Freitag, 30. Juni 2017
Seine Hand
Der Mensch lebt doch nur von dem, was aus dem Munde Gottes fließt und du wirst zugeben, mein Christ: aus dem Munde Gottes geht nicht das Schöne, Glanzvolle, aber das Echte und das, was den Hunger auf ewig stillt. Tröste einen Sterbenden mit Ästhetik! Tröste einen Verzweifelnden mit schönen, edlen Gedanken, und er wird dir für diese Schilderungen danken. Er begehrt die starke Hand Jesu, die feste und treue Hand, die den Sinkenden hält und den Sterbenden rettet. Es ist keine wohl gepflegte und keine schön gestaltete, aber es ist DIE Hand, die am Kreuz sich durchgraben ließ, damit wir Frieden hätten, die Hand voll Wunden zu unserem Heil.
(c) Hermann Bezzel (1861-1917)
Donnerstag, 29. Juni 2017
Trauerrede aus dem 19. Jahrhundert
Gesprochen von Hrn. Stud. theol. S t e u d e l von Tübingen
Trauergesang:
Am Grabe stehn wir stille
und säen Tränensaat,
des lieben Pilgers Hülle,
der ausgepilgert hat.
Er ist nun angekommen,
Wir pilgern noch dahin,
er ist nun angekommen,
der Tod war ihm Gewinn.
Der schmerzliche Trauerfall, welcher uns, meine Freunde, hergerufen hat zu dieser Stätte der Toten, hat gewiss in die Seele eines jeden von uns, die wir dem Entschlafenen, vor dessen Grabe wir stehen, als seine Freunde und Altersgenossen besonders nahe standen, tief eingeschnitten. Der liebe Freund, der in unser aller Herzen sich eine Stätte gewonnen hatte - er ist von unserer Seite weggerissen und seine sterbliche Hülle soll nun wiedergegeben werden der Erde, von der sie gekommen ist. Lasset mich, meine Freunde, sein Bild, das mir unauslöschlich eingedrückt bleiben wird, wie es unter uns und für uns sich darstellte, in wenigen Zügen uns vor die Augen halten.
Was uns an seinem Bilde vor allem wohltuend entgegentritt, ist die herzliche Liebe, mit welcher er uns zugetan war. Müssen wir es ja doch alle bezeugen, dass er, da er unter uns aus- und einging, was er hatte, nicht für sich behielt, sondern einem jeglichen mitteilte von dem, was die Gnade Gottes ihm geschenkt hatte. Als ein lebendiges Glied unseres gemeinschaftlichen Kreises teilte er allezeit Freude und Leid mit uns, ratend, wo einer des Rates bedurfte, tröstend, wo einer sich um Trost an ihn wagte, ermahnend, wo er eine Frucht zu schaffen hoffte, ausgleichend, wo entstandene Missklänge die Eintracht des Freundeskreises zu stören drohten. Selbst als ihn das notwendige Bedürfnis der elterlichen Pflege seit längerer Zeit unserem persönlichen Umgang entnommen hatte, weilte er noch mit seinem Geiste unter uns, indem er teilnehmend sich immer hineinzuversetzen suchte in alles, was unser Leben bewegte; und bis an sein Ende blieb es, so wohl es ihm war im Kreise der Seinigen, welchen er mit kindlicher und brüderlicher Liebe sich hingab, eine seiner frohesten Hoffnungen, wieder in unsern Kreis, in dem er sich so heimisch fühlte, zurückkehren zu dürfen. Diese Liebe, meine Freunde, sie war so innig, so warm und herzlich, weil sie nicht bloß bestand in jener natürlichen Zuneigung, die nur auf der Oberfläche des geistigen Wesens ihren Sitz hat, sondern einen tieferen Grund darin hatte, dass unser Freund seinen Heiland, den vor allen anderen Liebenswerten, liebgewonnen hatte. Dieser hatte nach seiner Barmherzigkeit ihn herausgerissen aus dem Dienste der Sünde, ihn ergriffen und er hat sich von der treuen Führershand ergreifen lassen. Die Liebe Gottes in Christo Jesu ward also in sein Herz ausgegossen und wirkte lebendig in ihm dahin, dass er sich selbst verleugnend dem Dienste der Liebe zu denen sich hingab, mit welchen er sich verbunden sah, als Glied des einen Leibes, dessen Haupt Christus ist. So nahm denn auch seine Liebe nicht ab, da er den persönlichen Umgang der Freunde vermissen musste, vielmehr, je mehr er durch die Trübsal der körperlichen Leiden geläutert seinem himmlischen Berufe entgegen reiste, desto inniger, reiner, heiliger wurde diese Liebe und gab sich als solche jedem dem Krankenlager des lieben Freundes sich Nahenden zu erkennen.
