Mittwoch, 23. Februar 2022
Donnerstag, 17. Februar 2022
Was ich fest weiß ...
Weiß nicht, woher ich gekommen.
Weiß nicht, wohin ich werd' genommen.
Doch weiß ich fest, dass über mir ist
eine Liebe, die mich nie vergisst ...
© Justinus Kerner (1786-1862)
Sonntag, 13. Februar 2022
Trost an eine Mutter
Starb dein Kind. Nun weine!
Und dann wirst du glücklich sein.
Denn das zarte, kleine
Leben schwand noch quellenrein.
Lausche, was mit frommen
Worten die Erinnerung spricht.
Schlimmes konnte kommen.
Nach dem Tode kommt es nicht.
Passt ein Kinderröckchen
niemals der erwachsenen Frau.
Abgeschnittene Kinderlöckchen
werden nimmer grau.
© Joachim Ringelnatz (1883-1934)
Samstag, 12. Februar 2022
Ruhe und Tat
Das Leben ist voll Unruhe. Es treibt den Menschen rastlos vorwärts mit Forderungen und Lockungen, mit Sorgen und Plagen, mit Leiden und Freuden. Ein Lärm geht durch die Welt, dass die Seele selten zur Besinnung kommt. Die Luft ist voll von Arbeitsstaub; man wagt es kaum, frei aufzuatmen. So wird der Mensch gehetzt und hetzt selber andere, bis das müde Herz nicht mehr weiter kann und stillsteht. Wenigen ist es beschieden, dem wirren Getriebe zu entfliehen und im Frieden eines stillen Kreises ruhesam zu wirken. Volle Ruhe und ungestörten Frieden finden auch sie nicht. Auch in die einsamste Hütte, selbst in die weltabgeschiedenen geweihten Mauern treten mitunter unruhige Gäste von außen, und könnte man ihnen die Türe verschließen, dann steigen doch noch Ruhestörer aus dem eigenen Herzen. Sich selber kann kein Mensch entfliehen.
Nach Ruhe und Frieden seufzt die Seele, wie die Blume in dürren Tagen nach dem Tau der Nacht. Ruhe und Frieden --- klingen nicht schon die Worte wie fernes, sanftes Feierglockenläuten, Heimweh weckend im wunden Herzen? Wir haben wirklich eine Heimat, wo der Friede wohnt, wo wir Ruhe finden für unsere Seele. Da kann keine Sorge und kein Leid die hohen Mauern übersteigen, die Stürme der Leidenschaften brechen ihre Flügel an den ehernen Toren, nicht die leichteste Wolke der Trauer darf den ewig heiteren Himmel trüben, und der Tod, der starke, grausame Feind, liegt begraben. "Und Gott wird alle Tränen abwischen von ihren Augen; der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Klage, noch Schmerz." (Offenbarung 21, 4)
Auf Erden war das Wirken des Menschen mannigfach gehemmt und behindert, mit Mühen verbunden, oft von Unlust begleitet, ja, es musste nicht selten mit Schmerz erkauft werden. Auf Erden stand der Mensch in einem engen Kreise, der von allen Seiten mit unübersteiglichen Schranken umstellt war. Überall stieß er an Grenzen und musste nach wenigen Schritten umkehren. Hier auf Erden war der Mensch oft einsam in seinem Wirken, man verstand ihn nicht, man missverstand ihn, man befeindete ihn vielleicht in seinen liebsten Zielen und heiligsten Absichten.
Dort oben strecken sich helfende Hände von allen Seiten. Jeder gibt und jeder empfängt, und keiner steht allein. Wer kann es zu Ende denken, dies selige Reich der Ruhe und des Friedens und der kraftvollen, wonnevollen Tat .....
© Augustin Wibbelt (1862-1947)
Freitag, 11. Februar 2022
Der redende Tod
Sterblicher! Du gehst vorbei,
wo man mich hat hingeleget.
Schaue hier dein Konterfei,
wenn man dich zu Grabe träget.
Meine Gruft ist dein Prophet,
dass es dir wie mir ergeht.
Dieser Staub ist auch vorhin
Fleisch und Blut, wie du, gewesen.
Und wie ich jetzt Asche bin,
so wird man von dir auch lesen.
Man vergisst im Tode mein,
so wird man vergessen dein.
Heute mir und morgen dir,
du musst endlich an die Reihen.
Darum stirb in Zeiten hier,
so darfst du den Tod nicht scheuen.
Du hast keine Todesfrist:
Mensch, bedenke, was du bist.
