Donnerstag, 21. November 2019

Ich will nicht wissen ....



Schicksale werden uns nicht gegeben, um ihren Prüfungen auszuweichen, sondern mit ihnen zu ringen - uns dem Unglück mit Mut in den Weg zu stellen und den guten Geistern mit allen Kräften beizuspringen. Das in jedem Augenblick aus der Freiheit meines Wesens mit den mir verliehenen Gaben zu vollbringen, ist ja das Herrlichste am Leben. Ich will nicht wissen, ob der morgende Tag mir Schweres bringt, um mich als Fuchs davor zu schützen. Sondern wenn es da ist, will ich meinen Mann stehen. Genug, dass ich weiß, die guten Geister haben mich nicht verlassen, als ich die Fahrt ins Erdenland antrat, und ich danke ihnen bei jedem Ausblick zu den Sternen, dass sie mich allzeit so wunderbar geleitet haben. Ich kann nicht wünschen, dass sie mir die Steine aus dem Wege räumen, da ich vielmehr in jedem Gottesdienste darum bitte, an dem Opfer teilhaben zu dürfen, dass der höchste Weltenführer vor zwei Jahrtausenden zur Erlösung der Menschheit vollbracht hat. 

(c) Rudolf von Koschützki, 1866-1954
aus dem Buch "Fahrt ins Erdenland" (Ausgabe 1933)

Dienstag, 12. November 2019

Bedenke ...




Memento mori !!

(Bedenke, dass du sterben musst !!)

Donnerstag, 7. November 2019

Aufgewirbelt



Aufgewirbelt liegt die Stunde!
Eben ritt der Tod durchs Tal,
riss den Atem aus dem Munde,
brachte Tränen ohne Zahl.

Zog die Seele aus dem Trauten,
lautlos, dem Gespenste gleich.
Pläne, die zum Berg sich bauten,
zog er allsamt in sein Reich.

Dort, wo just das Lachen lachte,
ist der Platz nun menschenleer.
Keiner, der den Tod bedachte.
Schmerz und Trauer laufen quer.

Warm noch liegt dein Hauch des Lebens
auf dem kleinen Fleckchen Welt.
Mitten in der Lust des Strebens,
hat das Ende sich gesellt.

Zwischen denen, die noch blieben,
griff Gevatters Rechte zu.
Das WARUM fischt blind im Trüben,
sucht den Sinn der letzten Ruh'.

Möchte nur zu gern begreifen,
was nicht zu begreifen ist.
Während sich die Fragen häufen,
webt die Liebe ihr Gerüst.

Webt es zwischen Tod und Leben,
bindet, schnürt und zurrt und spinnt.
Kann 's wahrhaft ein Ende geben,
wo solch Liebesbande sind?


(c) Bettina Lichtner

Mittwoch, 6. November 2019

Der Verhüllte


Ein großer Meister wollte den Hiob malen, den elenden, zerschmetterten Mann, der todeswund an Leib und Seele auf den Scherben seines Glücks sitzt. Wie er sich auch mühte, dem tiefen Jammer, dessen Bild in seiner Seele lebte, Gestalt zu geben, es wollte nicht gelingen. Da malte er ihn verhüllt. Man sah nichts als die weite gelbe Wüste, die trostlose Einöde mit dem brennenden Himmel darüber, und im Vordergrunde ein graues Etwas, die unbestimmten Umrisse eines Menschen, der in sich zusammengebrochen dalag. Vergebens suchte der Blick das Antlitz. Der Mensch begrub sein Elend, seinen Jammer und seine Hässlichkeit mit den Falten des Mantels, als schämte er sich des Tageslichtes. Wer dies verhüllte Etwas anschaute, fühlte einen Schauder durch seine Seele gehen; er ahnte das Entsetzlichste und fürchtete unwillkürlich, es möchte sich aufrichten und all das verborgene Grauen entschleiern.

