"Denn der HERR weiß, dass wir vergänglich sind. Er denkt daran, dass wir nur Staub sind."
(Psalm 103, 14)
"Denn der HERR weiß, dass wir vergänglich sind. Er denkt daran, dass wir nur Staub sind."
(Psalm 103, 14)
Du wendest ein: "Wie soll ich an eine Fortdauer meines Geistes glauben, ich sehe ja, wie er mit dem Körper abnimmt und endlich im Tode desselben erlischt!" ---
Was siehest du? Einen Geist? Dann kannst du mehr, als irgendein Mensch gekonnt hat. Einen Geist sieht kein sterbliches Auge. Und den siehest du gar abnehmen und erlöschen? Rede nach der Wahrheit: du bemerkst bei der Abnahme und Schwäche des Körpers nicht mehr die kräftigen Wirkungen, durch die in gesunden Tagen der Geist sich dir ankündigte. Wie kann das anders sein? Wie können, wo das Werkzeug an Brauchbarkeit verloren hat, auch bei derselben Kraft des Wirkenden die Wirkungen noch dieselben sein? Bei den meisten dieser Verrichtungen aber muß dem Geiste, in seinem gegenwärtigen Daseinszustande, der Körper als Werkzeug dienen.
Es gibt indes Tätigkeiten des Geistes, in welchen er wenig oder gar nicht an den Körper gebunden ist; diese zeigen sich gleich kräftig im erschöpften Alter wie in der frischesten Blüte der Jugend, unter der Zerrüttung der Krankheit wie in der Fülle der Gesundheit und treten nicht selten bei Sterbenden in einer Klarheit und Stärke hervor, welche wir in ihrem ganzen Leben bei ihnen nicht wahrgenommen haben, als wolle der Geist, indem er von dem Körper sich trennt, noch einmal seine Macht offenbaren und von seinem fortdauernden Leben, dem Anfange seines höheren Daseins, Zeugnis geben. Und gesetzt, der Geist sänke beim Sterben des Körpers in einen Schlaf: warum sollte er nicht aus diesem wieder erwachen können, wie er aus dem täglichen Schlafe erwacht? Könnte nicht dieser Schlaf die Bedingung des Überganges aus einem Zustande in den anderen sein? Wie, wenn nun ein Entschlummern des Lebens dazu erfordert würde, daß die Kräfte anfangen sich zu regen und zu entwickeln, in denen er seinen höheren Schwung nimmt? Zeigt uns doch die Natur überall dem Ähnliches. Und warum sollten wir uns nicht das Leben nach dem Tode als ein neues denken, das der Herr im Tode erwecken, durch den Tod geben wird? Ist denn die Fortsetzung unseres irdischen Daseins etwas anderes als ein stets sich erneuerndes, ein unaufhörlich schwindendes und von Gott uns wieder geschenktes Leben? Wir sterben täglich, ja in jedem Augenblicke und kehren täglich, augenblicklich ins Dasein zurück. Du hast nicht das Dasein in dir selbst, es strömt fortdauernd dir aus der ewigen Quelle desselben, von dem, der es allein in sich selbst hat.
"Ich fasse das Wunder nicht." Wozu ist nötig, daß du es fassest, da es so oft vor deinen Augen geschieht? Fassest du denn das größere Wunder deiner ersten Geburt? Und magst du, weil du es nicht fassest, zweifeln, ob du lebst? Begreifst du, wie du in den Schlaf sinkest und wieder erwachest? Und darfst du, weil du es nicht begreifst, sagen: ich habe nicht geschlafen?
Du erwachst nicht, wie du eingeschlafen bist. Als ein anderes, ein neues Wesen erwachst du. Als du einschliefest, war Nacht rings um dich her; jetzt siehst du in den hellen Morgen hinein. Als zu einschliefest, warest du müde und erschöpft, jetzt fühlst du dich erquickt und gestärkt. Als du einschliefest, verwirrten sich deine Gedanken, dein Bewußtsein verdunkelte sich, jetzt ist alles Licht und Ordnung in deinem Geiste. Mit schwerer Sorge legtest du dich nieder, frohen Mutes stehest du von deinem Lager auf.
Nicht anders findest du es in der Natur. Wenn die Raupe aus ihrem Tode erwacht, so ist sie nicht mehr die schwer am Boden kriechende, Blätter nagende Raupe, sie hat sich in einen glänzenden Schmetterling verwandelt, der im Sonnenlichte von Blume zu Blume sich schwingt. Wenn die Natur aus ihrem Winterschlafe erwacht, so trägt sie nicht mehr die welke, falbe Farbe des Herbstes; Frühlingslüfte wehen, Frühlingsgesänge erschallen, und die Auen schmücken sich mit farbenreichen Blumen ohne Zahl.
Als die Geliebten, um die wir weinen, entschliefen, da erwachten sie zu höherem Leben bei Gott, bei dem Erlöser, bei den Seligen des Himmels, bei denen, um die sie früher geweint haben -- zum Leben des Anschauens, des helleren Erkennens, der gereinigten Tugend, der verstärkten Kraft. Ein Traum, ein Schatten ist ihnen nun das Erdenleben mit seinen Leiden und Freuden, mit seinen Ängsten und Hoffnungen. Das Schönste und Beste ist ihnen geworden.
© Friedrich Ehrenberg (1776-1852)
Zerfällt der irdische Leib des Menschen, so wird der unsterbliche Geist sich schnell über alles, was endlich ist, emporschwingen und in einem neuen Verhältnis zur ganzen Natur sein Dasein fortsetzen.
© Immanuel Kant (1724-1804)
Ich glaube, dass ein heiliger Magnet, der hier Seelen so wunderbar an Seelen zieht, auch unter anderen Verwandlungen ferner wirken werde. So hoffe ich, einst in einer anderen Welt, in einem anderen Leben wieder mit denen verbunden zu werden, die ich in diesem Leben liebte. Mir ist es gleich, in welcher Verwandlung ich sie wiederfinde. Genug, wir gehören zueinander: wir sind Verwandte für die Ewigkeit, und unsere Liebe dauert unvergänglich in allen Hüllen.
© Heinrich Zschocke (1771-1848)