Freitag, 11. Januar 2019
Am Grab eines Fremden
Andächtige!
Der Tod überrascht den Menschen überall. Auch in der Fremde, wo keine teure Hand uns die Augen zudrückt, können wir sterben, auch auf der Reise können wir die letzte Reise antreten müssen. Ein Beispiel haben wir an dem Verlebten hier, der in Geschäften (zum Vergnügen) hier seit Tagen sich aufhaltend plötzlich erkrankte und, ohne die geliebte Heimat (Familie usw.) wieder gesehen zu haben, hinweg starb. Möge seine Asche auch in der Fremde hier im Frieden ruhen; sind wir ja doch alle in der Fremde hier, und nur der Himmel ist unser Vaterland. Dort hoffen wir den Verblichenen wiederzusehen und nicht bloß wir, sondern all jene, die ihm im Leben nahestanden und näher angehörten und denen es versagt war, ihn hier noch am Leben anzutreffen. Glücklich, dass wir Menschen unseren Gott überall so nahe haben. Auch der Verblichene ward des Empfanges seines Herrn noch gewürdigt; ich selbst reichte ihm vor einzigen Tagen die heilige Kommunion. Der Heiland, der ihm h i e r so nahe stand, wird es ihm auch d o r t sein. Denn was sollte man anders urteilen von einem im Herrn verschiedenen Gläubigen, als was der königliche Prophet David ausspricht: "Seine Ruhestätte sei im Frieden und in Sion seine Wohnung."
Ja,
1) Gott ist ein treuer Belohner der Gerechten
2) aber auch ein strenger Vergelter der Gottlosen.
1) Gott ist ein treuer Belohner der Gerechten. Wer sich diese Wahrheit zum Grundstein seines Christentums legt, wie solches der hl. Apostel Paulus will, indem er sagt: "Wer zu Gott kommen will, muss glauben, dass er ist, und dass er denen, die ihn suchen, ein Vergelter sein wird." (Hebräer 11, 6), der hat in seinem Glauben ausreichend genug Trost- und Aufmunterungsmittel; er wird fortschreiten in den christlichen Tugendwerken und immer mehr in der Vollkommenheit wachsen. Mag ich immerhin hier von meinen Neidern und Widersachern verfolgt werden, ich leide es gerne: Gott ist mein Lohn. Mag über mich kommen Krankheit und Folter, Schneiden und Brennen, es kann mir doch nicht fehlen: Gott ist mein Lohn. er große Himmelswächter, der sorgsame Menschenhüter gibt auf mich Acht, er zählt nicht bloß die Haare meines Hauptes, er zählt auch meine Schritte, um selbe reichlich zu vergelten, wie schon Hiob sagt: "Auch meine Schritte hast du gezählt" (Hiob 14, 16) und ich werde sie wiederfinden in der Ewigkeit.
O liebliches Trostwort. O unfehlbares Glaubenswort. Wenn David erklärt: "Der Herr kennt den Weg der Gerechten" (Psalm 1, 6), so will uns das nach Cassiodorus so viel sagen wie: Er kennt der Gerechten ganzen Lebenslauf, ihre Taten, ihr Wirken, ihre Bemühungen, ihr Wollen, ihr Denken. Dies alles beachtet und befördert er und freut sich, seine unsagbar herrlichen, himmlischen Reichtümer den Gerechten einst dafür mitteilen zu können.
Im Buch der Sprüche lesen wir: "Der Herr kennt die Wege, die zur Rechten sind." (4, 27) Welches diese Wege sind? "Von der rechten Hand beginnt die Bewegung.", sagt Aristoteles. Diejenigen Dinge wurden vor Zeiten für glücklich angesehen, welche von der Rechten anfingen. Die Wege zur Rechten nun sind unsere guten Werke, unser Gebet, Almosen, Fasten, Wachen, Arbeiten zur Ehre Gottes, unsere Geduld, Sanftmut, Barmherzigkeit usw. Kurz: unser ganzer Wandel, der, wenn er ein guter, ein christlicher war, endlich an der Himmelspforte anlangt, wie wir solches auch von dem Verlebten hier im Sarge hoffen und wünschen, da er wachte und betete, so lange ich ihn während seiner letzten Krankheit, die ihn hier so plötzlich überfallen hat, kenne. O wie sehnlich verlangte er nach den heiligen Sakramenten, wie ergeben nahm er den Tod auch hier in der Fremde an! Ein sanfter Tod hat ihn in die Arme des himmlischen Belohners gelegt.
