Freitag, 26. August 2016
Fern, fern
Es ist etwas Sonderbares um die Erinnerung. Sie kommt und ist da und stellt alte Zeiten vor deine Seele. Längst vergangene, liebe Gestalten treten vor dein Auge, und du siehst Orte, die fern, fern liegen und hörst Töne, die lange verklungen sind, noch einmal.
Und es wird dir warm ums Herz ...
(Anna Schieber, 1912)
Dienstag, 16. August 2016
Eine andere Form des Daseins
Goethe war der Ansicht, "dass kein tüchtiger Mensch je an seiner Fortdauer gezweifelt habe"; ihm war unser Geist der Sonne ähnlich, die bloß unseren irdischen Augen unterzugehen scheint, aber unaufhörlich fortleuchtet. Er sagte zu Eckermann das kühne Wort:
"Wenn ich bis an mein Ende rastlos wirke, so ist die Natur verpflichtet, mir eine andere Form des Daseins anzuweisen, wenn die jetzige meinen Geist nicht länger auszuhalten vermag."
Das war auch ihm der beste Beweis für die Unsterblichkeit, "dass wir sie nicht entbehren können".
Es beglückt dich, wenn du deiner eigenen Ewigkeit inne wirst, das ist das unmittelbare Zeugnis deiner Natur, dass dieser Begriff zu deinem Wesen gehört.
Dass das Erdenleben ein Bruchstück sei, welches unser Denken und Dichten anreizt, Linien zu seiner Ergänzung zu ziehen, dass die Zweckmäßigkeit, welche wir sonst in der Welt gewahren, gerade beim Menschen in ihr Gegenteil umschlage, wenn wir sein Dasein bloß für ein irdisch vergängliches halten, das stand für Herder wie für Kant gleichmäßig fest.
(Moritz Carriere, 1817-1895)
Sonntag, 14. August 2016
Mittwoch, 10. August 2016
Mitten im Leben
"Die Wendung 'mitten im Leben' deutet nicht auf Sommerfreuden, sondern auf plötzlichen Tod, auf Trauer und Leid. "Mitten im Leben", so fängt aber auch ein kleines Gedicht von Günter Grass an, in dem anklingt, wie Tod und Leben miteinander verquickt sind.
Mitten im Leben denke ich an die Toten,
die ungezählten und die mit Namen.
Dann klopft der Alltag an, und übern Zaun
ruft der Garten. Die Kirschen sind reif!*
Auch in der hellsten Zeit des Jahres bleiben schlechte Nachrichten nicht aus. Ja, manchmal kann es einem so vorkommen, als würden sie sich gerade jetzt häufen. Nicht zu fassen ist die Menge der "ungezählten" Toten. Die anderen, die für uns Namen und Gesicht haben, widersetzen sich dem Begreifen auf ihre Weise: Es ist nicht zu fassen, wie viele von den Nahen und Nächsten vom Tod bedroht oder auf einmal nicht mehr am Leben sind. Der Tod mitten im Leben erzwingt unsere Aufmerksamkeit und macht uns sprachlos. Er schnürt einem die Kehle zu und lähmt die Lebensgeister. Und dann? Dann klopft der Alltag an. Der Alltag, der das Leben vorantreibt, obwohl es gerade stillzustehen scheint. Der sich nicht darum kümmert, ob man noch Kräfte übrig hat für ihn. Der darauf drängt, dass etwas getan werden muss, jetzt gleich. Der auftischt, was überhaupt nicht in dunkle Tage passt. Übern Zaun ruft der Garten: Die Kirschen sind reif. Also müssen sie geerntet werden. Auch das noch, zu allem. Aber dann zeigt sich, dass die unabweisbare Arbeit ihr Gutes hat. Sie bringt Ordnung in chaotische Tage. Sie erzwingt, dass man sich bewegt, während gerade alles wie erstarrt ist. Die reifen Kirschen aber sagen wortlos, dass es auch jetzt etwas gibt, was Lust auslöst und Genuss verspricht. Mitten im Leben ist beides: Ende und Anfang, Abbruch und Reife, das Bittere und das Süße. Eins kann nicht gegen das andere aufgerechnet werden. Die Bilanz bleibt offen. Wäre es aufrichtiger, angesichts der ungezählten Toten die Lebensfreude zu ersticken? Nein. Wesen, die endlich sind und es wissen, haben doch die wunderbare Gabe, sich zu freuen und in Begeisterung zu geraten, obwohl sie nicht wissen, was morgen sein wird. "Da merkte ich, dass es nichts Besseres gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben." Das sagt der Prediger Salomo. ** Und setzt, wie der Dichter Grass, die Sommerfreuden ins Recht."
