Donnerstag, 7. Februar 2019

Gewiss ungewiss




Nichts ist gewisser als der Tod,

nichts ungewisser als seine Stunde.


(c) Anselm von Canterbury, 1033-1109

Dienstag, 5. Februar 2019

Täglicher Blick in das Grab



Das Grab ist da! Hier steht mein Bette,
da ich den Tod umarmen soll;
ach, wer sich gut gebettet hätte,
der schliefe sanft und ruhte wohl.
Man denket gar zu wenig dran,
dass man so leicht hinsterben kann.

Das Grab ist da! So heißt es immer.
Wir gehen ein und gehen aus.
Die Welt ist wohl ein schönes Zimmer,
doch aber ein geborgtes Haus.
Bequemt man sich am besten hier,
so weiset uns der Tod die Tür.

Das Grab ist da! Oft bei der Wiegen.
Wie manches Kind grüßt kaum die Welt,
so muss es schon im Sarge liegen,
dieweil der Tod nicht Ordnung hält
und alles ohn' Erbarmen bricht,
die Frucht sei zeitig oder nicht.

Das Grab ist da! Die besten Jahre
sind auch des blassen Todes Raub,
der wirft den Stärksten auf die Bahre
und legt den Schönsten in den Staub.
Ein jeder Schritt, den man vollbracht,
naht sich mit uns zur Grabesnacht.

Das Grab ist da! Sobald wir älter,
so gehn wir auf den Kirchhof zu.
Die Glieder werden immer kälter
und sehnen sich selbst nach der Ruh';
denn Sterben ist der feste Schluss;
der Junge kann, der Alte muss.

Das Grab ist da! Was sollt ich wähnen,
dass es noch ferne von mir sei?
Denn man begräbt ja den und jenen,
und jeder muß an diese Reih'.
Wie manchen legt man auf die Bahr',
der jünger und gesünder war.

Das Grab ist da! Ich will mit Buße
dahin stets meine Wallfahrt tun.
Ich falle dir, mein Gott, zu Fuße,
ach, lass mich nicht in Sünden ruhn.
Wer Sünde mit sich nimmt ins Grab,
der stirbt nun auch dem Himmel ab.

Das Grab ist da! Wo mich 's soll laben,
so muss ich auch im Glauben mich
in meines Jesu Wunden graben.
Mein Heiland, ich umfasse dich.
Denn du bist meines Todes Tod.
Steh mir bei in der letzten Not.

Das Grab ist da! Mein kurzes Leben
soll künftig desto frömmer sein,
und nicht nach Pracht und Reichtum streben,
das ist ein kalter Leichenstein.
Die Grabschrift, die die Tugend gräbt,
macht, dass man auch im Tode lebt.

Das Grab ist da. Das Weltgetümmel
stört mich bei dem Gedanken nicht:
Je näher Grab, je näher Himmel.
Wer weiß, wie bald mein Herz mir bricht?
Und doch erschreck' ich nicht dafür.
Mein Grab wird mir zur Himmelstür.

Das Grab ist da! Ich steh vielleichte
mit einem Fuße drinnen schon.
Wie, wenn ich 's heute noch erreichte?
Die Zeit eilt flügelschnell davon.
Doch ich bin immerdar bereit,
das Grab sei nahe oder weit.

Das Grab ist da! Weg Eitelkeiten!
Bei euch vergisst man nur das Grab.
Ich will mich täglich so bereiten,
dass ich den Tod vor Augen hab'.
Ich bin ein Mensch, so heißt es ja:
Das Grab ist da! Das Grab ist da!


(c) Benjamin Schmolck, 1672-1737

Ein Maskenmund tragischer Klage



Wir wissen nichts von diesem Hingehn, 
das nicht mit uns teilt.
Wir haben keinen Grund, 
Bewunderung und Liebe oder Hass
dem Tod zu zeigen, 
den ein Maskenmund tragischer Klage
wunderlich entstellt.
Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen.
Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen,
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt.




(c) "Todes-Erfahrung", Rainer Maria Rilke, 1875-1926

Montag, 4. Februar 2019

Ach, dein Nahesein ...



"Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." (Matthäus 28, 20)


Ach, mein Herr Jesu, dein Nahesein!

Wenn wir das doch beherzigen wollten! Wenn wir doch Ernst machen möchten mit dieser Verheißung unseres Herrn und die Kräfte in uns aufnehmen wollten, die darin liegen!

Aber es gibt so viele, die immer nur rückwärts schauen nach Golgatha, wo der Heiland für uns starb und die ewige Gerechtigkeit uns erworben hat. Sie vergessen ganz, dass wir in dem Herrn nicht nur unsere Gerechtigkeit, sondern auch unsere Stärke haben sollen. Und andere wieder denken nur an die Stunde in der Ewigkeit, wo Jesus sie im Gericht mit seiner Gnade decken und schützen wird. Sie haben beide ganz recht. Jesus Christus war gestern und er wird in Ewigkeit sein. Aber sie vergessen ganz, dass er auch heute ist.

Nicht nur rückwärts nach Golgatha und nicht nur vorwärts zur Ewigkeit dürfen wir blicken, sondern vor allem sollen wir Auge und Herz zu dem Himmelfahrtsberge richten, auf dem uns der Herr die Zusicherung gibt: Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Siehe! Wenn wir nur die Augen aufmachen wollten, könnten und müssten wir den lebendigen Heiland sehen, der auch in den Stürmen dieser Zeit durch unsere Reihen geht, die Trauernden tröstend, die Schwachen aufrichtend, die Sterbenden segnend.

Tu doch nur die Augen auf, dann siehst du ihn, wie er dir zur Seite steht. Auch in der Einsamkeit bist du nicht allein. Auch wenn du teure Menschenhände loslassen musst, er bleibt bei dir, in jeder Lage, an jedem Tage, im Dunkel der Nacht, in Herzensangst und in Todesnöten. Und weil wir ihn haben, gibt es kein ungetröstetes Elend mehr.

Ob wir auch wandern im finstern Tal, Herr, du bist bei uns. Dein Stecken und Stab trösten uns. Aber wir sind oft so verzagt, weil wir dich nicht sehen. Ach, öffne uns die Augen. Rühre uns das Herz an. Sprich zu unserer Seele. Herr, dass wir dich sehen mögen. Amen.


(c) Dr. Paul Conrad, 1865-1927

Philipp Kremer, gestorben 17.9.1885



Augsburg, 19. September 1885

Trauerrede für Philipp Franz Alois Kremer

Omnia bene fecit. Er hat alles gut gemacht. (Markus 7, 37)


Wie selten zollt der Mensch seinem Schöpfer diese schuldige Anerkennung; wie selten ist der Dank: o Gott, Du hast alles gut gemacht. Wie oft dagegen murrt er gegen die Wege der Vorsehung, wenn es ihm wie dem Kinde ergeht, dem der Vater das Gift aus den Augen räumt, dass es dem Kinde nicht schade. Und dennoch muss der denkende und gläubige Christ so oft im Leben ausrufen: o Gott, Du hast alles so gut gemacht; oder doch wenigstens beim Scheiden aus diesem Leben Gott die Ehre geben: o Vater, Du hast es mir so gut gemeint.

Ich will am Grabe eines lieben Gatten und Vaters in seinem Namen ausrufen:

O Gott, Du hast alles gut gemacht.

Und diese Worte zum Troste und zur Erbauung der verehrten Trauerversammlung auf ihn anwenden.

Sie gelten dem wohlgeborenen Herrn Privatier Philipp Kremer; derselbe war geboren zu Augsburg am 8. Dezember 1823 als der Sohn des Magistratsrats und Großhändlers Matth. Kremer und seiner Gattin Barbara, geborene Kaiser, und starb nach langem Leiden, versehen mit den Tröstungen seiner heiligen Religion, wie wir glauben, selig im Herrn, am 17. September morgens 3 Uhr.

Der Herr hat alles recht gemacht.

