Montag, 16. Januar 2017
Durchs Kreuz zur Krone!
"Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert." (Matth. 10, 38)
So spricht unser Herr und Heiland. Zu Seiner Nachfolge gehört auch das Kreuztragen. Das Kreuz tut weh, aber es ist heilig und heilsam. Es führt und treibt zu Gott. Was ist das Kreuz anders, als ein Seil der Liebe, das Gott vom Himmel auf die Erde zu uns herablässt, um uns daran zu sich hinaufzuziehen? Von Kreuzträgern, die sich so ziehen lassen, gilt auch das Wort des Herrn: "Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte." (Jes. 31, 3). Das Kreuz lehrt beten. Die heilige Bet-Kunst wird am besten auf der Hochschule "Leiden" gelernt. Das zeitliche Leiden soll uns vor dem ewigen Leiden bewahren. Drum sagt der Apostel Paulus (1. Kor. 11, 32): "So werden wir vom Herrn gezüchtigt, dass wir nicht samt der Welt verdammt werden." O, liebe Seele, wenn dich ein Leiden drückt, denk, wozu es Gott dir schickt! Weiter sagt Paulus (Apostelgeschichte 14, 22), dass wir durch viel Trübsal gehen müssen ins Reich Gottes. "Selig ist der Mensch, der die Anfechtung erduldet: denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott denen verheißen hat, die Ihn lieb haben." (Jakobus 1, 12). Also durchs Kreuz zur Krone! Das Kreuz ist der Hammer, mit dem uns Gott vom Steinbruch der Welt lossprengen will, und zugleich der Meißel, wodurch Er uns zurichten will zu lebendigen Steinen an dem geistlichen Tempel, von dem Christus der Eckstein ist. Das Kreuz ist das Feuer, in das uns der himmlische Schmelzer hineinwirft, um die Schlacken der Sünde von dem Gold unseres Glaubens zu scheiden, um uns so zu läutern, dass Sein Bild in uns erglänzt. Wenn wir den Segen des Kreuzes recht bedächten, dann würden wir es übergolden. Dem Anschein nach sind Kreuzträger gar unglückliche, bedauernswerte Menschen, aber die Ewigkeit wird es klar machen, dass das, was die Welt Unglück nannte, gerade ihr Glück war. Schon hier erkennen es Kreuzträger oft hell und klar, dass der Herr sie nur aus Liebe züchtigt. Hier unten nennt man das Kreuz "eine Bürde", droben "eine Würde", die nicht jedem widerfährt.
"Je größer das Kreuz, je näher der Himmel." ... "Je größer das Kreuz, je bessere Christen." ... "Je größer das Kreuz, je stärker der Glaube." ... "Je größer das Kreuz, je schöner die Krone."
"Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten." (Psalm 126, 5)
Wir sollten ganz durchdrungen sein von dem Gedanken: einer gottliebenden Seele muss alles zum Besten dienen! "Gelobt sei der Herr für ALLES."
Ein Kirchenlehrer aus dem 5. Jahrhundert vergleicht das Kreuz mit einer Presse, welche die Oliven drückt, damit Öl aus ihnen fließe, und die Trauben, damit sie süßen Wein geben. Das Kreuz ist eine heilsame Arznei, zwar bitter im Geschmack, süß aber und sehr lieblich in der Frucht und Wirkung.
Die fromme Landgräfin Elisabeth von Thüringen (gest. 1231) sagt: "Wir müssen uns wohl Trübsale gerne gefallen lassen. Es geht uns hierin wie mit dem Schilf, das im Wasser wächst. Schwillt das Wasser über, so beugt sich das Schilf und taucht unter; und das Wasser fließt drüber hin, ohne es zu verletzen. Läuft das Wasser ab, so richtet sich das Schilf wieder auf und wächst in seiner Kraft frisch und fröhlich. So müssen auch wir zuweilen gebeugt und gedemütigt werden, damit wir uns nachher, wenn die Trübsal vorüber ist, frisch und fröhlich wieder aufrichten."
Der Mensch muss immer ein Kreuz tragen, so er anders ein guter Mensch sein oder zum ewigen Leben kommen will. Dies alles hat der ewige Sohn Gottes Jesus Christus getragen und haben es Alle nach Ihm getragen, die Seine allerliebsten Freunde gewesen sind. Der Weg des Kreuzes ist der königliche Weg. Das Erdenleben ist ein Kreuzesleben. Da das Leben Christi ein Kreuz war, muss auch das Leben des Christen ein Kreuz sein. Wenn du ein Kreuz abwirfst, wirst du ohne Zweifel ein anderes finden und vielleicht ein schwereres. Luther führte in seinem Siegel eine weiße Rose, darüber ein Kreuz mit der Unterschrift: "Des Christen Herz auf Rosen geht, zumal wenn 's unterm Kreuze steht."
Für ein Quentchen Kreuz auf Erden, wird Gott im Himmel hundert Zentner Freude geben. Die Not zwingt zum Beten und drückt manchen Seufzer heraus, der bei guten Tagen wohl stecken geblieben wäre. O, segnet die Zeit der Angst: Denn während man sich ängstigt, betet man, und während man betet, ist man frei von sündlichen Gedanken. Da uns der Herr im Leid demütigt, macht Er uns groß. Ohne Leidenswege werden uns Menschen Gottes Wege und Wunder nicht offenbar. Gott schafft aus der Finsternis das Licht, und aus dem Tod das Leben. Wer Jesus nachfolgen will, der muss sich zum Kreuztragen entschließen. Durchs Leiden zu gehen, lernt sich schwer und doch muss es gelernt werden, um ins Leben der Wahrheit und der Herrlichkeit fortschreiten zu können. Das Leiden und das Opfer erlässt Gott Seinen Liebsten nicht, sondern gerade je höher Er sie hinaufführen will, je tiefer führt Er sie vorher hinab! Man sehe das Kreuz nicht als eine schwere, unerträgliche Last an, sondern ringe danach, sich über jede Demütigung zu freuen und sie hinzunehmen. Das Tal der Trübung wird uns zur Pforte der Hoffnung, das dunkle Todes-Tal führt uns zum ewigen Licht.
(Pfarrer Heinrich Guth, 1829-1889)