* Günter Grass (in: Fundsachen für Nichtleser, Göttingen 1997, 44)
** 3, 12
(Pastor Kaus Eulenberger)
Ich danke dem NDR (Morgenandacht Kultur/Info, Redaktion Kiel, Frau Pastorin Claudia Aue) für die freundliche Genehmigung zum Abdruck des obigen Textes. Sämtliche Autorenrechte liegen bei:
Ich danke dem NDR (Morgenandacht Kultur/Info, Redaktion Kiel, Frau Pastorin Claudia Aue) für die freundliche Genehmigung zum Abdruck des obigen Textes. Sämtliche Autorenrechte liegen bei:
Dienstag, 9. August 2016
Der Herr wird uns wieder vereinen
"Nur in schweren Prüfungen können sich unsere Glaubenskräfte bewähren. Wofür wären sie uns gegeben, wenn nicht für die dunklen, drückenden Stunden? - Lasst uns glauben, solange wir in der Glaubenszeit wallen! Nur durch Glaubensübungen bereiten wir uns zu den geistigen Schauens-Genüssen. Was der Tod getrennt, und was sich liebte, das wird einst wieder vereinen der Herr, dem Freude ist, Freude zu machen."
(Johann Kaspar Lavater, 1741-1801)
Montag, 8. August 2016
Stunde der Geburt
"Körperliche Leiden, Schmerz und Krankheit, wenn sie mich treffen sollten, werde ich nicht vermeiden können zu fühlen, denn sie sind Ereignisse meiner Natur, und ich bin und bleibe hienieden Natur: aber sie sollen mich nicht betrüben. Sie treffen auch nur Natur, mit der ich auf eine wunderbare Weise zusammenhänge, nicht mich selbst, das über alle Natur erhabene Wesen. Das sichere Ende aller Schmerzen und aller Empfänglichkeit für den Schmerz ist der Tod; und unter allem, was der natürliche Mensch für ein Übel zu halten pflegt, ist es mir dieser am wenigsten. Ich werde überhaupt nicht für mich sterben, sondern nur für andere, für die Zurückbleibenden, aus deren Verbindung ich gerissen werde; für mich selbst ist die Todesstunde Stunde der Geburt zu einem neuen herrlichen Leben."
(Johann Gottlieb Fichte)
Samstag, 6. August 2016
Man weint doch ganz andere Tränen
An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten. Unsere Harfen hingen wir an die Weiden. - Wie sollten wir des Herrn Lied singen in fremdem Lande? (Psalm 137, 1+4). Weine nicht. - Weinet nicht, sie ist nicht gestorben, sie schläft nur (Lukas 7, 13 und 8, 52). Ihr werdet weinen und heulen, und die Welt wird sich freuen. (Johannes 16, 20). Weine nicht; sieh', es hat überwunden der Löwe (Offenbarung 5, 5)
Sollen die Kinder Israel nicht weinen, wenn sie, von ihrem Zion losgerissen, an den Wassern Babels sitzen müssen, im fremden Lande? Sollen sie nicht weinen, wenn ihnen ihr Liebstes genommen ist und sie unter Babel hingeworfen sind? Sie mögen es tun, weil sie doch nicht anders können und der Herr es selbst voraussagt: Ihr werdet weinen. - Jedoch Babel hätte mehr Ursache zu weinen, welches sich doch freut und lacht über die Zucht der Kinder Gottes. Sie mögen weinen, die Kinder Gottes, wenn sie gedrückt und gedrängt werden von Babel; aber dabei nicht trostlos, nicht verzagt sein, ihre Hoffnung nicht aufgeben; sie mögen weinen über die Gegenwart, aber zugleich sich der Zukunft und ihrer Verheißung freuen. Denn die Erlösten des Herrn werden wiederkehren und gen Zion kommen mit Ruhm, und ewige Freude wird über ihrem Haupte sein. Wonne und Freude wird sie