Samstag, 21. Mai 2022

Gottes Hand


 

Aus Gottes Hand empfing ich mein Leben.

Unter Gottes Hand gestaltete ich mein Leben.

In Gottes Hand gebe ich mein Leben zurück.


© Augustinus (354 n.Chr. - 430 n.Chr.)

Dienstag, 10. Mai 2022

Wiedersehen

 


Ob wir uns wiedersehen?

        Kein Menschenauge kann es erspähen,

        was in der Zukunft mag geschehen.

        In Gottes Ratschluss steht es geschrieben.

        Ach, bitter ist der Trennung Schmerz,

        doch flüstert 's leise uns ins Herz:

                        Es sehen sich wieder

                        die sich lieben!


Wann wir uns wiedersehen?

        Die Zeit in Jahren und in Stunden

        ist pfeilschnell, ach, dahin geschwunden,

        und keine Zeit ist uns geblieben.

        Die Liebe nur sie trotzt der Zeit,

        und wär 's erst in der Ewigkeit!

                        Es sehen sich wieder

                        die sich lieben!


Wo wir uns wiedersehen?

        Von diesem dunklen Erdensterne

        in einer sonnenhellen Ferne

        glänzt uns ein Jenseits drüben.

        Was hier als Hindernis sich stellt,

        erreicht nicht jene schöne Welt.

                        Es sehen sich wieder

                        die sich lieben.



© Dr. Emil Reinbeck (erstmalig veröffentlicht 1856)

Freitag, 6. Mai 2022

Ein Wandern ...

 


Ein Tag, der sagt 's dem andern,

mein Leben sei ein Wandern

zur großen Ewigkeit.

O Ewigkeit, du schöne,

mein Herz an dich gewöhne,

mein Heim ist nicht von dieser Zeit.



© Gerhard Tersteegen (1697-1769)


Donnerstag, 5. Mai 2022

alles wogt und schwindet

 


Sahst du ein Glück vorübergehen,

das nie sich wiederfindet,

ist 's gut, in einen Strom zu sehen,

wo alles wogt und schwindet.


O, starre nur hinein, hinein!

Du wirst es leichter missen,

was dir, und sollt 's dein Liebstes sein,

vom Herzen ward gerissen.


Blick' unverwandt hinab zum Fluss,

bis deine Tränen fallen.

Und sieh durch ihren warmen Guss

die Flut hinunterwallen.


Hinträumend wird Vergessenheit

des Herzens Wunde schließen.

Die Seele sieht mit ihrem Leid

sich selbst vorüberfließen.


© Nikolaus Lenau (1802-1850)