Donnerstag, 19. Juni 2014

Bloß raus



Der Schmerz ist ein Kerker, ein finsterer Knast.
Nun ist er seit ewigen Zeiten mein Gast
und denkt nicht daran, zu verschwinden.
Er macht was er will und erst recht, wie 's ihm passt.
Und wenn er vom Kopf bis zum Zeh mich umfasst,
dann will er mich fürchterlich schinden.

Da dachte ich eben, ich hätt' ihn besiegt,
schon hat er mir wieder die Felder gepflügt
und sät seine düsteren Samen.
Und weil er mich gerne im Tränenbett wiegt,
und weil er auch gerne Gefühle verbiegt,
da ruft er mich lauthals beim Namen.

Er ruft und ich folge, als wäre ich sein.
Als lüd' er mich freundlich zum Festmahle ein.
Ja, bin ich denn völlig von Sinnen?
Er will mir nichts Gutes. Er ist ja gemein.
Er formt aus dem Herz einen eiskalten Stein.
Und will mich auf Dauer gewinnen.

Als sei er die Schlange vom biblischen Wort.
"Doch warte mein, mein Lieber, ich jage dich fort.
Ich werde mich deiner befreien!"
Es gibt einen schöneren, besseren Ort.
Und wenn ich ihn finde, dann bleibe ich dort.
Ich werde die Suche nicht scheuen!

Der Schmerz wird vergehen. Ich weiß es genau.
Dann breche ich aus aus dem traurigen Bau
und lauf' in die Arme der Liebe.
Ich spüre die Wärme. Ich fühle, ich tau'.
Das eisige Leiden, das Weh und das Au,
weicht bald dem erwachenden Triebe ….



© Bettina Lichtner