Freitag, 30. September 2016

M Ü S S E N


"Wir müssen durch viel Trübsale in das Reich Gottes gehen." (Apostelgeschichte 14, 22)


Da steht das harte Wort "müssen". Wie ein Felsblock liegt es uns im Wege. Wir können nicht an ihm vorüber; wir können ihn auch nicht wegschaffen. Das Leiden ist göttlicher Ratschluss, ist göttliche Notwendigkeit; es ist eine Sache, die uns nicht erspart werden kann.

Aber warum? Dieses entsetzliche Warum, das uns auf Schritt und Tritt begleitet. Wir wissen keine Antwort darauf. Gott hat uns nicht gefragt, ob er uns das Leiden schicken soll. Er braucht uns auch nicht als seine Verteidiger.

Es wäre noch schöner, wenn wir auf alle Warum eine Antwort wüssten. Dann könnten wir ja Gott alles, was er denkt und tut, nachdenken und nachrechnen. Dann wäre er ja nicht größer als wir. Gott muss andere Gedanken haben als wir. Sonst wäre er nicht Gott.

Aber das müssen wir festhalten: Seine Gedanken sind nicht nur andere als unsere, sondern auch besser, höher, tiefer. Sie sind eben göttlich. Er wird schon wissen, was er tut, und warum er es tut. Er wird schon wissen, warum er dem einen dies, dem anderen jenes Leiden schickt.

Das muss uns genügen. Sorgen wir nur dafür, dass wir das Leiden bestehen und Gottes Absichten durch unser Verhalten nicht zuschanden machen. Viel Trübsale - das ist unser Weg. Ins Reich Gottes - das unser Ziel.

Es kann und mag nicht anders werden:
Alle Menschen müssen leiden;
was webt und lebet auf der Erden,
kann das Unglück nicht vermeiden. Amen.

(Dr. Paul Conrad, 1865-1927)

Donnerstag, 29. September 2016

Grabrede aus dem 19 . Jahrhundert


Ewiger Gott! Kaum ist das Grab geschlossen, in welches ein teures Opfer, das Du von Elternherzen fordertest, niedergesenkt worden ist, so hat sich schon wieder ein zweites Grab geöffnet, um ein zweites Opfer zu verschlingen, das tiefgebeugt dieselben Eltern Dir hier darbringen! Ach, lass es uns nicht vergessen, dass Du es bist, der diesen schweren Gang uns gehen heißt, dass Du es bist, der den teuren Vollendeten zu sich rief, an dessen Grabe wir hier weinend stehen, lass uns in dem Glauben an Dich, an Deine ewige Vaterliebe den Trost finden, nach dem unsere Herzen sich sehnen, dass wir, wenngleich aus beklommener Brust, doch auch an dieser Stätte der Trauer ausrufen: "Herr, es gescheh' Dein Wille!" Amen.

