Sonntag, 19. Juli 2015

Gebet um Trost (von Johannes Arnd)



"O du Vater aller Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, des Zorn einen Augenblick währet, der du Lust hast zum Leben, und die Menschen sehr lieb hast, bei welchem seine Heiligen in Gnade sind, des Tun lauter Güte und Treue ist! Siehe, ich bin in großen Ängsten. Traurigkeit hat mich überfallen und Leiden ohne Zahl, nicht allein äußerlich, sondern auch in meinem Geiste innerlich, und wäre nicht Wunder, dass ich vor Leid verginge. Ach siehe, um Trost ist mir sehr bange; nimm dich meiner Seele herzlich an, dass sie nicht verderbe, dass der böse Feind dein Wort nicht aus meinem Herzen reiße, und mich nicht überrede, an deiner Liebe und Gnade zu zweifeln, oder dir nicht zu vertrauen. Ach, meine Seele ist voll Jammers, und mein Leben nahe bei der Hölle. Ich leide deine Schrecken, dass ich schier verzage. Ach HERR, ich leide Not, lindere mir 's. Erleuchte mich mit deinem Licht und Trost, dass ich in deinem Lichte sehen möge das Licht und dein freundlich Angesicht. Lass mich saugen und satt werden von den Brüsten deines Trostes, und erquicke mich, ehe ich hinfahre und nicht mehr hier bin. Ach Herr Jesu! Du hast alle müden Seelen zu dir gerufen, sie zu erquicken: Ach, ich bin mühselig und beschweret, äußerlich und innerlich. Du bist ja auch zur Zeit deines Leidens traurig und bis in den Tod betrübet gewesen, hast gezittert, gezaget und blutigen Angstschweiß geschwitzet, bist aber durch einen Engel vom Himmel gestärket. Darum um deiner heiligen Seelenangst willen mache mich deines Trostes teilhaftig, und lass mich nicht verzagen. Ach HERR, du bist ja in deinem höchsten Leiden mit Galle und Essig getränket worden; mildere mir meinen bitteren Kreuztrank. Ja, weil du nach deiner Auferstehung deine betrübten Jünger besucht, ihnen deine Hände und Füße als Trostspiegel gezeiget, so erscheine mir auch freundlich und tröstlich. Und ob ich ja mit Petro fiele, mit Thoma zweifelte, so bitte ich, HERR, du wollest mich nicht lassen irre gehen, sondern dies verlorene Schaf suchen, mir deine Wunden zeigen in deinen Händen und Füßen und in deiner Seite, dass ich nicht ungläubig, sondern gläubig sei, und dass ich mit Thoma sagen möge: Mein HERR und mein Gott! Und wenn der Satan mir seine feurigen Pfeile ins Herz schießet, so gib, dass ich ihm wieder die Nägel und den Speer, damit deine Wunden eröffnet, ins Herz schießen und ihn überwinden möge. O Gott Heiliger Geist, du Stärke der Schwachen, Trost der Betrübten, Kraft der Müden, aller Traurigen Fürsprecher, Beistand, Versicherung und Unterpfand! Ach stehe mir bei, wenn mich der Satan mit Unglauben und Verzweiflung angreifet, dass ich an deiner Gnade verzagen soll; wenn sich darob mein Herz ängstet und mit der Anfechtung kämpfet, mir aber derselbige Kampf viel zu schwer wird, so stehe mir bei, du wahrer und höchster Tröster in aller Not. Sei du meine Stärke, mein Sieg, meine Kraft, mein Licht, mein Heil, dass ich durch dich überwinde und die Krone des Lebens davon bringe. Amen."


(Johannes Arnd, 1612)