2) Ich komme nun auch zu den Gottlosen, welche die Wege zur Linken wandeln. Saget an, was haben denn diese Leute dermaleinst, vielleicht morgen schon, zu hoffen? Unser Gott wäre kein gerechter Gott, wenn er diese Menschen nach so vielen Fehltritten, auch so zahlreichen Beleidigungen seiner göttlichen Majestät, nach so groben Lastern und Missetaten sollte ungestraft lassen. Aber die Schrift belehrt uns eines anderen: "Der Herr ist gerecht." (Psalm 144, 17), sagt sie. Nun denn, gerechter und allmächtiger Gott. Wie wirst du deine Feinde, deine Verächter, Spötter und Lästerer strafen und zerschmettern? Wahrlich, mit scharfer, mit eherner Hand.
Welches diese Strafen sind, lehrt uns deutlichst unser Glaube. Ein unruhiges, ewig nagendes, ewig folterndes Gewissen, das schon in diesem Leben den Bösen oft schwerer peinigt als irgendein Henkersknecht. Dieser Gewissenswurm aber stirbt, wie die Schrift ausdrücklich sagt, nie, und ewig dauern diese Schlangenbisse fort. Ist es deshalb nicht unsinnig, sein Heil so leichtsinnig zu verscherzen, so liederlich zu verspielen?
Hinzu kommt noch die andere Strafe: das ewige Feuer, die Gesellschaft der abscheulichen Geister, der verruchtesten Teufel und endlich - ich halte es mit Recht für das Härteste - die Beraubung der Anschauung Gottes.
Wenn es auch keine größere Strafe gäbe, als die, deren David erwähnt mit den Worten: "Die Gottlosen werden beim Gericht nicht auferweckt." (Psalm 1, 5) zum besseren Leben, es reicht schon dieses hin, uns erbeben zu machen, dass das Leben, zu dem wir beim letzten Gericht erwachen, ein ewig unglückseliges ist. Wahrlich, Gott ist ein schrecklicher Vergelter des Bösen! Aber alle, die in die Hand des rächenden Gottes fallen, müssen sich sagen: Wir haben es nicht anders verdient.
Bevor wir von diesem Grabe uns hinweg verfügen, lasset uns noch bedenken, dass wir alle hier auf Erden Fremdlinge sind, Pilger, Wanderer nach der himmlischen Heimat. Wie aber dieser Tote hier, obgleich im Orte, seinen Gott und Heiland auch hier fand, und sich mit ihm vereinigte, so haben auch wir unseren Gott und Herrn hier auf Erden, obgleich sie eine Fremde ist, uns so nahe, dass wir nur wollen dürfen und er vereinigt sich mit uns, wenn nur unser Wille sich zuvor mit ihm vereinigt hat und unser Herz ohne Sünde ist.
Oh bleiben wir doch stets in dieser geistlichen Vereinigung und einen wir uns mit ihm auch gerne leiblicher Weise durch die hl. Kommunion, damit wir dort in unserem wahren Vaterlande mit ihm ewig vereint werden und nicht an jenen Ort und in jenen Zustand geraten, wo Heulen und Zähneknirschen und der entsetzliche Schrei der Verzweiflung ertönen wird. Vielmehr sei unsere und des Verewigten Stätte im Frieden und unsere und seine Wohnung in Sion.
Schließen wir unsere Betrachtung mit dem Gebet für die Seele des Verstorbenen hier.
Vater unser, der du bist im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsre Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen,
denn dein ist das Reich, und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.
Gegrüßt seist du Maria,
voll der Gnade.
Der Herr ist mit dir.
Du bist gebenedeit unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes:
Jesus.
Heilige Maria, Mutter Gottes,
bitte für uns Sünder
jetzt und in der Stunde unseres Todes.
Amen.
(Grabrede, verfasst von Priester Matthias Heimbach, erschienen 1864)