Mittwoch, 28. Dezember 2016

Liedtext von B. Schmolck


Ich sterbe täglich, und mein Leben
eilt immerfort zum Grabe hin.
Wer kann mir einen Bürgen geben,
ob ich noch morgen lebend bin?
Die Zeit geht hin, der Tod kommt her;
ach wer nur immer fertig wär!

Ein Mensch, der sich mit Sünden träget,
ist immer reif zu Sarg und Grab;
der Apfel, der den Wurm schon heget,
fällt endlich unversehens ab.
Der alte Bund schließt keinen aus,
mein Leib ist auch ein Totenhaus.

Es kann vor Abend anders werden,
als es am Morgen mit mir war;
den einen Fuß hab ich auf Erden,
den andern auf der Totenbahr.
Ein einz'ger Schritt ist nur dahin,
wo ich der Würmer Speise bin.

Es schickt der Tod nicht immer Boten,
er kommet oft unangemeld't
und fordert uns ins Land der Toten.
Wohl dem, der Haus und Herz bestellt,
denn ewig Unglück oder Glück
hängt nur an EINEM Augenblick.

Herr, aller Herren, Tod und Leben
hast du allein in deiner Hand;
wie lange du mir Frist gegeben,
das ist und bleibt mir unbekannt.
Hilf, dass ich jeden Glockenschlag
an meinen Abschied denken mag.

Ein einz'ger Schlag kann alles enden,
wenn Fall und Tod beisammen sei'n.
Doch schlage nur mit Vaterhänden
und schließ in Christi Tod mich ein,
dass, wenn der Leib zu Boden fällt,
die Seel' an Jesu Kreuz sich hält.

Vielleicht kann ich kein Wort mehr sagen,
wenn Auge, Mund und Ohr sich schleußt;
drum bet' ich bei gesunden Tagen:
Herr, ich befehl' dir meinen Geist.
Verschließen meine Lippen sich,
so schreie Jesu Blut für mich.

Kann ich nicht segnen mehr die Meinen,
so segne du sie, Herr, für mich,
und wenn sie bittre Tränen weinen,
o Tröster, so erbarme dich
und lasse der Verlassnen Schrei'n
durch deinen Trost erhörlich sein!

Dringt mir der letzte Stoß zum Herzen,
so schließe mir den Himmel auf,
verkürze mir des Todes Schmerzen
und hole mich zu dir hinauf,
so wird mein Abschied keine Pein,
zwar eilig, dennoch selig sein.


(Benjamin Schmolck, 1672-1737)

Sonntag, 11. Dezember 2016

Sehnsucht nach der Urheimat


"Gott ist der Urquell des Lichts und Lebens, der Inbegriff alles Glücks. Der menschliche Geist ist ein losgeschlagener Funke seines Wesens und kann nur in der Rückkehr zu ihm wahres Glück finden. Allem Geschaffenen wohnt unbewusst eine Sehnsucht nach seinem Ursprung, nach seiner Urheimat inne. Aus diesem Zug des Zusammengehörigen entspringt irdisches und himmlisches Heimweh. Die Seele sucht über dem Staub der Erde ein Vaterherz; ihre Sehnsucht hält sie mit diesem unsichtbaren Wohltäter verbunden. Im Gebet, in den gottesdienstlichen Übungen, in der heiligen Schrift sucht sie die Sprossen der Leiter, die sie himmelwärts tragen. In dem Wandel nach seinem Willen beweist sie dem Unsichtbaren ihre Liebe."

(Friedrich Polack)

Samstag, 10. Dezember 2016

Es spricht der Trost ...


"Ich will die Traurigen umschlingen!",
spricht uns der Trost so zart und sacht.
"Ich will in ihre Herzen dringen,
um dieses Fünkchen Liebe ringen,
dass sich ein Feuer draus entfacht.

Die Traurigen, ich will sie halten,
wenn tiefer Schmerz sie niederbeugt.
Droht ihre Seele zu erkalten,
dann will ich wie die Sonne walten,
die königlich der Nacht entsteigt.

Es gilt, die Traurigen zu stützen
im Augenblick der höchsten Not.
Dann möchte ich zur Seite sitzen,
sie vor dem Abgrundtiefen schützen
und vor dem innerlichen Tod.

Den Traurigen die Tränen küssen,
was gibt es Schönres auf der Welt?
Sie in Geborgenheit zu wissen,
und nicht vor lauter Gram zerrissen,
.... wie der Gedanke mir gefällt ...

Die Traurigen durchs Dunkle führen,
ein Licht zu sein - welch' eine Ehr'!
Sie zu umarmen, wenn sie frieren,
damit sie wieder Leben spüren,
und Mut und Hoffnung und noch mehr ...

Und für die Traurigen zu beten,
dass der Allmächtige sie liebt.
Vor Gott mit ihnen hinzutreten,
er möge ihre Wunden löten,
ach, wie viel Freude mir das gibt ...


(c) Bettina Lichtner


Donnerstag, 8. Dezember 2016

Himmelan


"Sie haben ihn mit uns geliebt. Sie haben ihn mit uns beweint und freuen sich nun auch mit ihm über die ewige Freude, die seiner Seele nach kurzen, aber heißen Tagen gereicht wird, zum Trost für alle Leiden und Schmerzen, über den himmlischen Frieden, den das brennende Sehnen auf Erden gesucht hatte. Von mir darf ich Ihnen nichts sagen, denn ich würde erröten zu klagen, während ich meinen geliebten Bruder in dem seligen Lande der Ewigkeit weiß, und dennoch bin ich so schwach, um nicht meine Blicke auf mein vereinzeltes Leben zu richten und die Trauer zu besiegen. Wie sollte ich auch das frohe kindliche Lebensglück noch erwarten, da der Glanz, die Freude und der Stolz meines Lebens entschlafen ist, und nun einsam, wie die Ranken ohne Stütze, meine Hoffnungen hin und her sich wiegen .  .  .  .
Doch nein! Nicht hin und her,  h i m m e l a n  , wo ich alles, alles wiederfinde, zieht das Band der Liebe mich fortan, in das Land, wo das namenlose Sehnen gestillt ist, und die stille Träne getrocknet wird. Ja, der Schmerz ist gut."