Dieser Ausruf, trauernde Freunde! - "Herr, es gescheh' Dein Wille!" will uns unter den Kämpfen und Leiden des irdischen Lebens oft so sauer ankommen, weil wir, so lange wir diese verwesliche Hülle an uns tragen, die Wege des Herrn so oft nicht begreifen, seinen Willen so oft nicht verstehen. Und wo sollte der heilige Wille unsers Gottes uns unverständlicher sein, wo jener ergebungsvolle Sinn uns schwerer werden, als wenn er die Geliebten uns entrückt, an deren Seite uns jede Freude süßer, jeder Kummer leichter wird, in deren Liebe uns für so manche trübe Stunde, die der Umstände traurige Verkettung hienieden herbeiführt, reichen Ersatz und zur Ertragung so manchen Ungemachs wohltätigen Trost finden! Fühlen wir uns alsdann nicht versucht, ein fragendes WARUM? zum Himmel hinaufzusenden? - Warum, o ewige Weisheit! Warum dieser harte Schlag? Warum soll der Tod in unserm freundlichen Kreise so schmerzliche Lücken reißen, die kein Erdenglück uns wieder ausfüllen kann? Warum müssen sie so bald sich aneinander reihen auf diesem Totenfelde, die Deine Güte uns verliehen und deren Besitz uns mit der reinsten Wonne und mit dem lebendigsten Danke erfüllt hat? - Warum müssen sie uns so bald verlassen, die mit einem Herzen voll Liebe unsere Tage beglückten, und unsers Alters Trost und Stütze zu werden schienen? - So werdet auch ihr, von tiefem Schmerzgefühle ergriffen, jetzt fragen, trauernde Eltern des verblichenen Jünglings, dessen Hülle wir soeben in die Erde, von der sie genommen ist, niedersenkten. Ach! Es tut dem Vater und dem Mutterherzen schon so wehe, Lieblinge sich entrissen zu sehen, deren geistige Anlagen noch im Keime verborgen liegen; wie viel weniger lässt sich dem Schmerze gebieten, wenn diese Lieblinge des Elternherzens die Blüten ihres Geistes und Herzens auf eine erfreuliche Weise zu entfalten begannen, und die Sorgen der Liebe durch Reinheit des Sinnes und durch einen unbescholtenen Wandel zu lohnen versprachen! Ach! Lasset sie fließen, eure Tränen um den Entschlafenen, er ist ja eurer Tränen wert, der teure Sohn, der von dankbarer Liebe zu euch geleitet, die leichtsinnigen Pfade, auf denen die unbesonnene Jugend so gerne wandelt, nicht betrat, der seinen himmlischen Vater und seinen Erlöser nicht nur kannte, sondern auch seiner bessern Erkenntnis gemäß sein Leben Ihm zu weihen, schon frühe sich bestrebte! Hat er doch euch Ehre und Freude gemacht durch stille Arbeitsamkeit und willigen Gehorsam, Ehre und Freude auch durch die Geduld und Standhaftigkeit, mit der er die Schmerzen ertrug, unter denen, von einem verzehrenden Gifte ergriffen, seines Geistes unzerstörbar scheinende Hülle allmählich der Auflösung entgegen reiste. War es ihm doch ein willkommener Trost, den am letzten Tage vor seinem Dahinschlummern, seinem an Christum seinen Erlöser, dahingegebenen und in ihm allein Ruhe suchenden Herzen, der Genuss des heiligen Abendmahls gewährte! Darum sagte ich: lasset eure Tränen fließen! - Aber Freunde! Könnet ihr auch die Frage beantworten, warum seines Lebens Ziel so kurz gesteckt ward, warum er, der in Liebe noch lange auf Erden zu wirken bereit war, eurem liebenden Kreise jetzt schon entrückt werden musste, warum die frische Wunde eurer Herzen durch dieses zweite Opfer, das der Herr von euch fordert, aufs Neue aufgerissen werden muss? Das sind Wege des unerforschlichen Gottes! Die einzige Antwort ist die, die euer Glaube euch gibt: "Was Gott tut, das ist wohlgetan!" - Diese ewige Wahrheit, dass der Vater im Himmel uns nur auf solchen Wegen führt, die zu unserm ewigen Heile dienen, dass  ALLES, was Er über uns verhängt, auch das Bitterste selbst, ein