© Benjamin Schmolk (1672-1737)
Donnerstag, 10. Februar 2022
Was kümmert mich 's?
Ob mein Leib der Geier mir zerreißt,
ob, wie dem König, ihn der Wurm zernagt,
das geht den Körper an. Was kümmert mich 's?
Wenn unsre Augen schließt das schwere Grab,
so hebt den Deckel leicht, den steinernen,
die Seele mit dem Finger auf und flieht hinauf.
© Victor Hugo (1802-1885)
Mittwoch, 9. Februar 2022
Fürchtet euch nicht ...
Wer den Tod fürchtet,
der hat das Leben verloren.
© Johann Gottfried Seume (1763-1810)
Aufdämmern
Lieg' ich auf meinem Totenbette bleich,
werd' ich mit e i n e m Geistesblicke schau'n,
was diesseits und was jenseits liegt zugleich,
mein Sein, eh ich gewallt auf Erdenau'n,
mein Sinn, wenn ich die Erde abgestreift.
Erinn'rung, Hoffnung wird mich mild umtau'n.
Wohl kann es ahnen, wer 's auch nicht begreift,
wer auf des neu Verstorb'nen Angesicht
das Lächeln sah, das Ewigkeit durchstreift.
So ist des Geistes Sinn (drum zage nicht!)
Vorahnen, Rückerinnern fort und fort,
bis des Bewusstseins Kranz sich fertig flicht,
Aufdämmern wird vergess'nes Dunkel dort,
Aufdämmern neuer Morgenröte Schein.
© Friedrich Rückert (1788-1866)
Den Blumen keine Träne
Lauter kleine Blumenbeete
reihen sich auf Friedhofsgrund,
blühen von der Morgenröte
bis zur stillen Abendstund'.
Über Blüten fliegt das Leben,
summt und surrt in muntrer Zahl.
Weinend steht der Schmerz daneben,
und frisst Herz und Seele kahl.
Und die Blümlein flüstern sachte
zu der trauernden Gestalt:
"Wenn dein Mund doch wieder lachte ...
Sieh, auch wir vergehen bald.
Und dann reißen deine Hände
uns aus unsrem Muttersand.
Doch für unser rasches Ende
ist kein Trauerflor gespannt.
Achtlos wirfst du uns beiseite,
selbst, wenn wir noch blühend sind.
Weinend stehst du gestern, heute,
du betrübtes Menschenkind,
Tod und Sterben zu beklagen,
aber fern von Achtsamkeit
ziehst du uns aus bunten Tagen
und bedenkst nicht unser Leid.
Blümlein sind wir, farbenfrohe.
Gottgeschaffen, klein und fein.
Voller Leben, bis man rohe
trennt uns von dem Sonnenschein.
Frische Blumen, bunte, neue,
werden dann aufs Grab gepflanzt.
Nun sind jene an der Reihe,
dass der Tau auf ihnen tanzt.
Niemand weint um all die Blüten,
die dem Grab einst Schmuck und Zier.
Unsre Botschaft gilt 's zu hüten:
gar nichts ist für immer hier ..."
© Bettina Lichtner
Dienstag, 8. Februar 2022
Gäb 's keinen Trost ...
Der Trost ist mir ein Zuckerbrot,
wenn's Leid die Peitsche schwingt.
Ein liebes Wort in höchster Not,
das in die Seele dringt ----
wer hört's nicht gern, wem tut 's nicht gut,
dies kleine bisschen Mut?
Es reicht der Trost mir den Pokal
mit süßem Zaubertrank.
Wie wohlig schmeckt 's nach bittrer Qual.
Und leise blüht der Dank
im grauen trüben Niemandsland
und reicht dem Trost die Hand.
Ein Trost, der 's wahrlich ehrlich meint,
der fern der Heuchelei
mit warmem Blick ins Herz mir scheint,
auch schweigend liebend sei,
ja, diesem Trost gebührt die Ehr'!
Er trägt, was mir zu schwer.
Ein Mensch, der wahren Trost uns schenkt,
des Wort die Tränen küsst,
der uns mit Nähe still bedenkt,
wenn alles uns vergisst,
der kam, als sich das Licht verkroch ---
wie wertvoll ist er doch.
Gäb 's keinen Trost in dieser Welt,
der uns in Liebe wiegt,
es fehlte ja der Zeit ein Held.
Der Trost allein besiegt,
was unbesiegbar uns erscheint.
Oh Trost, du teurer Freund ...
© Bettina Lichtner