(Helene zu Mecklenburg, Herzogin von Orleans)

Mittwoch, 7. Dezember 2016

Zitat von Corrie ten Boom



"Das Leben ist unsterblich, die Liebe ist ewig. Der Tod ist nur ein Horizont. Und ein Horizont ist nur die Begrenzung unseres Sehvermögens."

(Corrie ten Boom)

Donnerstag, 24. November 2016

Abgetrennt


"Abschied zu nehmen von einem geliebten Menschen, das tut weh. Auch wenn du dir noch so oft vorsagst, dass mit seinem Tod zu rechnen war, dass er einen schönen Tod gestorben ist, dem Schmerz des Abschieds kannst du nicht entrinnen. Er muss ausgehalten und durchlitten werden. Du kannst nicht mehr mit ihm sprechen wie in so vielen guten Gesprächen. Du kannst ihm nicht mehr in seine Augen schauen. Du wirst ihn nie mehr umarmen, seine Haut nie mehr spüren. Er wird nicht da sein, wenn du dich allein fühlst, wenn du dich anlehnen möchtest. Er wird nicht mehr in dein Zimmer treten und auf dich zugehen. Sein Zimmer, in dem er gewohnt hat, ist leer. Abschied kommt von Scheiden. Es hat dich so viel mit dem geliebten Menschen verbunden. Ihr wart in manchem zusammengewachsen. Jetzt ist er dir entrissen worden. Es ist, als ob ein Teil deines eigenen Lebens, deines eigenen Herzens abgetrennt worden sei."


(Pater Anselm Grün)

Sonntag, 20. November 2016

Unser aller Arzt


Ach, was kümmert 's die Uhr,
ob ich lach' oder wein'?
Ja, sie stellt sich recht stur
auf die Umstände ein,
die das Leben so schreibt,
welche Büten 's auch treibt ...

Selbst der Tod lässt sie kalt.

Ja, es kümmert sie nicht,
welche Seelengewalt
still im Inneren ficht.
Ihr ist 's Sterben egal,
und der Schmerz allemal.

Einer kommt, einer geht.

Doch, was stört 's ihren Lauf?
Wenn der Atem uns steht,
hört ihr Ticken nicht auf.
Und so trägt wohl die Zeit
ein unsterbliches Kleid.

Sie ist streng. Sie ist hart.

Und von Mitgefühl frei.
Ihre rasende Fahrt
überhört unsren Schrei,
den das Leid uns entlockt.
Sie bleibt stumm und verstockt.

Aber eins ist gewiss:

Sie macht heil, was verletzt.
Jeder seelische Riss,
der das Herz uns zerfetzt,
wird verarztet durch sie
mit klammheimlicher Müh'.


(c) Bettina Lichtner

Donnerstag, 17. November 2016

Unverlierbar


"Ich bin die Auferstehung, und ich bin das Leben. Wer mir vertraut, der wird leben, selbst wenn er stirbt." (Johannes 11, 25)


Dies Wort ist gesprochen an der Stätte der Verwesung, am Grabe des Lazarus; gesprochen von einem, der in wenigen Tagen selber den Weg des Todes gehen wird und doch den Anspruch erhebt, ewiges, unvergängliches Wesen in sich zu tragen, an dem die ganze Welt genesen kann; der die Macht hat, die Toten lebendig zu machen, die geistlich Toten und die leiblich Toten, die in den Häusern und die in den Gräbern. Von ihm geht ein Strom des Lebens aus in alle Totengebeine.
Das schreib dir in dein Herze, du hochbetrübtes Heer! Warum seid ihr so traurig? Meint ihr, die Sonne eures Lebens wäre für immer untergegangen? Nein, nein, ich bin die Auferstehung und das Leben. Darum dürft ihr nicht in die Tiefe blicken, wo ein Sarg versank; in die Höhe sollt ihr schauen und dort eure Heimgegangenen suchen. Eure Toten schauen die Herrlichkeit droben mit aufgedecktem Angesicht. Nicht nur hoffen wollen wir auf jenen großen Tag, wo des Todes Rätsel gelöst werden. Wie er bei uns ist alle Tage, so sind auch sie bei uns; unverlierbar bleibt uns, was einst unser war! Jesus lebt, und unsere Toten leben!
Zu Martha hat der Herr dies Wort gesprochen. Sie hatte viel verloren; aber den Glauben hat sie sich nicht nehmen lassen. Und auf den Glauben kommt es an.

Jesus, er, mein Heiland, lebt;
ich werd' auch das Leben schauen,
sein, wo mein Erlöser schwebt;
warum sollte mir denn grauen? Amen.


(Dr. Paul Conrad)

Dienstag, 15. November 2016

Atemräuber


Der Tod färbt die Gesichter bleich!
Er, dieser Atemräuber,
dünkt übermächtig sich und reich,
im Kreis der toten Leiber.
Doch kennt der Wicht
die Liebe nicht.

Die Liebe, diese Königin,
nimmt allem Tod den Schrecken.
Der Tod rafft allenfalls dahin,
doch sie vermag zu wecken.
Durch sie erwacht,
was tot gedacht.

Und ist auch fort, was uns vertraut,
die Liebe hat 's bewahret:
Wer tief, ganz tief ins Herze schaut,
und nicht mit Neugier sparet,
dem wird ja schnell
das Dunkle hell.

"Nach innen wandern!" Also los!
Und keine Zeit verlieren.
Dort baut die Liebe riesengroß
ein Schloss mit tausend Türen.
Welch Lichterschein!
Tritt nur hinein.

Dort findest du, was du vermisst -
den Lohn für alles Weinen.
Wo dich ein neues Leben küsst,
dort fülle deine Scheunen
mit frischem Mut,
denn das tut gut.

Es nimmt kein Tod dir jemals fort,
was liebevoll im Herzen
gehütet wird. Mein Ehrenwort!
Die Lieb' hilft, auszumerzen
was uns betrübt.
Wohl dem, der liebt ...