Ausfluss seiner heiligen Liebe ist, - diese ewige Wahrheit hat sich gewiss auch in eures Lebens Gang schon vielfach bewährt, denn so wechselnd auch ein Menschenleben ist, Gottes Liebe bleibt immer und ewig dieselbe, auch wenn sie auf rauhen und dunkeln Pfaden uns zu unserer Verherrlichung führt. Habt auch ihr diese Wahrheit schon erfahren, wie solltet ihr euch nicht beugen unter die freilich schwere, aber doch liebevoll leitende Hand Gottes, wie solltet ihr Ihm nicht gerne den Sohn zurückgeben, den er euch geschenkt! Wie solltet ihr jetzt nicht mit glaubensvollem Sinn ausrufen: "Herr, es geschehe Dein Wille!" - Wisset ihr doch, es ist ein Vater, euer, eures geliebten Sohnes Vater, dessen Wille jetzt geschehen, dessen Wege ihr mit frommer Geduld jetzt wandeln sollet. Es ist der Vater im Himmel, der ihn euch entrückt hat, denn, Freunde! - nicht hier unten in der finstern Grube ist der Entschlafene, den ihr beweinet, zu suchen, dort oben über den Sternen in einer höheren Welt weilt jetzt sein für den Himmel so frühe gereifter Geist, dort oben, wo seiner Schwester Geist ihn, den so bald Nacheilenden, willkommen heißen wird im heiligen Bunde himmlischer Liebe, wo er sich reihen wird an die Geister schon früher vollendeter Geschwister, die die göttliche Erziehungshand im unsichtbaren Erziehungshause für das höhere Leben liebevoll erzog! Dort wird sein entfesselter Geist nicht klagend fragen: "Warum?" - im Lichte wird er dort erkennen, was er hier nur glauben konnte, aber was er auch glaubte im Hinblick auf den, der für uns am Kreuze blutete, erkennen wird er dort, dass die Wege des Herrn durch Leiden zur Herrlichkeit führen. O wohl uns, meine Freunde!, dass wir durch Christum wissen, wohin unsere Lieben gehen, wenn sie der Herr von unserer Seite hinwegrafft, dass wir das Ziel kennen, zu dem der Weg führt durch des Todes finstres Tal! Denn wer da glaubet an Ihn, der wird leben, ob er gleich stürbe!
"Hättet ihr mich lieb", sagt der Erlöser zu seinen Jüngern, "so würdet ihr euch freuen, dass ich gesagt habe: ich gehe zum Vater!" Mit diesem Glauben, dass  er zum Vater gehe, ist der Vollendete entschlafen, darum rufe ich euch zu: "Habt ihr ihn lieb, so werdet ihr euch freuen, dass er zum Vater ging, den jetzt seine Seele preisen wird, dass Er ihn erlöst hat von den Banden seines leidenden Körpers."
O so erhebet auch ihr eure bekümmerten Herzen im Glauben an den Vater und sprechet mit frommer Ergebung: Siehe, hier hast Du ihn, den Du uns gegeben hast! Zum Vater sollen wir alle einst kommen, beim Vater werden wir sie wiederfinden, unsere Geliebten, die vor uns hingegangen sind! Beim Vater ist keine Trennung mehr und kein Schmerz und kein Tod! - Kränze, nicht vergänglich, wie diese hier, die wehmütig zarte Liebe flicht, Kränze, die nicht verwelken, blühen dort beim Vater, dem frommen Dulder! O süßer Trost, den an den Gräbern unser Glaube uns gewährt, erquickende Hoffnung, mit der wir von dieser Stätte der Trauer unsere Blicke erheben zu einer höhern, bessern Welt! O lasset uns nicht murren, wenn durch Leiden und durch Kummer die ewige Liebe uns für jene Welt erzieht, lasset uns nicht klagen, wenn unseren Herzen hier Wunden geschlagen werden - es gibt eine Welt, in der die verwundeten Herzen geheilt werden, und in diese Welt kennen wir den Weg - der Weg ist Christus!
Ja, Vater, wir beugen uns in Demut vor Dir, unerforschlich, aber weise und gut ist Dein heiliger Wille! O tröste Du die trauernden Eltern mit dem Troste Deines Evangeliums, richte Du sie auf in diesem Jammer ihrer Liebe, trockne Du ihre Tränen, Vater der Liebe! Und lehre Du sie, lehre uns alle, wie Christus beten:

"Herr, nicht mein Wille, Dein Wille geschehe!"

Amen.


(gehalten von Herrn Vikar Reuffer)


Dienstag, 27. September 2016

Die Hülle welkt, der Kern besteht


Da kam, wie aus klarstem Himmel herab, der Blitzstrahl, der mir den Gemahl raubte und mir damit, wie ich vermeinte, mein Lebensglück für immer zerstörte. Ich war erstarrt, gelähmt. Während der kurzen Krankheit meines Gemahles hatte ich zu Gott gefleht, wie nur je eine Seele zu flehen vermag, den bitteren Kelch an mir vorübergehen zu lassen; aber - und darin bestand meine erste schwere Sünde bei jenem über mich verhängten Geschick - ich hatte nicht, wie der Heiland uns durch sein Beispiel gelehrt, aus tiefster Seele hinzugesetzt: "Nicht wie ich will, sondern wie DU willst!" - Genau genommen war mein Flehen zu Gott die Forderung an ihn gewesen, zu wollen und auszuführen, was ICH wolle. So war schon dieses mein Flehen zu ihm mit Sünde befleckt. Und als Gott nicht getan, was ich gewollt, da verstummten meine Gebete an ihn, ich suchte die Einsamkeit, um mich ungestört mit dem heimgegangenen Gatten zu beschäftigen. All mein Denken und Sinnen war ihm gewidmet; ich redete zu ihm, fest überzeugt, dass es ihm, vermöge höherer ihm verliehener Fähigkeiten, vergönnt sei, meine Worte zu vernehmen; ich gedachte dieser und jeder seiner Äußerungen, namentlich solcher, die sich auf den Glauben an das Fortleben nach dem irdischen Tode bezogen. Ich erinnerte mich eines Spazierganges mit ihm an einem schönen Frühlingsabend. Wir gingen auf einsamem Pfade an Baumgärten vorüber, auf einer Stelle wehte ein Luftzug Blütenblätter auf uns herab. Da sagte er: "Die Hülle, welk geworden, sinkt; der Kern der Blüte, die Frucht, besteht und vermag nun, frei geworden von der Umhüllung, umso kräftiger zu wachsen!" Auch andere Bemerkungen machte er noch. "Lassen wir uns," sagte er, "den Blick nicht durch die mit dem Scheiden unmittelbar verknüpften Umstände trüben, sehen wir vielmehr der Sache auf den Grund, so wird sich uns zunächst die Wahrheit enthüllen, dass der Tod für den Scheidenden kein Übel ist. Wer aus einer unvollkommenen Welt in eine vollkommene übergeht, dem wird offenbar damit nicht etwas Übles, vielmehr etwas Beglückendes zuteil."
Als das, was mein Gemahl an jenem Abend gesagt hatte, mir klar vor der Seele stand, vollzog sich schnell eine große Veränderung in mir. Ich hatte mich mit ihm stets so einig im Glauben, im Lieben und Hoffen gefühlt; - jetzt, indem ich mich seiner Auffassung von der Bedeutung des Todes erinnerte, sah ich diese Einigkeit durch meine Schuld zerstört, sah ihn im erhöhten Glauben an die Liebe des Vaters, mich dagegen im gesunkenen Glauben, ja fast im Zweifel. Es ward mir klar: ich hatte mich in der Prüfung nicht bewährt; meine Gebete zu Gott waren verstummt, das meines Gemahls Seele und meine Seele umschlingende Band, das Vertrauen zu Gott, war gelöst. - Wo ich, wenn auch unter Tränen, hätte preisen und danken sollen, hatte ich mich ungeberdig gegen Gott erwiesen, einem störrischen Kinde gleich, das den Eltern, gegenüber treuester Liebeserweisungen, Widerwilligkeit zeigt, nicht freundlich aufblickt, sondern weinend und grollend schweigt. Das Einzige, das mir in meinem ungebändigten Schmerze Trost gewährt hatte, war der Gedanke gewesen, dass mein Gemahl in meinen Schmerzensäußerungen Zeichen meiner treuen, heißen Liebe zu ihm sehen werde; - jetzt musste ich mir sagen: deine Tränen werden ihm als Zeichen deines Abfalls von Gott gelten; ihr Anblick wird ihn nicht beglücken, vielmehr ihn betrüben! - Ich hatte nun bisweilen die Vorstellung, als schaue er voll Trauer zu mir hernieder, als sähe ich seine Hand weisen nach dem Thron des Höchsten.
In welchen Zustand herben Wehes mich diese Vorstellung und jene Betrachtung versetzten, vermag ich nicht zu schildern. Als mein Gemahl noch lebte, da war ich darauf bedacht gewesen, Unannehmlichkeiten, wie das Leben sie bringt, sorgsam von ihm abzuwenden, oder doch, wenn ich jenes nicht vermochte, ihre Wirkungen nach Kräften zu mildern, und jetzt, nachdem ich ihn verloren und ich mir so oft schon vorgestellt hatte, um wie viel sorgsamer noch ich ihm, wenn er noch lebte, meine Fürsorge widmen würde, - jetzt musste ich mir sagen: Du trübst ihm durch deinen Mangel an Ergebenheit gegen Gott seine Seligkeit! - 
Eben so wie mir die Erkenntnis meiner Schuld gegen Gott gekommen war, war es mir klar geworden, dass ich mich gegen meinen heimgegangenen Gatten versündigt hatte, und indem ich darauf durch Reue meine Schuld büßte, zog allmählich der Friede in meine Brust ein.
Nun schlang sich ein neues Band um meines Gemahls und meine Seele, ich fühle mich inniger noch vereint mit ihm, als es vor seinem Heimgange der Fall gewesen war, ich begann darnach zu trachten, mich hier schon in Taten und Gedanken seiner wert zu erweisen.
Aber war ich in seinem und meinem himmlischen Vater nicht viel mehr noch schuldig? Mehr als je begann ich nach Erringung seiner Gnade zu trachten. Wie schwand nun vor meinen Blicken der Verlust hin, gegenüber dem Gewinn, der mir winkte! Eine Spanne Zeit, - denn wahrlich, was sind Jahre, was sind Jahrzehnte gegen die Ewigkeit! - und uns wird ein seliges Wiedersehen als Anfang eines Daseins zuteil, in das irdische Trübungen nicht hineinreichen! -