Freilich, spricht der Neid, es war ja ein reicher Mann, der viele Güter auf Erden besaß. Dem reichen Manne gilt mein Wort nicht; er war gewöhnt, sich nur als Verwalter des Herrn anzusehen und seine Verwaltung war eine gerechte, der Gebrauch seines Reichtums ein vernünftiger. Ich hätte hier schöne Gelegenheit, ihn wenn nicht als reichen und angesehenen, doch wenigstens als einen wohltätigen Mann hervorzuheben und seine guten Werke zu preisen; doch wäre mein Lob eitel und wertlos am Grabe eines Mannes, der einfach und bescheiden im Leben nie Anerkennung und Beifall anstrebte und Almosen nicht des Lohnes wegen gab. Ihm fehlt heute, wie ich hoffe, der schönste Lohn nicht, wenn so mancher, wie ich weiß, beim Klang der Scheidungsglocke, die seinen Hingang verkündete, für seine ewige Ruhe ein aufrichtiges Vaterunser betete.

Aber eines darf ich hier bemerken: wenn er gab, ohne Aufsehen und zeitliche Absicht, so gab er mit Klugheit und Überlegung; er hatte durch zwölf Jahre als Armenpflegschaftsrat Gelegenheit, einen Blick in das menschliche Elend, aber auch einen Blick in menschliche Armseligkeit und Charakterlosigkeit zu tun.

Der Herr hat alles gut gemacht; das Wort will ich anwenden auf den Verstorbenen bezüglich seiner Berufstätigkeit und seines einzig schönen Familienlebens.

Herr Philipp Kremer besuchte nach Vollendung der Elementarschule das Gymnasium zu St. Stephan dahier und erlangte auch das Gym.-Absolutorium; hier legte er den Grund zu jener allgemeinen Bildung, die wir später an ihm wahrnahmen, die ihn so vorteilhaft auszeichnete; um sie zu erweitern, machte er eine Reise nach Italien; dort, wo die üppigste Natur in wunderbarer Schönheit das Gemüt entzückt, dort, wo überall dem betrachtenden Auge die Spuren seines Volkes, seiner Kraft und Tätigkeit und seiner Kunst begegnen, bereicherte er seine Kenntnisse und förderte durch das Erfassen vergangener Zeiten das Verständnis der gegenwärtigen Zeitereignisse.

Nach zweijährigem Aufenthalte kehrte er zurück und war mit ernstem Fleiß in dem Geschäfte seines Vaters tätig.

Aber bald trieb es den strebsamen jungen Mann nach Selbständigkeit. Er gründete im Jahre 1855 die bekannte Kremer'sche Handschuhfabrik, welche er in Compagnie mit seinem Herrn Bruder Emil bis zum Jahre 1879 leitete; nicht die Liebe zur Bequemlichkeit und Ruhe, sondern fortwährende Kränklichkeit zwang ihn, sich aus dem Geschäfte zurückzuziehen. Was ist nun der ganze Inhalt dieser 25 Geschäftsjahre? Er zeigte sich allenthalben als ein edler Charakter, gerecht und billig gegen jedermann, voll teilnehmender Sorgfalt für seine Arbeiter.

Das sind vielleicht gut angebrachte Redensarten, um den Angehörigen zu gefallen? Ich habe Gründe für meine Behauptung.

Unter den vielen kostbaren Kränzen, welche Sarg und Grab schmücken, bemerkte ich auch einen solchen mit weißem Atlasband, auf welchem die goldenen Worte stehen: "Von den Arbeitern gewidmet."

Als er im Jahre 1879 aus dem Geschäfte zum eigenen Leidwesen und zum Bedauern seiner Arbeiter austrat, überreichten ihm diese eine prachtvoll ausgestattete Adresse, in welcher sie ihre Trauer über sein Scheiden und ihre Anerkennung für seine gewissenhafte Fürsorge und ihren Dank aussprachen und damit den Ausdruck der Liebe und Verehrung verbanden.
Wenn gleiches Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit überall bestünde, so wäre die soziale Frage und Gefahr nicht so brennend geworden.