Hast du nicht vielleicht eine ähnliche Erfahrung gemacht? Du trittst in die stille Sterbekammer, wo der Verblichene ruht, eine regungslose Gestalt. Es drängt dich, die geliebten Züge noch einmal zu schauen, und du streckst die Hand aus, um das weiße Laken zu lüften. Da fasst dich ein geheimes Grauen: was wird sich zeigen, wird es das bekannte Antlitz sein, oder ist es fremd geworden? Vielleicht trägt es den Ausdruck friedensvoller Ruhe, vielleicht aber auch ---- der Tod kann furchtbar umgestalten, und deine Seele erzittert vor dem, was das weiße Laken birgt.

Es ist eine Gnade für uns, dass der Tod uns verhüllt entgegentritt; aber es lässt sich nicht leugnen, dass darin zugleich ein Schrecken des Todes liegt. Dass der Augenblick und die näheren Umstände des Sterbens uns verborgen bleiben, bis wir mitten darin stehen, solange wir noch atmen, ist gewiss eine Gnade, für die wir dem Schöpfer danken wollen. Aber was uns das Sterben furchtbar erscheinen lässt, ist das Fremde, das gänzlich Unbekannte. Wie wird uns sein, wenn der Tod uns fasst? Was werden wir fühlen, was werden wir empfinden? Wie schmeckt der Tod? Alle Erfahrungen, die wir in einem langen Leben gemacht haben mögen, lassen uns im Stiche; sie können uns nichts sagen auf unsere bange Frage.

Vergebens bemühen wir uns, die Sterbenden zu belauschen. So lange sie uns Auskunft geben könnten, ist auch ihnen der Tod noch das Verhüllte, das Unbekannte, vor dem die Seele unwillkürlich erschauert. Je näher sie ihm kommen, um so ferner werden sie uns; ihre Stimme würde uns nicht mehr erreichen, wollten sie im letzten Augenblick sich rückwärts wendend uns Bericht geben. Sie werden auch wohl so erfüllt sein von dem großen Ernste dieses Augenblickes, dass sie unsere Frage gar nicht hören, dass sie das Leben und seine Wünsche gar nicht mehr verstehen, nicht mehr sehen. Mitunter wird beobachtet, dass beim Sterben plötzlich eine Veränderung über die erstarrenden Züge geht, als ob sich etwas Ungeahntes entfalte vor der scheidenden Seele. Was ist es? Ein Staunen ---- ein Erschrecken ---- ein freudiges Aufleuchten? Hat der Sterbende etwas geschaut --- etwas gehört --- etwas empfunden --- eine erste Erfahrung gemacht, die schon von jenseits kommt? Wer will es deuten!

Nun liegt er da und hat die Lippen für immer geschlossen. Jetzt weiß er das große Rätsel und könnte Auskunft geben, aber er schweigt. Vergebens suchst du eine Antwort zu lesen in seinen starren Zügen, sie bleiben unbeweglich. Mag der Verstorbene dir ein treuer Freund gewesen sein, der kein Geheimnis vor dir hatte: das große Geheimnis des Sterbens verrät er dir nicht. Mag er dir ein Führer und Berater gewesen sein, der immer bereit war, dir die Wege zu weisen: über den dunkeln Weg, den er soeben gegangen ist, den auch du gehen musst, über den du so gern etwas wissen möchtest, über diesen Weg sagt er dir kein Wort.

Nun setze dich hin und grüble nach, spanne alle deine Geisteskräfte an, um das Rätsel zu lösen; frage die tiefsten Ahnungen deiner Seele: wie wird mir sein im Sterben? ----- Die Antwort bleibt aus. Der Verhüllte lüftet die finstern Falten nicht. Du musst den Tod so nehmen, wie er für das Leben ist, ---- als das Fremde, das nie Erfahrene und nie Empfundene, als das große Unbekannte.


(c) Augustin Wibbelt, 1862-1947

Dienstag, 5. November 2019

Von der wahren Ruhe


Die da sterben in der Furcht Gottes und im Glauben an Jesum Christum, schmecken den Tod nicht in Wirklichkeit. Für sie gibt es keinen Tod, nur einen Wechsel des Orts, einen Wechsel des Zustands; sie gehen sofort über in ein neues Leben, mit allen ihren Kräften, ihren unveränderten Gefühlen, noch als dieselben lebenden, denkenden, tätigen Wesen, die sie hier auf Erden waren. --- Sie dürfen ruhen ---, ja, sie werden ruhen, wenn sie der Ruhe bedürfen. Aber worin besteht dieses Ruhen? Nicht in träger Untätigkeit, sondern in Frieden des Geistes. Ach, auszuruhen von Sünde, Leid, Furcht, Zweifel und Sorge, ist das nicht wahre Ruhe? Vor allem auszuruhen von dieser tiefsten Ermattung und Entmutigung: seine Pflicht erkennen und nicht fähig sein, sie zu erfüllen.