(c) Bettina Lichtner

Montag, 14. November 2016

Hin zum Quell


Zum Himmel geht der Seele Ruf,
sich ewig zu verbünden
mit dem, des Hand die Welt erschuf.
"Oh, lass mich Frieden finden ..."

Ja, Frieden. So erstrebenswert
nach all den schweren Zeiten.
Das ist es, was das Herz begehrt
nach all den Traurigkeiten.

Dass in der Tiefe Stille sei
nach schmerzerfülltem Klagen.
Es drängt die Seele, wieder frei
sich an die Luft zu wagen.

Hinaus aus diesem Karussell
des Leids, das stetig kreiste.
Hinaus, hinaus, und hin zum Quell,
der mich zu gerne speiste,

der mich zu gern lebendig säh',
statt in mir selbst verschlossen.
"Oh, Herr, schick' Hilfe aus der Höh'!
Der Quell sei ausgegossen

auf mich in seiner ganzen Flut!
Es dürstet mich nach Sonne!
Ein neu gefasster Lebensmut
sei lang vermisste Wonne ..."


(c) Bettina Lichtner

Montag, 7. November 2016

Lebt !!


"Ich lebe und ihr sollt auch leben." (Joh. 14, 19)

Unter diesen Trost stellen wir alle traurigen und bekümmerten Seelen, denen eine tiefe Wunde in ihr Leben geschlagen wurde. Nicht in den Gräbern sollen sie ihre Heimgegangenen suchen. So gewiss Jesus lebt, leben auch die, welche ihm hier auf Erden lebten und in ihm starben. Jesus lebt! Er ist nicht einer von den großen Toten der Geschichte. Als der Lebendige geht er noch heute durch die Lande. Sein Geist spricht meinem Geiste manch süßes Trostwort zu. Dass wir noch nicht untergegangen sind in dem Elend dieser Tage, verdanken wir ihm, dem Lebendigen und Leben Schaffenden und Trost Spendenden und Vergebung Wirkenden und mit unzerstörbarer Osterhoffnung uns Segnenden.
Aber überhören wir nur ja nicht die Mahnung: Ihr sollt auch leben! Bei dem Propheten heißt es einmal: Da ich vorüberging, sah ich dich in deinem Blute liegen und sprach: Du sollst leben; ja, du sollst  l e b e n ! Ob sich dies Wort nicht am herrlichsten aus dem Munde und aus dem Herzen des Osterfürsten erfüllt hat? Wir liegen in unserem Blute. Wir wühlen im Staube. Wir wälzen uns in den Dornen. Wir fühlen uns behaglich in der Sünde. Wir sind stolz auf unsere Tränen. Wir kommen uns so bemitleidenswert vor in unseren Schmerzen. Und das soll ein Leben, ein Christenleben, ein Osterleben, ein Ewigkeitsleben sein! Nein: Wir sollen  l e b e n  !  IHM leben!  AUS ihm leben! FÜR ihn leben!
Herr, leb' in mir, dass ich in dir auch selig leben möge und wandeln deine Wege. Amen.


(Pastor Paul Conrad)

Sonntag, 6. November 2016

Ein sanfter Flug



Wieder Herbst. Die bunten Blätter
schweben leise, unbemerkt
doch mit frohem Mut gestärkt,
sanft in Gottes Hand, dem Retter,
der sie ganz behutsam trägt
und ins Bett der Liebe legt.

Glücklich sind sie heimgegangen.

Haben ihren Dienst vollbracht,
und nun ist es angedacht,
ja, ist göttliches Verlangen,
dass der Lebenskreis sich schließt,
eh bald neues Leben sprießt.

Eben noch vom Ast getragen,

und im Sonnenlicht gewärmt,
von der Lust des Seins geschwärmt,
schon heißt es, Adieu zu sagen,
denn das Ziel der Lauf der Zeit
ist nunmal die Ewigkeit.

Von der Welt ganz unbeachtet,

stirbt ein jedes vor sich hin.
Aber: Sterben ist Gewinn!
Und der Tod ist jäh entmachtet,
denn die Liebe lebt ja fort.
Ihr gebührt das letzte Wort.

Wie ein Blatt - so wird das Leben,

das der Schöpfer uns geschenkt,
das am seidnen Faden hängt,
irgendwann zurückgegeben.
Schweben wir auch himmelwärts,
uns bewahrt doch manches Herz.


(c) Bettina Lichtner



Donnerstag, 3. November 2016

Die Macht des Gebets


"... und ihre Stimme wurde erhört, und ihr Gebet kam in Gottes heilige Wohnung im Himmel." (2. Chronik 30, 27)

Gebet ist das untrügliche Stärkungsmittel des Christen in allerlei Fällen, in allen Nöten. Kannst du das Schwert nicht brauchen, so nimm deine Zuflucht zur allvermögenden Kraft des Gebets. Dein Pulver ist vielleicht feucht, deine Bogensehne schlaff geworden, aber die Waffe des Gebets kommt nie in Unordnung. Der Leviathan lacht des Speers, aber vor der Macht des Gebets erzittert er. Schwert und Speer müssen immer wieder poliert werden, aber das Gebet rostet nie, und wo wir glauben, es sei stumpf oder schartig, da schneidet es am besten. Das Gebet ist eine offene Tür, die niemand zuschließen kann. Wenn dich die Teufel von allen Seiten umringen, so bleibt der Weg nach oben immer frei, und solange diese Straße nicht verlegt ist, kannst du dem Feind nicht in die Hände fallen. Wir können nicht durch Belagerung noch durch Sturm, weder mit List noch mit Gewalt überwunden und gefangen weggeführt werden, solange auf der Jakobsleiter himmlische Hilfstruppen zu uns stoßen können, um uns in Zeiten der Not und Gefahr zu unterstützen. Das Gebet ist immer an der Zeit; im Sommer wie im Winter ist es von höchstem Wert und köstlicher denn alle Schätze. Das Gebet wird am himmlischen Thron vorgelassen in der Todesstille der Nacht, inmitten emsiger Geschäftstätigkeit, in der Hitze des Mittags, im Schatten des Abends. In jeder Lage, sei es Zweifel oder Entmutigung, sei es Armut oder Krankheit, sei es Verachtung oder Verleumdung, ist dein Gebet dem treuen Bundesgott willkommen, und Er schenkt ihm Erhörung aus seinem Heiligtum. Auch ist das Gebet rechter Art nie umsonst. Wahrhaftiges Gebet ist immer von kräftiger Wirkung. Wird dir auch nicht immer das zuteil, um das du bittest, so werden doch immer deine wirklichen Bedürfnisse befriedigt. Wenn Gott seine Kinder nicht nach dem Buchstaben erhört, so erhöret Er sie dafür nach dem Geist. Wenn du um Leibesgesundheit bittest, hast du Ursache, dich zu beklagen, wenn Er stattdessen dein Siechbett zur Heiligung deiner geistlichen Gebrechen wendet? Ist es nicht besser, dein Kreuz werde dir geheiligt, statt abgenommen?


