Das Leben ist voll Unruhe. Es treibt den Menschen rastlos vorwärts mit Forderungen und Lockungen, mit Sorgen und Plagen, mit Leiden und Freuden. Ein Lärm geht durch die Welt, dass die Seele selten zur Besinnung kommt. Die Luft ist voll von Arbeitsstaub; man wagt es kaum, frei aufzuatmen. So wird der Mensch gehetzt und hetzt selber andere, bis das müde Herz nicht mehr weiter kann und stillsteht. Wenigen ist es beschieden, dem wirren Getriebe zu entfliehen und im Frieden eines stillen Kreises ruhesam zu wirken. Volle Ruhe und ungestörten Frieden finden auch sie nicht. Auch in die einsamste Hütte, selbst in die weltabgeschiedenen geweihten Mauern treten mitunter unruhige Gäste von außen, und könnte man ihnen die Türe verschließen, dann steigen doch noch Ruhestörer aus dem eigenen Herzen. Sich selber kann kein Mensch entfliehen.
Nach Ruhe und Frieden seufzt die Seele, wie die Blume in dürren Tagen nach dem Tau der Nacht. Ruhe und Frieden --- klingen nicht schon die Worte wie fernes, sanftes Feierglockenläuten, Heimweh weckend im wunden Herzen? Wir haben wirklich eine Heimat, wo der Friede wohnt, wo wir Ruhe finden für unsere Seele. Da kann keine Sorge und kein Leid die hohen Mauern übersteigen, die Stürme der Leidenschaften brechen ihre Flügel an den ehernen Toren, nicht die leichteste Wolke der Trauer darf den ewig heiteren Himmel trüben, und der Tod, der starke, grausame Feind, liegt begraben. "Und Gott wird alle Tränen abwischen von ihren Augen; der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Klage, noch Schmerz." (Offenbarung 21, 4)
Auf Erden war das Wirken des Menschen mannigfach gehemmt und behindert, mit Mühen verbunden, oft von Unlust begleitet, ja, es musste nicht selten mit Schmerz erkauft werden. Auf Erden stand der Mensch in einem engen Kreise, der von allen Seiten mit unübersteiglichen Schranken umstellt war. Überall stieß er an Grenzen und musste nach wenigen Schritten umkehren. Hier auf Erden war der Mensch oft einsam in seinem Wirken, man verstand ihn nicht, man missverstand ihn, man befeindete ihn vielleicht in seinen liebsten Zielen und heiligsten Absichten.
Dort oben strecken sich helfende Hände von allen Seiten. Jeder gibt und jeder empfängt, und keiner steht allein. Wer kann es zu Ende denken, dies selige Reich der Ruhe und des Friedens und der kraftvollen, wonnevollen Tat .....
© Augustin Wibbelt (1862-1947)