Samstag, 2. Februar 2019
... bis die Morgenröte anbricht
"Und Jakob blieb allein. Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach." (1. Mose 32, 25)
Jakob blieb allein. Da denken wir an die Ärmsten, die allein geblieben oder einsam geworden sind, die ganz allein stehen in der Nacht ihrer Trauer und in dem Dunkel ihrer Tränen. Sie sind, ähnlich wie Jakob, hineingeworfen in das bitterste Ringen, das sich denken lässt. Was ihnen sonst so wichtig war, hat seine Bedeutung für sie verloren. Jetzt müssen sie sich durchkämpfen durch alles Dunkel und innerlich fertig werden mit dem Unfassbaren, das sich ihnen in den Lebensweg legte.
Und macht nicht jeder Mensch solche Stunden durch, wo er ganz allein ist? Wo ein gewaltiges Ringen anhebt in seiner Seele? Wenn erst die Räder stocken an deinem Lebenslauf, dann wacht dir wohl erschrocken die tiefste Seele auf. O, diese furchtbaren Nächte, dies Alleinsein, diese Einsamkeit. Da kommen sie, die Schatten der Vergangenheit; längst Begrabenes wird wieder lebendig; die Toten stehen auf; Gott selber tritt uns entgegen, nicht als der liebreiche Vater, sondern als der strenge Richter, der Rechenschaft von uns fordert und wir können ihm auf tausend nicht eins antworten!
Nur sich diese Stunden nicht vertreiben! Nur nicht ihrem Gericht entfliehen wollen! Lass nicht ab, zu ringen, zu beten, zu kämpfen, bis du mit dir und Gott in Ordnung bist. Handle nach dem Rat des Kirchenvaters Augustin: Wenn du dich vor Gott fürchtest, dann wirf dich ihm in die Arme! Auch diese dunkle Nicht geht zu Ende, und die Morgenröte bricht an, und dir geht die Sonne auf, und dich grüßt das Gnadenantlitz deines Gottes!
Barmherziger Vater, in Buße beugen wir uns vor dir und erflehen deine Hilfe. Lass uns in deinem Worte Licht und Kraft und Trost finden in dieser schweren Zeit und gib bei aller Angst in unsere Herzen deinen Frieden. Nimm dich aller einsamen und ringenden Seelen an. Erhöre uns um unseres Heilands willen. Amen.
(c) Dr. Paul Conrad, 1865-1927