Am 21. Juli 1851 verehelichte er sich; am Altare stand an seiner Seite eine blühende Jungfrau, durch äußere Vorzüge, aber mehr durch den Reichtum des Gemütes ganz geeignet, ihn durchs Leben zu begleiten und in schlimmen Tagen ihm Stütze und Freude zu sein. Es war Fräulein Bertha Keller, älteste Tochter des Gräflich v. Maldeghem'schen Rentbeamten A. Keller in Nieder-Stotzingen; dort versprach sie, Freud und Leid mit ihm zu teilen und in guten und bösen Tagen bei ihm zu verharren, ach, letztere waren es viele in einer 34jährigen Ehe; und doch alle glückliche, wie sie ihm alles war; nur einen Tag allein ohne sie zuzubringen, war ihm schon Opfer und mit ihr war es ihm leicht, durchs Leben zu gehen, begleitet von Liebe und Treue bis zum letzten Händedruck beim Sterben.

Gott hat es aufs neue recht gemacht, indem aus der Ehe vier Kinder hervorgingen; seine liebe Bertha, die immer bei ihm blieb und die Mutter in der letzten Zeit im Krankendienst ablöste; ein Sohn und eine Tochter, glücklich verheiratet; sie konnten je zwei liebe Enkel dem teuren Großvater in die Arme geben; seine liebe Marie starb schon 1862, erst zehn Jahre alt, nachdem sie auf dem Sterbebett die erste heilige Kommunion empfangen und den trauernden Eltern die Gewissheit des Wiedersehens gegeben hatte.

Erst vor wenigen Wochen waren ihm Zwillingsenkel gegeben; sie starben aber bald, nachdem sie in der heiligen Taufe Gottes Kinder geworden, und sie gingen, dem Großvater das Grab - nein, den Himmel zu öffnen.

Seit 1862 war er leidend; er trug ein Leiden, das mit viel Entsagung verbunden war und das in Folge natürlicher Reizbarkeit bei angegriffenem Lebensorgan viel Selbstbeherrschung verlangte; eine Kluft bestand zwischen ihm und dem Lärm oder den Genüssen der Welt: dafür aber war ihm die viel schönere Welt in der geliebten Familie; alle innig und liebend um ihn: voll Teilnahme und liebevolle Pflege für ihn, der alle Liebe mit seinem Segen und dem Beispiele starkmutiger Ergebung vergalt.

Wie ward ihm das leicht?

Die Kremer'sche Familie, der er entstammte, ist bekannt als eine christliche, die immer zur rechten Zeit ihre gläubige Gesinnung bekundete und betätigte.

Wir stehen am Familiengrab; hier ruht auch der ehrwürdige Großvater, der einstige Bürgermeister der Stadt, A. Kremer, der, es sei hier zu bemerken gestattet, gerade vor 50 Jahren, im Jahre 1835 an der Spitze der katholischen Bürgerschaft sich an den hochseligen König Ludwig I. wandte, um die Einführung des Benediktiner-Ordens und die Errichtung des Klosters St. Stephan für Unterricht und Erziehung der katholischen Jugend zu erbitten.

Was seine Vorfahren geglaubt und bekannt, bekannte und glaubte auch er; sein Gemüt, seine Seele war tief religiös angelegt und Religion war ihm ein Bedürfnis und ein Stab und Licht in den dunklen, langen Tagen des Leidens.

Wie er dem Herrn die Ehre gab, wenn es seine Kirche oder sein Herz erforderte, wie er im Leben durch seine Ostern in Vereinigung mit seinem Heilande stand, so suchte er auch im Sterben bei Ihm Kraft und Gnade; im Leben den Seinen ein Vorbild und ein Leiden, war er es auch im Sterben durch den erbauenden Empfang der Sterbesakramente.

Gestärkt und ergeben in Gott, zufrieden, wie Er es gemacht an ihm, starb er sanft und ruhig am Donnerstag morgens 3 Uhr, an dem Tage, der ganz besonders der Verehrung der lieben Frau gewidmet ist; sein letztes Wort war: Maria, liebe Mutter, steh' mir bei.

Möge sich heute an ihm alle Verheißung und alle Gnade des Herrn erfüllen, dass er, wie auch einst wir, wenn wir das Tagwerk vollbracht haben und aus der Welt scheiden, im ewigen Leben als Dank und Anbetung des Vaters im Himmel ausrufen können: Er hat alles recht gemacht ! Amen.