(Charles Haddon Spurgeon, 1834-1892)

Mittwoch, 2. November 2016

All mein Glück



Tiefer Schmerz. Der Blick ins Leere.
Immer wünschte ich, sie wäre
wieder heile, meine Welt,
die mir Stück um Stück zerfällt.

Lebensfreude? Weggebrochen.
Ja, ich schließe wohl seit Wochen
mich in einen Kerker ein,
und will ganz alleine sein.

Lebenslust? Hab' ich verloren ...
Dabei hab' ich mir geschworen,
trotz des Leids nach vorn zu sehn.
Aber vorne ist 's nicht schön.

Vorne lauern solche Zeiten,
die mir gar nichts mehr bedeuten,
die so trüb, so sinnlos sind,
dass ich sie als Last empfind'.

Lebensglück? Wie sollt' ich 's schmieden,
wenn die Kräfte mir ermüden?
All mein Glück liegt da im Grab!
Gott nahm fort, was er einst gab.

Er nahm 's fort und mir bleibt 's Fügen.
Gönn' ich nicht dem Tod das Siegen,
muss ich bald zurück ins Licht!
Denn die Nacht bekommt mir nicht.

Muss zurück ins Leben finden!!
Muss mich an die Sonne binden,
und in ihrem hellen Schein
wieder lebenslustig sein.


(c) Bettina Lichtner

Dienstag, 1. November 2016

Bei Gott



"Denn in der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie Engel im Himmel." (Matthäus 22, 30)

Damit weist der Herr alle falschen Bilder ab, wie die Menschen sie sich von der Ewigkeit machen. Er öffnet uns nur ein klein wenig die Himmelstür; aber durch den schmalen Spalt dringt ein heller Strahl, der uns Leben und Sterben, Zeit und Ewigkeit in wundervoller Weise verklärt. Er erwartet nicht das alte, sondern ein Neues; nichts Zeitliches, sondern Ewiges; nichts Irdisches, sondern Himmlisches; nichts Natürliches, sondern Geistiges: Sie sind gleich wie die Engel Gottes im Himmel. 

Der Engel Geschäft ist es, wie der Psalmist sagt, Gottes Befehl auszurichten, seinen Willen zu tun. So ist die Ewigkeit nicht ein träumerisches Ruhen und Nichtstun; nicht ein Genießen und immerwährendes Singen und Beten; sondern die Ewigkeit besteht in dem Erfüllen des Willens Gottes, höher, reiner, herrlicher, als hier auf Erden. Wie viel wissen wir damit über die Ewigkeit: Da dürfen wir ganz unserem Gott dienen! Aber wie viel wird uns damit auch gesagt für dieses Leben!

Denn das ewige Leben ist nicht ein Leben, das mit dem Tode anfängt, sondern das mit dem Tode nicht aufhört. Nur der kann die Gewissheit ewigen Lebens  b e i   Gott haben, der bereits auf Erden ein Stück ewigen Lebens in Gott in sich trägt. Wer ihm droben dienen will, muss hier schon ihm leben, seinen Willen tun, unablässig, unermüdlich, um damit reif zu werden für die Ewigkeit.

Nur der ist zum Sterben fertig,
der sich lebend zu dir hält. Amen.

(Pastor Paul Conrad, 1865-1927)

Montag, 31. Oktober 2016

Geistliches Lied (J. S. Bach)


Ein Engel?



Alles liegt mit dir begraben,
was zu Lebzeit uns erfreut:
Träume träumen, Ziele haben,
und die Unbefangenheit,

und die unbeschwerten Stunden,
jedes Lachen, jeder Kuss,
auch der Plan vom Weltumrunden,
ach ... mit alledem ist Schluss.

Alles liegt nun in der Erde,
und das Gras wächst drüber weg.
Ob ich 's je begreifen werde?
Hat der Tod denn einen Zweck?

Buddeln will ich, dich zu holen
aus dem schwarzen, dunklen Sand.
Hätt' dich gern dem Tod gestohlen, 
skrupellos, mit bloßer Hand.

Sind ja bloß zwei kurze Meter,
die dich trennen von der Welt.
Jemand flüstert: "Werd' ein Beter!
Akzeptier', was dir missfällt.

Sieh dich um: an jeder Stätte
standen Menschen so wie du,
die da flehten: 'Gott, ach hätte
es ein End' mit dieser Ruh'.

Aber: alle müssen gehen,
denke mal darüber nach."
Ich versuchte, den zu sehen,
der so mahnend zu mir sprach.

Doch auf all den Friedhofswegen
war kein Mensch, der ging, noch stand.
Nirgendwo war wer zugegen!
War 's ein Engel? Gottgesandt?

Eine Botschaft, mich zu trösten?
Ach, da wurd' das Herz mir still.
Unter Tränen, die sich lösten,
sprach ich leis': "Wie Gott es will ..."



(c) Bettina Lichtner

Sonntag, 30. Oktober 2016

Dort oben


Geliebte Seele, komm' doch bitte
zu unsrem Trost in unsre Mitte
und lass dich bei uns nieder.
Begleite unsre schwachen Schritte,
erwärme unsre kalte Hütte,
belebe unsre Glieder.

