frieden.
Ja, s c h ö n e r muß der Tote dich begleiten,
ums Haupt der Schmerzverklärung lichten Schein,
und t r e u e r ---- denn du hast ihn alle Zeiten.
Das Herz hat auch sein Ostern, weg der Stein
vom Grabe springt, dem wir den Staub nur weihten;
und was du ewig liebst, ist ewig dein.
© Emanuel Geibel (1814-1884)
Du warst mein Augenstern, mein Augenblick,
mein Hier und Jetzt, mein ganzes Glück.
Mein Lebenssinn, mein Ruhepol,
mein Brandungsfels, mein Seelenwohl.
Warst Wärme mir in kalter Zeit,
ein Mensch, mit einem Herz so weit.
Dein Arm war mir ein starker Halt,
wenn mir die Welt zur Schreckgestalt.
Schien ich verloren, warst du nah.
Und als ich keinen Weg mehr sah,
und nicht mehr wusste, wo ich bin,
gingst du mit mir durch dick und dünn.
In Finsternis warst du mein Licht,
warst Kompass mir bei schlechter Sicht.
Du warst der Tag in meiner Nacht,
und hast aus Ängsten Mut entfacht.
Was du für mich gewesen bist
und nun im Reich der Sterne ist,
verwahre ich mit großem Weh,
bis ich dich droben wiederseh' .....
© Bettina Lichtner
Ich kenn' ein einsam Plätzchen auf der Welt,
liegt ruhig still verborgen,
dort flieh' ich hin, wenn mich der Kummer quält,
dort klag' ich meine Sorgen.
Es liegt nicht weit, nicht weit von hier.
Der liebste Platz, den ich auf Erden hab,
das ist die Rasenbank am Elterngrab.
Da zieht 's mit Zaubermacht mich immer hin,
wenn Menschen mit mir streiten.
Dort merk ich nicht, daß ich verlassen bin,
dort klag' ich meine Leiden.
Da reden mir die Toten zu,
die Eltern mein in ew'ger Ruh.
Der liebste Platz, den ich auf Erden hab,
das ist die Rasenbank am Elterngrab.
Und wenn ich einstens lebensmüde bin,
muß dieser Welt entsagen,
dann, guter Gott, gewähr' die Bitte mir,
laß mich zum Friedhof tragen.
Drückt mir der Tod die Augen zu,
dann legt mich dort zur ew'gen Ruh,
an jenen Platz, wo ich mein Liebstes hab,
dort bei der Rasenbank am Elterngrab.
© Verfasser unbekannt, um 1900 (alte Volksweise)