ergreifen. Siehe Jesaja 51, 11 + 12. Soll eine Witwe nicht weinen, wenn sie ihres einzigen Kindes, ein Lehrer, wenn er seiner Schüler, eine Gemeinde, wenn sie ihres Lehrers beraubt, Witwe, Waise geworden ist? - Nein, weine nicht!, sagt der Herr, der da hilft und vom Tode errettet. Soll man nicht weinen, wenn man in die dunkle Zukunft schaut, und nichts sieht, wenn niemand das Buch der verborgenen Ratschlüsse Gottes öffnen und darin lesen kann? Wenn von allen Seiten schwarze Nächte, schwere Leiden drohen, und nirgend ein Strahl der Hilfe, des Trostes zu erblicken ist? Soll man nicht weinen? Nein, weine nicht!, sagt die Stimme; es hat überwunden der Löwe aus Juda's Stamm. In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, denn ich habe die Welt überwunden (Johannes 16, 33). Man kann sich wohl des Weinens nicht erwehren, aber man weint doch ganz andere Tränen, als die Welt in ihrer Traurigkeit; sie sind mit Trost und Hoffnung vermischt, wodurch sie schnell und leicht getrocknet werden.
(Johannes Goßner, 1773-1858)
Donnerstag, 4. August 2016
Da sind wir alle gleich
"Den Staub siehst du nicht wieder; hast du den Staub geliebt, so ist dein Sehnen hoffnungslos. Wir haften unsere Liebe oft mehr an das Äußere als an das Innere. Wir wünschen mehr den Leib als den Geist. Und es ist so verzeihlich und menschlich. Aber es gilt das Menschliche nicht in der Geisterwelt. Dort gibt es keine Väter, Mütter, Schwestern, Brüder, Weiber; wir sind alle nur gleiche Wesen da, und Gottes Kinder."
(Zschocke)
Dienstag, 2. August 2016
Liedtext "Wer nur den lieben Gott lässt walten"
Wer nur den lieben Gott lässt walten
und hoffet auf ihn allezeit,
den wird er wunderbar erhalten
in aller Not und Traurigkeit.
Wer Gott, dem Allerhöchsten traut,
der hat auf keinen Sand gebaut.
Was helfen uns die schweren Sorgen?
Was hilft uns unser Weh und Ach?
Was hilft es, dass wir alle Morgen
beseufzen unser Ungemach?
Wir machen unser Kreuz und Leid
nur größer durch die Traurigkeit.
Sing, bet' und geh' auf Gottes Wegen,
verricht' das Deine nur getreu,
und trau' des Himmels reichem Segen
so wird er bei dir werden neu.
Denn welcher seine Zuversicht
auf Gott setzt, den verlässt er nicht.
(Georg Neumark, 1621-1681)
Montag, 1. August 2016
Heilender Honig
"Ich bin der Herr, der euch heilt." (2. Mose 15, 26)
"Kein Honig unter der Sonne ist so rein, gesund und schmackhaft, kein anderer Honig kann des Todes Bitterkeit so kräftig vertreiben und durchsüßen, als Gottes Wort. Er durchsüßt alles Kreuz, Leiden und gallbittere Anfechtungen. Zum anderen, im Tod lässt er niemanden verzweifeln. Jesus Christus helfe, dass wir seine Worte als den rechten geistlichen Herz- und Seelenhonig mit Freuden in die Honigtöpflein unseres Gedächtnisses füllen, damit wir haben das ewige Leben, damit wir nicht ins Gericht kommen; sondern damit wir durch den Tod seliglich zum Leben hindurch dringen, aller Bitterkeit des zeitlichen Todes vergessen, und die ewige Freude erlangen, die viel süßer wird sein als Honig und Honigseim, und dass dies alles sei wahrlich, wahrlich, ja und Amen. O Amen in Jesu Christi Namen."
(Valerius Herberger, 1613)
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