(Ferdinand Schmidt; aus der Erzählung "Nacht und Morgen")

Montag, 26. September 2016

Geistlicher Liedtext aus dem Jahre 1589


Ich hab' mein Sach' Gott heimgestellt,
er mach 's mit mir, wie 's ihm gefällt.
Soll ich allhier noch länger leben
ohn' Widerstreben,
sein'm Willen tu ich mich ergeben.

Mein Zeit und Stund ist' wann Gott will.
Ich schreib' ihm nicht vor Maß noch Ziel.
Es sind gezählt all' Härlein mein,
beid', groß und klein;
fällt keines ohn' den Willen sein.

Es ist allhier ein Jammertal.
Angst, Not und Trübsal überall.
Des Bleibens ist ein' kleine Zeit
voll Müh und Leid,
und wer 's bedenkt, ist stets im Streit.

Es hilft kein Reichtum, Geld noch Gut,
kein Kunst noch Gunst noch stolzer Mut;
fürn Tod kein Kraut gewachsen ist,
mein frommer Christ,
alles, was lebet, sterblich ist.

Heut' sind wir frisch, gesund und stark,
und liegen morgen tot im Sarg.
Heut' blühen wir wie Rosen rot,
bald krank und tot;
ist allenthalben Müh und Not.

Man trägt eins nach dem anderen hin,
wohl aus den Augen, aus dem Sinn;
die Welt vergiftet unser bald,
ob jung, ob alt,
auch unsrer Ehren mannigfalt.

Ach Herrn, lehr' uns bedenken wohl,
dass wir sind sterblich allzumal.
Auch wir allhier kein Bleibens hab,
müssen all davon,
gelehrt, reich, jung, alt oder schön.

Das macht' die Sünd', du treuer Gott,
dadurch ist komm'n der bittre Tod,
der nimmt und frisst all' Menschenkind,
wie er sie find't,
fragt nicht, wes Stands und Ehr' sie sind.

Ich hab' hier wenig guter Tag',
mein täglich Brot ist Müh' und Klag'.
Wann mein Gott will,
so will ich mit
hinfahr'n in Fried';
Tod ist Gewinn und schad't mir nit.

