Freitag, 28. August 2015

Geistlicher Liedtext von Simon Dach (1605-1659)




Ich bin, o Herr, in deiner Macht.
Du hast mich an das Licht gebracht,
und noch erhältst du mir mein Leben.
Du kennest meiner Tage Ziel.
Du weißt, wie wenig oder viel
Du selbst zum Anteil mir gegeben.
Wo, wie und wann ich sterben soll,
Allwissender, das weißt du wohl.

Wen hab' ich in der letzten Pein?
Wer kann mir Mut und Trost verleihn,
mit neuer Hoffnung mich beleben?
Wer blickt voll Huld mich Schwachen an,
wenn mir kein Mensch mehr helfen kann
und ich der Welt muss Abschied geben?
Wer schafft der trüben Seele Licht?
Tust du es, o mein Heiland, nicht?

Mich dünkt, schon lieg' ich kraftlos da,
dem letzten Augenblicke nah',
von Todesangst schon überfallen.
Der Sinnen Kräfte lassen nach,
Gehör und Augen werden schwach,
und kaum kann noch die Zunge lallen.
Doch des Gewissens Stimme spricht
mir laut genug: Gott hält Gericht.

Schon hör' ich der Posaunen Ton.
Ich sehe meinen Richter schon
und vor ihm alle Völker stehen.
In seiner Hand ist Heil und Fluch,
unwiderruflich ist sein Spruch.
Ihn hintertreibt kein ängstlich' Flehen.
Nur seiner Frommen Los ist Heil;
Verdammnis bleibt der Sünder Teil.

Nicht Stand und Macht erretten dann.
Umsonst beut sich ein Bruder an,
den andern da noch zu erlösen.
Nach dem, was jeder hier getan,
wird jeder dort den Lohn empfahn;
kein Schein der Tugend hilft den Bösen.
Verschwendern ihrer Gnadenzeit
folgt Unglück in der Ewigkeit.

Drum fleh' ich, Herr, mein Heiland, dir:
erleuchte mich, damit ich mir
nicht  e i n e  böse Tat verzeihe.
Erhalte mich im Glauben treu,
dass ich, vom Joch der Sünde frei,
mich gänzlich deinem Dienste weihe.
So geh' ich voller Zuversicht
hier in den Tod, dort vor Gericht.

O Menschenfreund, dein teures Blut
floss auch für mich, dies gibt mir Mut.
Ich weiß, dass ich dir angehöre.
Doch fällt in meiner Todespein
mir noch ein banger Zweifel ein,
so rette deines Leidens Ehre
und nimm dich meiner huldreich an.
Du bist 's, der Schwache stärken kann.

Ja, ja, du meines Lebens Heil!
Ich nehm' an deiner Wonne teil.
Ich darf nach dir zum Himmel steigen.
Nun flieg' ich über Angst und Not.
Nun mögen sich mir Höll' und Tod
mit allen ihren Schrecken zeigen.
So lang' ich lebte, war ich dein.
Dein werd' ich auch im Tode sein.


(Simon Dach, 1605-1659)