Seit deinem Tode will das Leben
nicht Freude uns noch Lachen geben.
Zu jeglicher Sekunde
will sich ein Meer von Fragen heben,
die hartnäckig am Herzen kleben,
mit dem WARUM im Bunde.

Doch, ach, was nützen all die Fragen?
Wer mag uns schon die Antwort sagen?
Wer kann den Sinn durchschauen?
Wir müssen demütig ertragen,
und irgendwann zu hoffen wagen,
dass Schmerzen Wege bauen.

Dass Neues wächst aus allem Leiden,
nicht glänzend mehr, vielmehr bescheiden,
das möge Gott uns schenken.
Sein Wort soll uns mit Mut bekleiden,
dran soll sich unsre Seele weiden
und nimmer trostlos denken.

Es muss und wird ja weitergehen!
Wenn wir auch nicht den Sinn verstehen,
es bleibet Gottes Handeln!
Im Himmel gibt 's ein Wiedersehen.
Dort oben, in den blauen Höhen 
wird aller Schmerz sich wandeln.


(c) Bettina Lichtner




Samstag, 29. Oktober 2016

Ciao



Was soll ich tun? Ich armer Wicht ...
Ich will 's verstehn, doch kann es nicht.
Auf das Warum kein Lösungswort.
Der Tod kommt rasch und reißt hinfort.

Man steht geschockt und fühlt sich leer.
Begreift auf einmal gar nichts mehr,
und fühlt sich unendlich allein,
von Gott verlassen und so klein.

Um mich herum klingt alles dumpf.
Ich sinke tief in einen Sumpf,
der voller Leid und Schmerzen ist,
und Schritt für Schritt mein Herz zerfrisst.

Mir ist 's, als sei 's ein böser Traum!
Man tröstet mich - ich merk es kaum.
Ihr Beileid ist ja gut gemeint,
auch wenn 's so unwirklich erscheint.

Noch gestern war die Welt so schön!
Ich seh' uns durch die Straßen gehn
und unbefangen glücklich sein.
Und Stunden später? Nein, o nein ...

So grausam schlug das Schicksal zu!
Wie unerträglich ist die Ruh',
die jetzt in deinem Zimmer haust.
Ach, wie mir vor der Zukunft graust ...

Noch eben, eben warst du hier!
Dann sagst du Ciao und gehst zur Tür,
gehst raus wie eh mit frohem Blick,
und kommst nun nimmermehr zurück.

"Du, Zeit, du große Heilerin,
weißt du, wie gramgebeugt ich bin?
An mir hast du ein schweres Werk!
So riesig ist der Trauerberg ...."


(c) Bettina Lichtner

Freitag, 28. Oktober 2016

Lass dich retten!


Stramm marschiert das Heer des Leids
Tag und Nacht mir durchs Gemüt.
Welch ein Los, ach, welch ein Kreuz
ist 's, das mich zugrunde zieht.

Schwer ist es .... wie tausend Fässer.
Und es drückt mich gar so tief.
"HERR, so mach die Zeiten besser!"
Wie mein Herz um Hilfe rief ...

Das Erinnern bringt mir Qualen.
Das Erinnern bringt mir Freud'.
Schwankende Gedanken malen
mir ein Bild der Einsamkeit ...

Einsam heut' und einsam morgen.
Gestern noch im trauten Glück.
Plötzlich unbekannte Sorgen,
und ein weher Blick zurück.

Alles hätt' ich geben wollen,
flöss' der Honig wieder süß ...
Doch der Stein kommt nicht ins Rollen.
Er liegt eisern vorm Verließ.

Und ich hocke stumm darinnen,
ohne Nahrung, ohne Licht.
"Möchtest du nicht neu beginnen?",
hör' ich Gott, der zu mir spricht.

Ach, da ist der Stein verschwunden,
und die Sonne trat herein,
und die großen Seelenwunden
wurden kleiner noch als klein.

"Komm, mein Kind, so lass dich retten
aus dem Tal der Traurigkeit.
Ich will dich in Hoffnung betten.
Komm. Vertrau. Du bist befreit.

Weine nicht um deinen Lieben!
Sieh, er ist in meiner Hand.
Auch dein Name steht geschrieben
in dem Regenbogenland,

wo ich einstmals euch vereine,
dessen darfst du sicher sein.
Nimmer lass ich dich alleine:
ich bin dein, und du bist mein."

Trauer' nicht. Ergreif das Leben!
"einsam" ist ein fremdes Wort.
Lass dir meinen Frieden geben!
Komm an meinen Zufluchtsort!

Ich bin da, dich still zu trösten!",
sprach der Herrgott sacht und süß.
Und als sich die Fesseln lösten,
da verschwand auch das Verließ.

Du bist tot, doch Gottes Güte
reißt uns nie und nie entzwei.
ER, vor dessen Kreuz ich kniete,
macht ja alles, ALLES neu.


(c) Bettina Lichtner

Donnerstag, 27. Oktober 2016

Eingerahmtes Schweigen



Eine nie gekannte Leere
breitet sich im Herzen aus.
Eine ach so bleiern schwere
Traurigkeit erfüllt das Haus.

An den Wänden hängt das Schweigen,
eingerahmt im Passepartout.
Muss mich Gottes Willen beugen!
ER deckt uns mit Erde zu!

Deckt uns zu, ohn' uns zu fragen,
ob 's uns heute schon beliebt.
ER bringt Leid und hilft es tragen.
"HILF, O HERR, ICH BIN BETRÜBT!"

Wie du lächelst in den Bildern.
So, als machtest du mir Mut!
Möchtest mir die Schmerzen mildern.
Wäre es doch wieder gut ...

Wärest du zurück auf Erden,
fühlt' ich keine Leere mehr.
's wird nicht mehr wie früher werden.
"Hilf mir, Gott, ich trag' so schwer ...."