(c) veröffentlicht von Domdekan Franz Permanne, 1901

Anmerkung:
Frau Bertha Kremer, geb. Keller, geboren im Jahre 1832, folgte Ihrem Gatten im Jahre 1903 in die Ewigkeit.
         

Sonntag, 3. Februar 2019

In der weiten Zeit



Blumenmeer im Kirchenschiff.
Rundherum ein tiefes Seufzen.
Wenn sich Tod und Leben kreuzen,
gleitet alles aus dem Griff.

Andächtiges Trauerwort.
Weinen hier. Im Sarge Stille.
Vor der toten Leibeshülle
kniet sogar der reichste Lord.

Wertlos scheinen Gut und Geld.
Sinnlos alles Kriegsgetöse.
Jede Stunde scheint poröse.
Klein auf einmal alle Welt.

Nahe schlug die Sense ein.
Und den Lebenden wird bange.
Ihnen schwant wohl: Nicht mehr lange
wird des Lebens Odem sein.

Jetzo stehen sie am Grab,
bald schon liegen sie im selben.
Unter himmlischen Gewölben
gleicher Trott im müden Trab.

Angesichts der Ewigkeit
sind selbst hundert Jahr' Sekunden.
Irgendwann sind wir verschwunden,
in der weiten, weiten Zeit ....


(c) Bettina Lichtner

Engel schützen uns



"Die Engel schützen uns vor dem,
 was wir nicht ertragen können."


(c) Rudolf Steiner, 1861-1925

Unter Lilien



Unter Lilien, jener Freuden,
sollst du weiden,
Seele, schwinge dich empor.
Wie ein Adler fleuch behende.
Jesu Hände
öffnen schon das Perlentor.

Lasst mich gehen, lasst mich laufen
zu dem Haufen
derer, die des Lammes Thron
nebst dem Chor der Seraphinen
schon bedienen
mit dem reinsten Jubelton.

Löse, erstgeborner Bruder,
doch die Ruder
meines Schiffleins. Lass mich ein
in den sichern Friedenshafen
zu den Schafen,
die der Furcht entrücket sein.

Nichts soll mir am Herzen kleben,
süßes Leben,
was die Erde in sich hält.
Sollt ich noch in dieser Wüsten
länger fristen?
Nein, ich eil' ins Himmelszelt.

Herzensheiland, schenke Glauben
deiner Tauben,
Glauben, der durch alles dringt.
Nach dir girret meine Seele
in der Höhle,
bis sie sich von hinnen schwingt.

O, wie bald kannst du es machen,
dass mit Lachen
unser Mund erfüllet sei.
Du kannst durch die Todestüren
träumend führen
uns machst uns auf einmal frei.

Du hast Sünd und Straf getragen,
Furcht und Zagen
muss nun ferne von mir gehn.
Tod, dein Stachel ist nun abe,
aus dem Grabe
werd ich fröhlich auferstehn.

Herzenslamm, dich will ich loben
hier und droben,
in der zartsten Liebsbegier.
Du hast dich zum ewgen Leben
mir gegeben.
Hole mich, mein Lamm, zu dir.


(c) Johann Ludwig Konrad Allendorf, 1693-1773

Samstag, 2. Februar 2019

Ach frage nicht, wie ich mich fühle



Ach frage nicht, wie ich mich fühle.
Mir steht der Sinn nach Freude nicht.
Ich bin ein Kind der Schicksalsspiele,
gebeugt vom göttlichen Gericht.

Ich muss mich fügen all den Dingen,
die mich bedrängen wie 's beliebt.
Ein Freudentanz will nicht gelingen,
mir ist die Seele zu betrübt.

Zu schwer hab' ich am Kreuz zu tragen,
das mir das Leben auferlegt.
Jedoch, jedoch, was nützt das Klagen,
wenn rechts und links die Gerte schlägt?

Sie wird darob nicht innehalten.
Sie schlägt und denkt sich nichts dabei.
Die Leidensstunden werden walten,
ob 's passt, ob nicht ist einerlei.

Es bleibt mir nur, es hinzunehmen,
und ehrfürchtig und stark zu sein.
Mich laden wohl die unbequemen
Momente stets zur Prüfung ein.