Das ist wahre Ruhe, die Ruhe Gottes, der fort und fort wirkt und ist doch in ewiger Ruhe; wie die Sterne über unsern Häuptern sich fort und fort bewegen, wohl tausend Meilen an einem Tage, und sind doch in vollkommener Ruhe, weil sie in voller Harmonie ihre Bahn wandeln, das Gesetz, was Gott ihnen gegeben hat, also erfüllend. Vollkommene Ruhe in vollkommener Arbeit --- darin besteht sicher das Ausruhen der seligen Geister bis zur endlichen Vollendung, wenn Christus die Zahl seiner Auserwählten um sich versammelt haben wird.

Und da es so ist, ---- welcher Trost für uns, die wir sterben müssen, welcher Trost für uns, die wir anderer Sterben sahen, wenn dieser Tod nur eine neue Geburt ist in höheres Leben hinein, wenn das einzige, was sich in uns verändert, unser Leib ist, unsere Schale, unsere Hülse ---- eine Veränderung, wie sie über die Schlange kommt, wenn sie ihre alte Haut abwirft und frisch und erneut daraus hervorgeht, oder wie die kriechende Raupe, die ihr Gefängnis sprengt und als herrlicher Schmetterling ihre Flügel der Sonne entgegen breitet. Wo ist dann des Todes Stachel, wenn der Tod an uns nichts vernichten und der Verwesung anheim geben kann, was unsere Freunde lieb hatten, nichts von dem, womit wir Gott und Menschen dienen konnten? Wo ist des Grabes Sieg, wenn, weit entfernt uns gefangen zu halten, es uns befreit von  d e m , was uns fesselt und zu Boden drückt ---- von dem irdischen Leib?


(c) Charles Kingsley, 1819-1875

Montag, 4. November 2019

Es gibt keinen Stillstand


Der Tod ist nichts Furchtbares, sondern nur eine Station auf der Reise zur Vollkommenheit, zur Genialität oder zum inneren Frieden. Alles dient der Entwicklung des Menschen, und selbst das Leid hat keinen anderen Zweck, als durch Enttäuschung (d. h. Entfernung von der Täuschung) ihn immer mehr dem reinen Selbst näher zu bringen. Es gibt keinen Stillstand. Die Ruhe fördert nicht minder die Evolution als die Tätigkeit.

Was heutzutage wie immer not tut, ist das Erwachen des Bewusstseins der unsterblichen Natur. In ihr wird die Ruhe und das heilige Gefühl einer unerschütterlichen Sicherheit gewonnen, und mit ihrem Einzug schwindet jegliche Todesfurcht. Die Erleuchteten schreckten nicht vor dem "Tode" zurück, vielmehr bezeichneten sie ihren Sterbetag als den Termin ihrer Geburt. Es ist erhebend, die Blätter der Geschichte zu lesen, welche die darauf bezüglichen Anschauungen wirklich großer Männer enthalten: Von Sokrates wird folgendes erzählt: Als seine Freunde sich bei ihm nach dem Ort erkundigten, wo sie ihn begraben sollten, rief er ihnen lächelnd zu: "Begrabt mich, wo ihr wollt, wenn ihr meiner habhaft werden könnt; aber saget nicht, ihr habt den Sokrates bestattet, sondern saget, ihr begrubet seinen Leib!"
Nicht anders dachte Plotinus. Er lebte in der Idee des Unsterblichen, im Bewusstsein des göttlichen, unentstandenen und nie vergehenden Wesens. Seine Enneaden, würdige Beiträge zur theosophischen Literatur, bezeugen dies. Es kamen einmal einige Leute zu ihm, um den Tag und das Jahr seiner Geburt zu erfahren. Er wies sie mit den freundlichen Worten ab: "Das Ereignis meiner Geburt in dieser Welt ist ein so unbedeutendes Vorkommnis in meiner unsterblichen Laufbahn, dass es gar nicht der Erinnerung wert ist."
Von Jakob Böhme wird erzählt, er habe in seiner Sterbestunde unbeschreibliche Harmonien vernommen und sei mit den seligsten Gesichtszügen in den anderen Zustand eingegangen.
Benjamin Franklin, der sein ganzes Leben über bemüht war, die alten Druckfehler seiner Handlungen zu verbessern und neue zu vermeiden, ließ auf seinen Grabstein die bekannte fröhliche Einsicht verkündigende Inschrift setzen:

