Montag, 31. Oktober 2016

Ein Engel?



Alles liegt mit dir begraben,
was zu Lebzeit uns erfreut:
Träume träumen, Ziele haben,
und die Unbefangenheit,

und die unbeschwerten Stunden,
jedes Lachen, jeder Kuss,
auch der Plan vom Weltumrunden,
ach ... mit alledem ist Schluss.

Alles liegt nun in der Erde,
und das Gras wächst drüber weg.
Ob ich 's je begreifen werde?
Hat der Tod denn einen Zweck?

Buddeln will ich, dich zu holen
aus dem schwarzen, dunklen Sand.
Hätt' dich gern dem Tod gestohlen, 
skrupellos, mit bloßer Hand.

Sind ja bloß zwei kurze Meter,
die dich trennen von der Welt.
Jemand flüstert: "Werd' ein Beter!
Akzeptier', was dir missfällt.

Sieh dich um: an jeder Stätte
standen Menschen so wie du,
die da flehten: 'Gott, ach hätte
es ein End' mit dieser Ruh'.

Aber: alle müssen gehen,
denke mal darüber nach."
Ich versuchte, den zu sehen,
der so mahnend zu mir sprach.

Doch auf all den Friedhofswegen
war kein Mensch, der ging, noch stand.
Nirgendwo war wer zugegen!
War 's ein Engel? Gottgesandt?

Eine Botschaft, mich zu trösten?
Ach, da wurd' das Herz mir still.
Unter Tränen, die sich lösten,
sprach ich leis': "Wie Gott es will ..."



(c) Bettina Lichtner