Montag, 4. November 2019
Es gibt keinen Stillstand
Der Tod ist nichts Furchtbares, sondern nur eine Station auf der Reise zur Vollkommenheit, zur Genialität oder zum inneren Frieden. Alles dient der Entwicklung des Menschen, und selbst das Leid hat keinen anderen Zweck, als durch Enttäuschung (d. h. Entfernung von der Täuschung) ihn immer mehr dem reinen Selbst näher zu bringen. Es gibt keinen Stillstand. Die Ruhe fördert nicht minder die Evolution als die Tätigkeit.
Was heutzutage wie immer not tut, ist das Erwachen des Bewusstseins der unsterblichen Natur. In ihr wird die Ruhe und das heilige Gefühl einer unerschütterlichen Sicherheit gewonnen, und mit ihrem Einzug schwindet jegliche Todesfurcht. Die Erleuchteten schreckten nicht vor dem "Tode" zurück, vielmehr bezeichneten sie ihren Sterbetag als den Termin ihrer Geburt. Es ist erhebend, die Blätter der Geschichte zu lesen, welche die darauf bezüglichen Anschauungen wirklich großer Männer enthalten: Von Sokrates wird folgendes erzählt: Als seine Freunde sich bei ihm nach dem Ort erkundigten, wo sie ihn begraben sollten, rief er ihnen lächelnd zu: "Begrabt mich, wo ihr wollt, wenn ihr meiner habhaft werden könnt; aber saget nicht, ihr habt den Sokrates bestattet, sondern saget, ihr begrubet seinen Leib!"
Nicht anders dachte Plotinus. Er lebte in der Idee des Unsterblichen, im Bewusstsein des göttlichen, unentstandenen und nie vergehenden Wesens. Seine Enneaden, würdige Beiträge zur theosophischen Literatur, bezeugen dies. Es kamen einmal einige Leute zu ihm, um den Tag und das Jahr seiner Geburt zu erfahren. Er wies sie mit den freundlichen Worten ab: "Das Ereignis meiner Geburt in dieser Welt ist ein so unbedeutendes Vorkommnis in meiner unsterblichen Laufbahn, dass es gar nicht der Erinnerung wert ist."
Von Jakob Böhme wird erzählt, er habe in seiner Sterbestunde unbeschreibliche Harmonien vernommen und sei mit den seligsten Gesichtszügen in den anderen Zustand eingegangen.
Benjamin Franklin, der sein ganzes Leben über bemüht war, die alten Druckfehler seiner Handlungen zu verbessern und neue zu vermeiden, ließ auf seinen Grabstein die bekannte fröhliche Einsicht verkündigende Inschrift setzen:
Hier ruht der Körper des Buchdruckers Benjamin Franklin, den Würmern zur Nahrung, wie der Deckel eines alten Buches, dessen Inhalt herausgerissen, ohne Titel und Vergoldung. Jedoch das Werk selbst ist nicht verloren gegangen, sondern wird, wie er glaubte, neu erscheinen in neuer und feinerer Ausgabe durchgesehen und verbessert vom Verfasser.
(c) Friedrich Jaskowski, 1887-1914