Dieselbe Gottesliebe war es auch, welche dem Entschlafenen jenen warmen Eifer für den heiligen Beruf mitteilte, zu dessen Führung er sich in unserer Mitte vorbereitete. In diesen Beruf der Verkündigung des herrlichen Evangeliums Jesu Christi sich hineinzuleben, das war seine höchste Freude; und die Treue und Gewissenhaftigkeit, mit welcher er unablässig forschte in der heiligen Schrift, mit welcher er besonders auch den Glaubensgrund der evangelischen Kirche in sich aufzunehmen bemüht war, ist nicht unbelohnt geblieben, indem er in so früher Zeit seines Lebens sich eine Festigkeit und Sicherheit der Überzeugung erwarb, welche ihm selbst gegenüber von solchen, denen er an Gaben nachstand, eine Überlegenheit des Geistes verschaffte. So war denn schon jetzt sein geistiges Leben eng verschlungen mit dem Leben der Gemeinde Christi, vor welcher zu zeugen von dem auch ihm wiederfahrenen Erbarmen Gottes er als seine höchste Lebensaufgabe ansah; mit ihr litt, mit ihr kämpfte, mit ihr freute er sich; ja so warm war seine Teilnahme an allem, was sie von innen und außen bewegte, dass er selbst durch die Gefahr, da und dort Anstoß zu erregen, sich nicht abhalten ließ, mit Entschiedenheit sich gegen alles auszusprechen, was ihm dem Reich Jesu Christi entgegenzuwirken und von dem Reich der Finsternis zu stammen schien.
Doch, meine Freunde, ich würde dem Sinne des Entschlafenen entgegenhandeln, wenn ich diese Vorzüge, welche er unter uns entwickelte, und welche ihm selbst gegenüber von solchen, die seine Überzeugung nicht teilten, Achtung verschafften, als s e i n e Vorzüge bezeichnete, er erkannte ja, nachdem er schon seit Jahren die köstliche Perle des Glaubens gefunden, sich selbst nur als einen Sünder, der nichts hatte, der, was er besaß, nur von der Gnade Gottes besaß - und darum sei auch hier nur gerühmt und gepriesen die göttliche Barmherzigkeit, die ihm das Licht des wahren Lebens hat aufgehen lassen, dass er wiedergeboren durch den göttlichen Geist, entnommen dem Dienste des Fleißes -, die Werke des Geistes vollbrachte.
Diese göttliche Barmherzigkeit hat sich auch an ihm in seinem letzten Kampfe verherrlicht, also, dass wir auch jetzt durch das düstere Bild des Todes doch überwältigend die Strahlen des göttlichen Lebens hindurchdringen sehen, vor dem der Tod weichen muss. Frühe nach menschlichen Gedanken, viel zu frühe für die ihn in Liebe Verbundenen, ist ihm des Lebens Ziel gesteckt worden: nicht mehr ward es ihm vergönnt, in Mitte einer ihm anvertrauten Gemeinde das Wort von der Versöhnung als ein Diener desselben zu verkündigen, und als Zeuge Christi der Kirche seine Kräfte hinzugeben, aber davon, dass das, was er ergriffen hatte im Glauben, auch wirklich der unbewegliche Grund der Hoffnung im Sterben sei, dass das Evangelium von der in Jesu Christo erschienenen Gnade und Wahrheit, dessen Bote er zu werden hoffte, allein Seligkeit bringe, davon hat er im Tode Zeugnis abgelegt, da er freudig hinschied im festen Vertrauen auf das auch ihm zu Teil gewordene ewige Erbarmen Gottes.
