Die Toten ruhen von ihrer Arbeit --- nicht allein von der eigentlichen Arbeit, sondern auch von aller Beschwerde und Hitze, von aller Plage und Drangsal, von allem Kummer- und Sorgengefühl, von allen quälenden Gedanken und von allen bangen Träumen des Lebens, von aller Tagesmühe und von allen Nachtschrecken.
O, es ist keiner hinübergegangen, der nicht seine Last, sein Leid und seine Ängste gehabt: denn auf Erden kannst du ja keinen Schritt tun, ohne das Elend anzutreffen; auf deinem Freudenwege steht es plötzlich vor dir; unter Rosengebüschen richtet die dunkle Gestalt unerwartet sich auf, und selbst die fröhliche Jugend entgeht seinen Nachstellungen nicht. Viel, viel hätte der Heimgegangene bei einem längeren Erdenleben noch erdulden müssen, wovon ihn jetzt nichts mehr zu erreichen vermag --- in der süßen Sicherheit, an dem Herzen des allmächtigen Vaters, in seinem hellen Himmelreiche.
Die Toten sehen den Tag, die Nacht ist auf ewig vergangen. Lichthell glänzt es ihnen über die unermesslichen Schöpfungen hin, die alle von Wonne blühen. Gott, nach dem sie verlangten in der dürren Wüste, ist nun ganz ihr Labsal und ihr Entzücken; der Erlöser, den sie unaussprechlich liebten, da sie ihn nicht sahen, nun ganz ihr Anschauen und ihr Besitz; die Religion, die sie so hoch verehrten, aus der Ferne zu ihnen hinüberblickend, sind ihre vertrauteste Gemeinschaft.
Gott hat sie gefordert --- nach seinem weisen und gnädigen Rate; für sie und für dich war es das Beste, daß sie jetzt schieden. Willst du dem weisen und gnädigen Rate widerstreben ---- ihrem und deinem Glücke? --- Nein, unterwirf dich in Demut und Vertrauen.
Zu seinen Freuden hat er sie gerufen, zu dem, was sie immer suchten, zu dem Höchsten, was ein Menschenherz zu fassen und nicht zu fassen vermag. Laß sie der Freude und bete den an, der ihnen das Höchste gegeben hat.
Ich kann, sprichst du, die himmlische Freude weder verlangen, noch empfinden, ohne auf Erden zu leiden ---, die Krone der Ewigkeit nicht davon tragen, ohne im irdischen Leben zu kämpfen. Wie die Geduld, so der Ersatz, wie die Arbeit, so der Lohn --- in demselben Verhältnis, aber in viel größerem Maße ---, je nachdem ich im Leiden Sanftmut und Demut geübt, Kraft der Ergebung gewonnen, meine Liebe bewährt und gestärkt habe.
© Friedrich Ehrenberg (1776-1852)