Dienstag, 5. November 2019
Von der wahren Ruhe
Die da sterben in der Furcht Gottes und im Glauben an Jesum Christum, schmecken den Tod nicht in Wirklichkeit. Für sie gibt es keinen Tod, nur einen Wechsel des Orts, einen Wechsel des Zustands; sie gehen sofort über in ein neues Leben, mit allen ihren Kräften, ihren unveränderten Gefühlen, noch als dieselben lebenden, denkenden, tätigen Wesen, die sie hier auf Erden waren. --- Sie dürfen ruhen ---, ja, sie werden ruhen, wenn sie der Ruhe bedürfen. Aber worin besteht dieses Ruhen? Nicht in träger Untätigkeit, sondern in Frieden des Geistes. Ach, auszuruhen von Sünde, Leid, Furcht, Zweifel und Sorge, ist das nicht wahre Ruhe? Vor allem auszuruhen von dieser tiefsten Ermattung und Entmutigung: seine Pflicht erkennen und nicht fähig sein, sie zu erfüllen.
Das ist wahre Ruhe, die Ruhe Gottes, der fort und fort wirkt und ist doch in ewiger Ruhe; wie die Sterne über unsern Häuptern sich fort und fort bewegen, wohl tausend Meilen an einem Tage, und sind doch in vollkommener Ruhe, weil sie in voller Harmonie ihre Bahn wandeln, das Gesetz, was Gott ihnen gegeben hat, also erfüllend. Vollkommene Ruhe in vollkommener Arbeit --- darin besteht sicher das Ausruhen der seligen Geister bis zur endlichen Vollendung, wenn Christus die Zahl seiner Auserwählten um sich versammelt haben wird.
Und da es so ist, ---- welcher Trost für uns, die wir sterben müssen, welcher Trost für uns, die wir anderer Sterben sahen, wenn dieser Tod nur eine neue Geburt ist in höheres Leben hinein, wenn das einzige, was sich in uns verändert, unser Leib ist, unsere Schale, unsere Hülse ---- eine Veränderung, wie sie über die Schlange kommt, wenn sie ihre alte Haut abwirft und frisch und erneut daraus hervorgeht, oder wie die kriechende Raupe, die ihr Gefängnis sprengt und als herrlicher Schmetterling ihre Flügel der Sonne entgegen breitet. Wo ist dann des Todes Stachel, wenn der Tod an uns nichts vernichten und der Verwesung anheim geben kann, was unsere Freunde lieb hatten, nichts von dem, womit wir Gott und Menschen dienen konnten? Wo ist des Grabes Sieg, wenn, weit entfernt uns gefangen zu halten, es uns befreit von d e m , was uns fesselt und zu Boden drückt ---- von dem irdischen Leib?
(c) Charles Kingsley, 1819-1875