Montag, 24. August 2015

Geistliches Lied von Ernst Moritz Arndt (1769-1860)



Geht nun hin und grabt mein Grab,
denn ich bin des Wanderns müde.
Von der Erde scheid' ich ab,
denn mir ruft des Himmels Friede,
denn mir ruft die süße Ruh'
von den Engeln droben zu.

Geht nun hin und grabt mein Grab.
Meinen Lauf hab' ich vollendet.
Lege nun den Wanderstab
hin, wo alles Ird'sche endet.
Lege selbst mich nun hinein
in das Bette sonder Pein.

Was soll ich hienieden noch
in dem eitlen Leben machen?
Denn wie mächtig stolz und hoch
wir auch stellen unsre Sachen,
muss es doch wie Sand zergehn,
wenn die Winde drüber wehn.

Darum, Erde, fahre wohl.
Lass mich nun in Frieden scheiden.
Deine Hoffnung, ach, ist hohl,
deine Freuden selber Leiden,
deine Schönheit Unbestand,
Eitel, Wahn und Trug und Tand.

Darum letzte gute Nacht,
Sonn' und Mond und liebe Sterne!
Fahret wohl mit eurer Pracht,
denn ich reis' in weite Ferne,
reise hin zu jenem Glanz,
worin ihr verschwindet ganz.

Ihr, die nun in Trauern geht,
fahret wohl, ihr lieben Freunde.
Was von oben niedergeht,
tröstet ja des Herrn Gemeinde.
Weint nicht ob dem eitlen Schein,
droben nur kann ewig sein.

Weinet nicht, dass nun ich will
von der Welt den Abschied nehmen,
dass ich aus dem Irrtum will,
aus den Schatten, aus den Schemen,
aus dem Eiteln, aus dem Nichts
hin ins Land des ew'gen Lichts.

Weint nicht! Mein Erlöser lebt!
Aus dem finstern Erdenstaube
hell zu ihm die Seele schwebt.
Wird dem Tode nicht zum Raube.
Denn die ew'ge Liebe spricht:
Kind des Vaters, zittre nicht!



(Ernst Moritz Arndt, 1769-1860)