Und ob mich schon mein' Sünd' anficht,
dennoch will ich verzagen nicht;
ich weiß, dass mein getreuer Gott,
für mich in' Tod
sein' liebsten Sohn gegeben hat.

Das ist mein Trost zu aller Zeit
in allem Kreuz und Traurigkeit:
Ich weiß, dass ich am jüngsten Tag
ohn' alle Klag'
werd' auferstehen aus meinem Grab.

Mein' lieben Gott von Angesicht
werd' ich anschau'n, dran zweifl' ich nicht.
In ew'ger Freud 'und Seligkeit,
die mir bereit',
Ihm sei Lob, Preis und  Ewigkeit.

(Johann Leon, 1589; Komposition von Heinrich Schütz)


Sonntag, 25. September 2016

Blick auf!


Wenn deine Lieben von dir gehn, 
blick' auf in deinen Tränen!
Gott will, du sollst gen Himmel sehn
und dich nach oben sehnen.

Und schied er durch des Todes Hand
dich von den Lieben allen,
so wirst du nach dem Vaterland
nur um so leichter wallen.

Als Pilger gehst du durch die Welt,
die Heimat aufzufinden.
Bricht ab der Tod dein Wanderzelt,
wird all dein Kummer schwinden.

Die letzten Tränen sind geweint,
nichts kann dich mehr betrüben.
Du bist auf Ewigkeit vereint
mit allen deinen Lieben.

(J. Sturm)

Donnerstag, 22. September 2016

Was verließ er?


"Aber haben Sie Ihren Sohn denn verloren? War er glücklich, und ist er es jetzt nicht mehr? Ist er zu bedauern oder nicht vielmehr zu beneiden? Ich richte zwar diese Fragen an einen geschlagenen Vater, aber zugleich auch an einen Weisen, einen Christen, der es weiß, dass ein Gott Leben und Tod verhängt und ein ewig weiser Ratschluss über uns waltet.
Was verlor er, dass ihm nicht dort unendlich wieder ersetzt wird?
Was verließ er, dass er nicht dort freudig wiederfinden, ewig wieder erhalten wird?
Und starb er nicht in der reinsten Unschuld des Herzens, mit voller jugendlicher Kraft zur Ewigkeit ausgerüstet, eh er noch die Wechsel der Dinge, den bestandlosen Tand der Welt beweinen durfte, wo so viele Pläne scheitern, so schöne Freuden verwelken, so viele Hoffnungen vereitelt werden?
Das Buch der Weisheit vom frühen Tod der Gerechten: 'Seine Seele gefiel Gott, darum eilet er mit ihm aus diesem bösen Leben, er ist bald vollkommen worden und hat viele Jahre erfüllt. Er ward hingerückt, dass die Bosheit seinen Verstand nicht verkehre, noch falsche Lehre seine Seele betrüge.'
So ging Ihr Sohn zu dem zurück, von dem er gekommen ist; so kam er früher und rein behalten dahin, wohin wir später, aber auch schwer beladen mit Vergehungen gelangen. Er verlor nichts und gewann  a l l e s ! 
Es gibt ja eine Welt, wo die Getrennten sich wieder vereinigen, dort werden Sie Ihren Sohn als einen verklärten Engel wiederum umarmen."

(Schiller an den Hauptmann v. Hoven)


Sonntag, 18. September 2016

Samstag, 17. September 2016

Zieh hin, mein Kind


Zieh hin, mein Kind

Zieh hin, mein Kind! Denn Gott selbst fordert dich
aus dieser eitlen Welt.
Ich leide zwar, dein Tod betrübet mich;
doch weil es Gott gefällt,
so unterlass' ich alles Klagen
und will mit stillem Geiste sagen:
Zieh hin, mein Kind.
Zieh hin, mein Kind.

Zieh hin mein Kind! Im Himmel findest du,
was uns vom Herrn gesagt;
in ihm allein ist Trost und wahre Ruh',
da wird kein Schmerz geklagt.
Hier müssen wir in Ängsten schweben,
dort kannst du ewig glücklich leben.
Zieh hin, mein Kind.
Zieh hin, mein Kind.