(c) Bettina Lichtner



Ein stetes Hinschwinden


"Welche Schauspiele bietet die Erde! Welchen Jammer bringt sie den tiefempfindenden Menschen! Und an der Erde sollten unsere Blicke haften bleiben?
O über die Nichtigkeit des menschlichen Daseins! Man kommt auf die Welt, und das Leben in ihr ist ein stetes Hinschwinden des Lebens! Eine Flamme, die im Winde zittert, die ein Hauch ausblasen kann!
Warum schaudert man, warum freut man sich nicht lieber des Todes? 
Wir scheiden ja nur von der Erde! Wir leben fort und tauschen für das mangelvolle Dasein ein besseres ein. An diesem Glauben halte ich fest im Angesicht des Todes!
Und dieser Glaube ist Wahrheit. Wir werden in das irdische Dasein nur geboren, um den Anfang zu machen eines Lebens, das ewig währt. Wir sind, sind selber, und wie wir sein wollen, werden wir sein.
Ein Wunder ist schon dieses Leben. Das fühlt man nicht im Glück und in der Gesundheit, wo man 's hinnimmt und meint, es müsste so sein.
Wem danken wir es?
Wem anders als dem Einen, der alles ist? Von dem Ewigseienden haben wir das Sein.
Und dieses Sein ist ewig, weil es von dem Ewigen kommt. Es ist ewig, weil er es gewollt hat und werden ließ und ewig will.
Alles, was entsteht, ist wert, das es zugrunde geht, sagt der böse Geist (im Faust) mit Recht. Aber was der Unentstandene zum Leben berufen hat und ewig lebend haben will, um sich daran zu freuen, das vergeht nicht."

© Melchior Meyr (1810-1871)

Montag, 24. Oktober 2016

Gelobt seist du!



Herr, nahe dich, hilf uns die Last ertragen!
Die Wunde schmerzt, du hast uns sehr geschlagen.
Verstummen soll das Fragen und das Klagen;
bring du uns durch!

Du willst ja das Verwundete verbinden,
du hilfst uns auch das Schwerste überwinden
und auch im Dunklen deinen Ruhm verkünden,
bis dass es tagt!

Wir liegen vor dir mit zerbrochnen Herzen,
du kennst die Seelenangst, du fühlst die Schmerzen;
lass hell erbrennen unseres Glaubens Kerzen
und richt' uns auf!

Wir wollen dir auch jetzt die Ehre geben,
wir weihen dir aufs neue unser Leben,
ob auch die Tränen fließen, Lippen beben -
gelobt seist du!


(Eva von Tiele-Winckler)

So hat es dir gefallen, o Gott ...


"O du heiliger und gerechter Gott! So hat es dir gefallen, diesen vor unseren Augen liegenden Verstorbenen durch den zeitlichen Tod von hinnen abzufordern. Ach, lass uns an diesem Tode lernen, dass wir auch einmal also sterben und die Welt verlassen müssen, damit wir uns in Zeiten durch Buße, lebendigen Glauben und Vermeidung der Eitelkeiten und Sünden der Welt dazu bereiten mögen. Erfreue die nunmehr abgeschiedene Seele mit himmlischem Trost und Freude, und erfülle an ihr alle Gnadenverheißungen, die du deinen Gläubigen in deinem heiligen Wort getan; dem Leibe gönne in der Erde eine sanfte und süße Ruhe, bis an den lieben jüngsten Tag, da du alsdann Leib und Seele wiederum vereinigen und zu der Herrlichkeit einführen wirst, damit der ganze Mensch, der hier gedienet, dort möge mit himmlischer Freude erfüllet werden. Tröste auch die durch diesen Tod Betrübten, und sei und bleibe der Hinterlassenen Vater, Versorger, Pfleger, Helfer und Beistand. Verlass sie nicht, und tue nicht von ihnen die Hand ab, sondern lass sie deiner Güte, Gnade, Liebe und Hilfe reichlich genießen, bis du sie auch wirst dermaleinst fröhlich und selig sterben lassen. Ach! Erhöre uns um deiner Barmherzigkeit willen. Amen."

(Johann Friedrich Stark, 1680-1756)

Sonntag, 23. Oktober 2016

Lieben & Leiden



Das Leiden ist vom Lieben
auf Erden nicht zu trennen.
Willst du das Lieben üben,
lernst du das Leiden kennen.
Willst du das Leiden meiden,
so wird die Lieb' vergehen.
Das Lieben und das Leiden
muss hier zusammenstehen. 

(Eva von Tiele-Winckler)

