Freitag, 12. Juli 2019
Ach wie flüchtig ...
Ach wie flüchtig, ach wie nichtig
ist des Menschen Leben!
Wie ein Nebel bald entstehet
und auch wieder bald vergehet,
so ist unser Leben, sehet !
Ach wie nichtig, ach wie flüchtig
sind der Menschen Tage!
Wie ein Strom beginnt zu rinnen
und mit Laufen nicht hält innen,
so fährt unsre Zeit von hinnen.
Ach wie flüchtig, ach wie nichtig
ist der Menschen Freude!
Wie sich wechseln Stund und Zeiten,
Licht und Dunkel, Fried und Streiten,
so sind unsre Fröhlichkeiten.
Ach wie nichtig, ach wie flüchtig
ist der Menschen Schöne!
Wie ein Blümlein bald vergehet,
wenn ein raues Lüftlein wehet,
so ist unsre Schöne, sehet!
Ach wie flüchtig, ach wie nichtig
ist der Menschen Glücke!
Wie sich eine Kugel drehet,
die bald da, bald dorten stehet,
so ist unser Glücke, sehet!
Ach wie nichtig, ach wie flüchtig
ist der Menschen Ehre!
Über den, dem man hat müssen
heut die Hände höflich küssen,
geht man morgen gar mit Füßen.
Ach wie flüchtig, ach wie nichtig
ist der Menschen Wissen!
Der das Wort könnt prächtig führen
und vernünftig diskutieren,
muss bald allen Witz verlieren.
Ach wie nichtig, ach wie flüchtig
ist der Menschen Dichten!
Der, so Kunst hat lieb gewonnen
und manch schönes Werk ersonnen,
ist dem Tode nicht entronnen.
Ach wie flüchtig, ach wie nichtig
ist der Menschen Prangen!
Der in Purpur hoch vermessen
ist als wie ein Gott gesessen,
dessen wird im Tod vergessen.
Ach wie nichtig, ach wie flüchtig
ist des Menschen Herrschen!
Der durch Macht ist hoch gestiegen,
muss zuletzt aus Unvermögen
in dem Grab erniedrigt liegen.
Ach wie flüchtig, ach wie nichtig
sind der Menschen Schätze!
Es kann Glut und Flut entstehen,
dadurch, eh wir uns versehen,
alles muss zu Trümmern gehen.
Ach wie nichtig, ach wie flüchtig
sind der Menschen Sachen!
Alles, alles, was wir sehen,
das muss fallen und vergehen;
wer Gott fürcht', wird ewig stehen.
(c) Michael Franck, 1609-1667