Donnerstag, 10. Oktober 2013

In Eurer Macht

Reichet mir, Freunde, noch einmal den Krug,
dass ich den letzten Schluck Leben mir gönne.
Ach, welch ein kostbarer, trauriger Zug.
Ach, und wie schwer ich vom Kruge mich trenne ...

Doch meine Hände sind müde und schwach.
Haben so lang schon die Zügel gehalten.
Bald wird man unter dem himmlischen Dach
mir einen würdigen Abschied gestalten.

Seht, meine Zeit geht mit sicherem Schritt
ohne zu klagen dem Ende entgegen.
War ein so munterer, lebhafter Ritt
auf gar so farbigen, wertvollen Wegen.

Jetzt ruht mein Blick auf der Zeit, die vorbei.
Schweift voll Beglücken noch über die Jahre.
Gleich bin ich jeder Erinnerung frei.
Gleich ruht die Hülle entspannt auf der Bahre.

Und das Erinnern wird Eures dann sein.
Schickt die Gedanken voll Freud' in die Stunden.
Nicht sei die Trauer ein hindernder Stein,
der Euch nur Leid bringt und Tränen und Wunden!

Weinet nicht lange! Ich will, dass Ihr lacht.
Denket daran: Ja, auch Ihr werdet sterben.
Es liegt in Eurer alleinigen Macht,
Euch die Gedanken mit Frohsinn zu färben ...


(c) Bettina Lichtner