Mittwoch, 19. Oktober 2016

Die Todesfurcht


"Für den Menschen, wie er von Natur ist, gibt es keine furchtbareren Gedanken, als die an den Tod. Mit denen will er sich auch am wenigsten ernstlich einlassen. Wenn jemand vor dem Perserkönig Xerres (gest. 465 v. Chr.) vom Tode redete, sagte er: "Lass das traurige Geschwätz vom Tode fahren." König Ludwig XI. von Frankreich (gest. 1483) soll seinen Dienern bei Strafe verboten haben, in seiner Gegenwart den Tod zu nennen. In China geht es gegen den guten Ton, in einer Gesellschaft vom Tode zu reden. Die Natur flieht und bebt vor dem Tode; es ist ihr, als ob er schneller herbeikomme, wenn sie nur viel und ernstlich an ihn denkt. Ein bloßer Schmerz, der eine Zeitlang den Kopf einnimmt, ein paar Grad Hitze mehr im Schlag der Adern, eine ansteckende Krankheit in der Nähe macht schon unruhig, ängstlich, schwermütig. Die Furcht vor dem Tode ist weit größer, als die Menschen einander gestehen.
Die Todesfurcht ist in jedem Menschen, der noch ein Gewissen hat, der die Heiligkeit Gottes und die Unheiligkeit seines eigenen Herzens und Lebens kennt. Wer da nun das Wort erwägt: "Den Menschen ist gesetzt einmal zu sterben, darnach aber das Gericht" (Hebr. 9, 27) - dem muss es ebenso zumute werden, wie dem Hiskia, der, als nur noch eine Haarbreit zwischen ihm und dem Tode war, "winselte wie ein Kranich - und girrte wie eine Taube" (Jes. 38, 14).  Wär' der Mensch kein Sünder, sagte ihm das Gewissen und das Gesetz nicht, dass das Gericht des heiligen Gottes auf ihn warte, dann wüsste er nichts von der Todesfurcht. "Der Stachel des Todes ist die Sünde." (1. Kor. 15, 56). Die Todesfurcht ist ein nicht kleiner Beweis gegen den Unglauben, der frech sagt: "mit dem Tode ist 's aus, es gibt keinen Himmel und keine Hölle." Steht hinter dem Tode kein Gericht, sondern ein leeres Nichts, dann ist die Todesfurcht lächerlich; vor einem bloßen Nichts braucht man sich ja nicht zu fürchten. Die Todesfurcht ist eine Regung des Gewissens. Das sagt dir: "mit dem Tode geht 's nicht aus, sondern erst recht an, auf den Tod folgt das Gericht." Die Todesfurcht ist eines von den Zuchtmitteln der Gnade Gottes, auch einer von den "bitteren Pfeilen aus Seiner süßen Hand". Den bitteren Pfeil drückt Er den Menschenkindern dazu ins Herz, dass es zu der Klage und Frage bei ihnen komme: "Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?" (Röm. 7, 24).
So hat Gott selbst in die Todesfurcht noch einen Segen gelegt. Aber gar viele bringen sich auch um diesen Segen. Die einen suchen den Tod zu vergessen. Machen 's diese weiser, als jener Vogel in der Wüste, der den Kopf in den Sand steckt, wenn er sich von Jägern umzingelt sieht, in der Meinung, wenn er die Jäger nicht sähe, dann sähen sie ihn auch nicht? Ob du auch den Tod vergissest, der Tod vergisst dich nicht. Andere suchen die ernste Gestalt des Todes mit einem schönen Schleier zu verdecken und ihm ein anziehenderes Aussehen zu geben. Statt Tod oder Sterben brauchen sie mildere Ausdrücke wie: aus der Welt gehen, das letzte Schicksal leiden. Den Schreckenskönig suchen sie sich dadurch weniger schrecklich zu machen, dass sie ihm andere Namen geben, oder ihn unter schönen, aber unwahren Bildern darstellen: als den Erlöser von allen Leiden und als den Bringer besserer Tage. Aber das ist der Tod durchaus nicht für alle Menschen, sondern nur für die begnadeten Gotteskinder. Durch den Schleier, den die Menschen dem Tode umhängen, suchen sie sich in eine Herzhaftigkeit hineinzureden: hinter ihr steht aber ein zitterndes Herz. Wieder andere suchen sich von der Todesfurcht dadurch los zu machen, dass sie ihr Gewissen abstumpfen, dass sie die innere Stimme, die ihnen in stiller Stunde bezeugt: "auf den Tod folgt das Gericht", im Geräusch der mannigfachen Zerstreuungen des Erdenlebens übertäuben und totschlagen. Das ist der Weg zu der schrecklichen Unempfindlichkeit - zu der Verstockung, wie sie an jenem unbußfertigen Schächer zur Linken des Herrn offenbar geworden.
O liebe Seele, spiele nicht mit dem Furchtbarsten, was es in der Welt gibt! Geh' von der Geschäftsjagd und Vergnügungssucht in dich selbst, denk' fleißig nach über Tod, Gericht und Ewigkeit, mach dich nicht durch falsche Mittel von der Todesfurcht los, sondern suche die rechte Hilfe wider den Tod!"

(Heinrich Guth, 1829-1889)

Dienstag, 18. Oktober 2016

Stunde der Neubelebung


Die Schmetterlingsraupe versinnbildlicht das an die Erde gebundene Dasein des natürlichen Menschen. Sie ist mit ihrer Daseinsform anscheinend zufrieden, und doch bewegt sie sich in den niederen Grenzen irdischer Gebundenheit. Zu irgendeiner Zeit kommt über die Raupe instinktmäßig der Trieb, diesem Dasein abzusterben. Sie zieht sich aus dem Feld ihres Genusses und ihrer Tätigkeit zurück, sondert sich ab und macht in dem Gefängnis ihrer engen Puppe einen Sterbensprozess durch, bis schließlich die Stunde der Befreiung und Neubelebung schlägt und nach einer Art Todesangst der Verzweiflung der Schmetterling durch den engen Mund der Puppe bricht, um sich in ungeahnter Freude und Wonne im Sonnenlicht zu wiegen. Der Schmetterling würde das Verlassen seiner engen Hülle nicht Sterben nennen. So wird auch für die Menschen, die aus dem Leben Christi ihr Leben empfingen, das Verlassen des Leibes nur der Eintritt in eine höhere Lebens- und Daseinsform.

(Diakonisse Eva von Tiele-Winckler, 1866-1930)

Sonntag, 16. Oktober 2016

Geistlicher Liedtext



Sei still, mein Herz, und zage nicht,
der Erde Leid wird enden;
es kommt ein Morgen schön und licht,
und alles wird sich wenden.

Sei still, die reiche Tränensaat
hat Gott, der Herr, gesehen.
Sie wird nach seinem weisen Rat
zur Freude dir erstehen.

O Herz, wenn in der Trübsalszeit
dir Schwerstes zugemessen,
sei still, im Schoß der Ewigkeit
ist alles Leid vergessen ...


(nach Heinz Wigman, 1904-1983; von Gustav Mankel 1907-1987; Hermann Ober, geb. 1926)

Samstag, 15. Oktober 2016

Die Fußspur


"Das Grab ist nicht tief, es ist die Fußspur eines Engels, der uns sucht."

(J. Paul)

Entweder ... oder


Der Mensch ist zur Humanität bestimmt. Entweder wissen wir nichts von unserer Bestimmung und die Gottheit täuschte uns mit allen Anlagen, oder wir können dieses Zweckes so sicher sein als Gottes und unseres Daseins. Und wie selten wird dieser menschliche Zweck hier erreicht! In der Natur stimmt alles mit sich überein, der Mensch allein ist im Widerspruche mit sich und mit der Erde. Entweder irrte also der Schöpfer mit dem Ziele, das er uns vorsteckte, und mit der Organisation, die er zur Erreichung desselben so künstlich zusammengeleitet hat, oder dieser Zweck geht über unser Dasein hinaus, und die Erde ist nur ein Übungsplatz, eine Vorbereitungsstätte.