Zieh hin, mein Kind! Wir folgen alle nach,
sobald es Gott gebeut.
Du eilest fort, eh Leid und Ungemach
dein zartes Herz bedräut. 
In Gottes Schutz bist du geborgen,
er wird für deine Seele sorgen.
Zieh hin, mein Kind.
Zieh hin, mein Kind.


(Gottfried Hoffmann, 1658-1712)

Freitag, 16. September 2016

Das Universum hat keine Grenzen


Die Geister gehen in ihrer Welt ihren eigenen Gang. Sie gesellen sich den Körpern nach unbekannten Gesetzen und lösen sich wieder von ihnen ab. Geschaffen von Ewigkeit her, reisen sie für die Ewigkeit. Hier ist unendliches Fortstreben, jeder Tod nur Verwandlung des Schauplatzes. Unverwandt mit dem Irdischen sollen sie nicht an diesem kleben, sondern nur nach dem Göttlichen trachten. Ich bin unsterblich; das Universum hat keine Grenzen für mich; früher oder später darf ich hoffen, Zeuge erhabener Szenen zu sein.
Ja, ihr Sterne, ihr ewigen Flammenzeichen im unermesslichen Himmelsgrunde droben, ihr seid vergebens nicht dahin gepflanzt! Euch sehen Hund und Affe, Adler, Wurm und Fisch, doch keiner kennt euch, keiner von diesen weiß, dass ihr Erden und Sonnen seid!
Der Mensch weiß es. Im Hause des Vaters droben sind viele Wohnungen. Ach, vielleicht früher oder später ist einer von euch mein Wohnplatz!

(Zschocke)

Dienstag, 13. September 2016

Die Seele kehrt auf eigenen Wunsch zurück


Wiedergeburt beinhaltet immer einen Fortschritt. Reinkarnation zeugt davon, dass der Tod nicht das Ende des Menschen ist, und dass eine Seele, ungeachtet ihrer Unzulänglichkeiten, eine neue Gelegenheit erhält, ihr Leben in der Materie zu leben; nicht nur ein- oder zweimal, sondern möglicherweise viele Male. Jede Wiedergeburt ist mit Gelegenheiten versehen, göttliche und selbstlose Liebe zu entwickeln. Fürchtet die Rückkehr nicht, wisset, dass ihr zu arbeiten habt, und der Tempel noch nicht vollendet ist; deshalb kommt ihr mit einer Aufgabe zurück zur Erde. Indem ihr euer Bestes gebt und euren Mitmenschen Liebe, Verständnis und Gesellschaft schenkt, leistet ihr möglicherweise die Feinarbeit der Vervollkommnung. Wisset ohne jeden Zweifel, dass es für eure Rückkehr einen Sinn und eine Notwendigkeit gibt. Keine Seele wird zur Inkarnation gezwungen. Eine Seele kehrt unter Führung ihres höheren Selbst zurück ... nennt es Gott, wenn ihr möchtet; und durch die Intuition wird die Seele erneut in die Inkarnation gesandt. Bevor ein Kind geboren wird, zeigt ihm sein höherer Seelenaspekt die vor ihm liegenden Möglichkeiten. Wenn ihr euch in einer bestimmten Familie inkarniert, durchlebt ihr dort gewisse Erfahrungen, die euch, indem ihr sie weise zu nutzen vermögt, eine Seelenstärke, eine besondere Bewusstseinseigenschaft vermitteln, derer ihr bedürft. Merkt euch - die Seele kehrt auf eigenen Wunsch zurück, um Erfahrungen zu sammeln und gewisse Aspekte des Gottesbewusstseins zu entwickeln. Der Seele wird mitgeteilt: "Du kannst dich in diese Lebenssituation inkarnieren, das Problem in Angriff nehmen und dich darüber zu erheben versuchen; dabei kannst du Schmerz und Leid vermeiden, wenn du das Prinzip der Liebe in das Geschehen einzubringen vermagst."