Mein Leben - lauter Feuerproben.
"Dein Wille, Herr, sei mir Befehl.
Trotz Tränen werd' ich deiner loben.
Dein Wort ist meiner Seele Öl.

Voll Demut folg' ich deinen Schritten,
und heißt der Weg auch Bitterkeit.
Du gehst ja mit. Du bist inmitten
der allergrößten Traurigkeit."


(c) Bettina Lichtner

... bis die Morgenröte anbricht



"Und Jakob blieb allein. Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach." (1. Mose 32, 25)


Jakob blieb allein. Da denken wir an die Ärmsten, die allein geblieben oder einsam geworden sind, die ganz allein stehen in der Nacht ihrer Trauer und in dem Dunkel ihrer Tränen. Sie sind, ähnlich wie Jakob, hineingeworfen in das bitterste Ringen, das sich denken lässt. Was ihnen sonst so wichtig war, hat seine Bedeutung für sie verloren. Jetzt müssen sie sich durchkämpfen durch alles Dunkel und innerlich fertig werden mit dem Unfassbaren, das sich ihnen in den Lebensweg legte.

Und macht nicht jeder Mensch solche Stunden durch, wo er ganz allein ist? Wo ein gewaltiges Ringen anhebt in seiner Seele? Wenn erst die Räder stocken an deinem Lebenslauf, dann wacht dir wohl erschrocken die tiefste Seele auf. O, diese furchtbaren Nächte, dies Alleinsein, diese Einsamkeit. Da kommen sie, die Schatten der Vergangenheit; längst Begrabenes wird wieder lebendig; die Toten stehen auf; Gott selber tritt uns entgegen, nicht als der liebreiche Vater, sondern als der strenge Richter, der Rechenschaft von uns fordert und wir können ihm auf tausend nicht eins antworten!

Nur sich diese Stunden nicht vertreiben! Nur nicht ihrem Gericht entfliehen wollen! Lass nicht ab, zu ringen, zu beten, zu kämpfen, bis du mit dir und Gott in Ordnung bist. Handle nach dem Rat des Kirchenvaters Augustin: Wenn du dich vor Gott fürchtest, dann wirf dich ihm in die Arme! Auch diese dunkle Nicht geht zu Ende, und die Morgenröte bricht an, und dir geht die Sonne auf, und dich grüßt das Gnadenantlitz deines Gottes!

Barmherziger Vater, in Buße beugen wir uns vor dir und erflehen deine Hilfe. Lass uns in deinem Worte Licht und Kraft und Trost finden in dieser schweren Zeit und gib bei aller Angst in unsere Herzen deinen Frieden. Nimm dich aller einsamen und ringenden Seelen an. Erhöre uns um unseres Heilands willen. Amen.


(c) Dr. Paul Conrad, 1865-1927

Freitag, 1. Februar 2019

Das ist alles.



"Ich habe nicht den Eindruck, dass wir uns im Sterben von unsern Lieben trennen. Der Herr gibt mir dann nur eine Wohnung, die ein wenig weiter von den Meinen entfernt ist, so dass unser sichtbarer Verkehr für einige Zeit unterbrochen wird. Das ist alles."


(c) Johann Friedrich Oberlin, 1740-1826

Komme bald, Herr Jesu



Herr, unsere Seele verlangt und sehnt sich nach dir, der für sie gestorben und auferstanden ist, und dein heiliger Geist lehrt uns beten: "Komme bald, Herr Jesu!" Wenn auch dein "Über ein Kleines" länger währt, als wir denken und wünschen, so trösten wir uns doch deiner wahrhaftigen Zusage, dass du uns Fremdlinge in die Heimat und uns Pilgersleute ans Ziel bringen willst, und glauben, du werdest alle unsere Traurigkeit in Freude verwandeln. Komme zu uns, die wir ohne dich verwaist sind, und besuche uns mit dem Friedensgruß, vor dem Stürme weichen. Endlich aber lass uns dein Antlitz schauen in Gerechtigkeit und in unverlierbarer Freude vor dir bleiben in Ewigkeit. Amen.


(c) Hermann Bezzel, 1861-1917