(Johann Gottfried Herder, 1744-1803))


Mittwoch, 12. Oktober 2016

Soli deo Gloria!


Jeden Faden, den ich drehe,
jeden Fußtritt, den ich gehe,
jede Scholle, die ich grabe,
jede Arbeit, die ich habe,
alles meinem Gott zu Ehren,
hier und dort Sein Lob zu mehren.
Soli deo Gloria!

Alle Lasten, die ich trage,
alle Worte, die ich sage,
alle Werke, die ich tue,
alle Stunden, die ich ruhe,
alles meinem Gott zu Ehren,
hier und dort Sein Lob zu mehren.
Soli deo Gloria!

Jedes Tröpflein Blut im Herzen,
jede heiße Glut der Schmerzen,
jede lichte Freudenstunde,
jede bitt're Leidenswunde,
alles meinem Gott zu Ehren,
hier und dort Sein Lob zu mehren.
Soli deo Gloria!

Jede Speis', die ich genieße,
wenn ich andre freundlich grüße,
wenn ich nur ein Blümlein pflücke,
mich um einen Strohhalm bücke,
alles meinem Gott zu Ehren,
hier und dort Sein Lob zu  mehren.
Soli deo Gloria!

Alles, vom Geringsten, Kleinsten,
bis zum Höchsten, Größten, Reinsten,
mag 's die ganze Welt erbauen,
mag 's nur still ein Engel schauen,
alles meinem Gott zu Ehren,
hier und dort Sein Lob zu mehren.
Soli deo Gloria!

Einst an meinem letzten Ende,
wenn mein brechend Aug' ich wende
hin zum Kreuz, den Trost genieße
und dann still mein Leben schließe,
alles meinem Gott zu Ehren,
hier und dort Sein Lob und mehren.
Soli deo Gloria!


(unbekannt)

Dienstag, 11. Oktober 2016

Der eigentliche Reichtum


"Dein Wort ist meines Herzens Freude und Trost." (Jeremia 15)

"Auch wenn Christenmenschen sich um eine Totenbahre versammeln, stehen sie genauso wie die anderen unter dem erschütternden Ernst des Todes und leiden unter der Vergänglichkeit all unseres irdischen Lebens. Wenn ein Mensch für immer die Augen schließt, geht es nicht ab ohne jenes tiefe Weh, das uns allemal befällt, wenn Herz von Herzen geht und Leben von Leben und Liebe von Liebe. Und doch wollen wir nicht nur vom Leid reden, das uns alle betroffen hat. Es wird ja nicht dadurch behoben, dass man viele Worte darüber macht. Aber vom Trost lasst uns miteinander reden und hören; denn des Trostes bedürfen wir im Angesicht des Todes. Wo finden wir ihn? Da wissen und erfahren wir es freilich, wie wenig wir solchen Trost inmitten dieser Welt und auch in allen noch so gut gemeinten Worten menschlicher Teilnahme finden können. Die Welt um uns steht in völliger Ratlosigkeit dem schauerlichen Rätsel des Todes gegenüber. Aber die Gemeinde Jesu Christi hat den Trost mitten in aller Trostlosigkeit dieser Welt, weil sie einen heimlichen und doch lebendig gegenwärtigen Herrn und König hat. Dieser Herr Jesus Christus, er ist unser Trost, unsere Kraft und unsere Hoffnung im Leben und im Sterben - er ganz allein. Ihn loben und preisen wir auch an diesem Sarge und bezeugen es: "Dein Wort ist meines Herzens Freude und Trost." Das eigentlich Wesentliche, was wir als Christenmenschen an diesem Sarge zu sagen und zu bezeugen haben, das auch über die Grenzen des Todes und Grabes für uns alle Bedeutung und Wichtigkeit haben sollte, wäre dies: Dass es hier einem Menschen, auch durch viele schwere und notvolle Erfahrungen seines Lebens, geschenkt ist, sein Leben eben nicht letztlich zu gründen auf die kleinen oder großen Werke und Taten, auf Erfolge oder Misserfolge unseres menschlich vergänglichen Lebens, sondern dass er es gelernt hat, was das eigentlich ist und heißt und bedeutet: als ein Mensch Gottes inmitten dieser Welt zu stehen und zu leben und aus solcher Haltung heraus es dankbar zu bekennen: "Dein Wort ist meines Herzens Freude und Trost." Christus steht uns bei mit seiner Gnade, mit seiner Kraft und mit seinem Trost. Wo aber Christus, der Herr des Lebens, mit dabei ist, und wir im Glauben an ihn unsere leeren Hände zu Gott ausstrecken, um uns von ihm beschenken zu lassen und von nichts anderem als von der Gnade und Barmherzigkeit Gottes leben, da ist dann solche Armut vor Gott der letzte und eigentliche Reichtum, unser Trost und Halt im Leben und im Sterben."

Was wir bergen in den Särgen
ist der Erde Kleid.
Was wir lieben, ist geblieben,
bleibt in Ewigkeit.


(Pastor Büchsel, Traueransprache 1958)

Montag, 10. Oktober 2016

Nur Gnade ist 's ...


Einst sing ich nicht mehr, wie ich sang;
die Saite springt, es naht die Nacht.
Doch sel'ge Lust, es währt nicht lang,
dann bin beim König ich erwacht.
Dann rühm' ich: Herr, du hast 's vollbracht!
Nur Gnade ist 's, die selig macht!

Einst wankt mein Leib hier und zerfällt.
Ich weiß nicht Ort, ich weiß nicht Zeit.
Doch ist 's gewiss, mein Jesus hält
schon Wohnung droben mir bereit.

Ja einst, vielleicht im Abendschein,
wird sanft der Ruf an mich ergehn:
Komm, Kindlein, stell die Arbeit ein,
du darfst jetzt ruhn und Jesus sehn!

Ja einst; bis dahin wart' ich still,
die Lampe brennt, und unverweilt,
wenn mir mein König auftun will,
die Seele jubelnd zu ihm eilt.
Dann rühm' ich: Herr, du hast 's vollbracht!
Nur Gnade ist 's, die selig macht!


(unbekannt)