(White Eagle)

Montag, 12. September 2016

Sonntag, 11. September 2016

Schlechter Trost


Du wirst ein schöner Leben schauen,
und ewig, ewig bleibt es dein;
man wird dir goldne Schlösser bauen,
nur - musst du erst gestorben sein!

Du wirst bis zu den Sternen dringen,
und stellen dich in ihre Reihn, 
von Welten dich zu Welten schwingen,
nur - musst du erst gestorben sein.

Du wirst, ein freier Brutus, wallen
mit Brutussen noch im Verein,
all deine Ketten werden fallen,
nur - musst du erst gestorben sein.

Wenn Sünder in der Hölle braten,
so gehest du zum Himmel ein;
du wirst geküsst und nicht verraten,
nur - musst du erst gestorben sein.

Ob ihm der Ost die Segel blähe,
was hilft 's dem morschen, lecken Kahn?
Was hilft dem Fink die Sonnennähe,
den  t o t  ein Adler trägt hinan?


(Georg Herwegh) (geschrieben 1840)

Dienstag, 6. September 2016

Frei von der Todesfurcht


Ich erinnere mich einer frommen Greisin, die zu mir sagte: "Sich vor dem Tod fürchten? Seit den letzten fünfzig Jahren habe ich jeden Morgen vor dem Frühstück meinen Fuß in den Jordan getaucht; wie könnte ich mich denn jetzt fürchten, zu sterben? Sterben? Wir sterben hundertmal, wir sterben jeden Morgen und jeden Abend, wenn wir uns zum Schlafen niederlegen. Wir sterben im Glauben, deshalb, wenn 's zum Sterben geht, wird es eine alte Beschäftigung sein. Wir werden sagen: "Ah, Tod, du und ich wir sind alte Bekannte, ich habe dich jeden Abend bei mir in der Kammer gehabt, habe jeden Tag mit dir geredet, den Totenschädel auf meinem Kammertisch gehabt und oft an dich gedacht. Tod, endlich bist du gekommen, du bist aber ein willkommener Gast. Du bist ein Engel des Lichts, der beste Freund, den ich je auf Erden gehabt habe!" Warum denn sollten wir den Tod fürchten, da nimmermehr zu befürchten ist, dass Gott uns im Tode verlassen wird!"


(Charles Haddon Spurgeon, 1834-1892)

Freitag, 2. September 2016

Auf zur nächsten Bestimmung


"Wir sind zu der Annahme geneigt, dass unser Tod auf Erden gleichzeitig mit unserem Erstehen auf einem anderen Weltkörper zu einer höheren Organisation sein wird, und dass unsere Seele den Ort ihrer Bestimmung schneller noch als der elektrische Funke, wie der Gedanke, für den es keine Entfernung gibt, erreichen wird. Wer weiß, ob das Wesen unserer Seele nicht in der höheren Potenz, der geheimnisvollen Kraft beruht, welche wir unter der Elektrizität, Magnetismus, Calvanismus verstehen und kennen zu lernen den Anfang gemacht haben? Wer weiß, ob im Weltall nicht ein Gesetz existiert, nach welchem unsere Seele, sobald sie vom Körper getrennt ist, wie ein feines, ätherisches Fluidum oder wie ein potenzierter elektrischer Strom angezogen wird von einer alles durchdringenden Urkraft, welche sie dann ihrer nächsten Bestimmung zuführt? Sind dies auch nur menschliche, unvollkommene Anschauungen, so steht doch fest, dass unsere irdische Existenz als Übergangsperiode zu einem höheren Dasein zu betrachten ist."

(Pfaff)

Donnerstag, 1. September 2016

Sie rufen ...


"Es ist euch gut, dass ich hingehe!", so tröstete der scheidende Erlöser seine trauernden Jünger: er ging ja nur voran, um ihnen in seines Vaters Hause eine Stätte zu sichern. So ist es auch uns gut, wenn uns die Unsrigen vorangehen zum Vater: sie rufen und ziehen uns nach."

(G. Höhne)