Hier ruht der Körper des Buchdruckers Benjamin Franklin, den Würmern zur Nahrung, wie der Deckel eines alten Buches, dessen Inhalt herausgerissen, ohne Titel und Vergoldung. Jedoch das Werk selbst ist nicht verloren gegangen, sondern wird, wie er glaubte, neu erscheinen in neuer und feinerer Ausgabe durchgesehen und verbessert vom Verfasser.


(c) Friedrich Jaskowski, 1887-1914

Sonntag, 3. November 2019

Irischer Reisesegen



Möge dein Weg
freundlich dir entgegenkommen,
Wind dir
den Rücken stärken,
Sonnenschein deinem Gesicht
viel Glanz und Wärme geben,
der Regen möge sanft dir
deine Felder tränken,
und bis wir beide, du und ich,
uns wiedersehen,
halte dich schützend Gott
in seiner hohlen Hand.

Doppelpunkt



Der Tod ist Teil des Lebens; doch nicht als Schlusspunkt, sondern als Doppelpunkt: und damit als Auftakt des ewigen Lebens.


(c) Walter Wanner

Samstag, 2. November 2019

Unter dem Schirm des Höchsten



Psalm 91, 1.2
Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg; mein Gott, auf den ich hoffe.


Der 91. Psalm trägt in manchen Bibeln die Aufschrift: Trost in Sterbensgefahr. Es ist ein Lied starken Gottvertrauens, das sich in Gottes Schutz geborgen weiß. In vielen Schlachten hat es sich an manchem als rechter Soldatenpsalm erwiesen. In den Wettern des Krieges und in der Angst der Zeit hat es die draußen Kämpfenden und die in der Heimat Zurückgebliebenen unter den Schutz des allmächtigen Gottes gestellt, der in Christo unser Vater ist. Wer im Glauben sich mit ihm zusammenbindet, der hat ein starkes Geleit und einen sicheren Helfer. Unzählige haben das erfahren. Dass sie in allen Gefahren des Krieges bewahrt blieben, preisen sie als ein Wunder der Gnade.

Und die andern? Die gefallen sind und mit gebrochener Gesundheit heimkehrten? --- Wir stehen mit unserem Psalm im Alten Testament, wo die Gewissheit, irdisch und leiblich bei Gott geborgen zu sein, als die höchste Kraft des Gottvertrauens gepriesen wird. Aber wir im Neuen Testament kennen ein noch tieferes Lied, jenes hohe Lied des Glaubens, und wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen; dass auch der Tod uns nicht von Gottes Liebe scheiden kann. "Wo der Herr ein Haus erschüttert, das mit kindlichem Vertrauen auf diesen Fels seiner Zusage gebaut war, --- ist nicht ewiges Leben länger, höher, reicher als das längste Leben? Sind die Deinen dir vorangegangen, rüste dich auf den Heimgang. Des Herrn Hand hat's getan; so halte dich fest an seiner Hand, die keine grausame ist; des Herrn Kraft wird in deiner Schwachheit mächtig sein."

Zu dir, Herr, flüchten wir uns. In deinen Schutz bergen wir uns. Deiner Gnade getrösten wir uns. Lebend und sterbend wissen wir uns in deiner Hand. Ach, hilf uns zur Seligkeit. Amen.



(c) Dr. Paul Conrad, Theologe, 1865-1927