Wohl ist, meine Freunde, die Führung des Herrn eine dunkle, dass gerade dieser unser Freund in frischer Jugendkraft aus unserer Mitte weggerufen wurde, dieser, von welchem vor anderen zu hoffen war, dass er ein auserwähltes Rüstzeug werde in der Hand des Herrn, um viele zur Gerechtigkeit zu führen; aber eines kann uns doch gewiss sein, dass das Zeugnis, das er im Leben und im Tode von seinem Glauben abgelegt hat, ein Zeugnis f ü r u n s ist - und auch mit dem Entschlafenen bleiben wir dadurch eins und ehren dadurch vor allem sein Andenken, wenn wir beseelt von dem Geiste, der in ihm lebte, uns vor den Riss stellen, der durch seinen Hingang entstanden ist, und mit dem Schwerte des Geistes uns waffnend streiten für den König der Ehren, dem er so treu gedient hat. Also wird auch durch uns Der verherrlicht werden, der an ihm sich verherrlicht hat, aus dem Grabhügel, unter dem unser Freund ruht, wird eine Frucht des Lebens entsprossen, und an dem Tage, da die allmächtige Stimme des König der Lebendigen, alle, die seine Erscheinung lieb gehabt haben, zum großen Auferstehungsfeste zusammenruft, werden wir mit unserem teuren Entschlafenen Den preisen, der die Fesseln des Todes zerbrochen und als Lebensfürst regiert in Ewigkeit. Amen.
Schlussgesang:
Er trägt die Lebenskrone
und hebt die Palm' empor.
Und singt vor Gottes Throne
ein Lied im höhern Chor.
Wir armen Pilger gehen
hier noch im Tal umher,
bis wir uns wiedersehen
und selig sind, wie er.
Mittwoch, 28. Juni 2017
Unwiderruflich
Mit dem Tod tritt das Unwiderrufliche ein. Unser natürliches Leben erträgt das Unwiderrufliche nicht. Im Tod aber packt uns alle das Unwiderrufliche. Es packt uns unwiderruflich. Darum zerreißt es auch die Gemeinschaft unwiderruflich. Wir müssen die Unwiderruflichkeit des Todes anerkennen. Das geschieht bei den Totenreden aber sehr selten. Wir haben uns allerlei schöne Redensarten angewöhnt, bei denen wir uns nicht viel denken. Wir sagen, man werde den Toten "nie vergessen". Wir sagen, er "lebe weiter im Gedächtnis der Nachbleibenden". Wir sagen, "seine Werke leben weiter", "seine Ideen sicherten ihm die Unsterblichkeit", usw. Mit diesen Redensarten widerrufen wir die Unwiderruflichkeit des Todes, wenn wir die Redensarten ernst nehmen. Denn die moderne Welt kennt kein einziges Moment, welches den Tod wirklich aufhöbe. Den christlichen Glauben hat sie verloren. Sie redet zwar vom Weiterleben, aber über nebelhafte Vorstellungen kommt sie dabei nicht hinaus. Meistens sagt sie nur so etwas, um überhaupt etwas zu sagen und nicht das tun zu müssen, was eigentlich allein zu tun übrig bliebe: hoffnungslos zu schweigen.
(c) Theologe Hans Asmussen (1898-1968)
Dienstag, 27. Juni 2017
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